Kündigung: Auch ohne persönliche Übergabe wirksam?

Arbeitsrecht

Ob beziehungsweise wann eine Kündigung dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin zugegangen ist, ist ein Streitpunkt, der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen regelmäßig (gerichtlich) ausgefochten wird und bei dem einige Fallstricke zu beachten sind, was in diesem Artikel bereits behandelt wurde. Aufgrund neuerer Rechtsprechung besteht Bedarf nach einem Update.

Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Das heißt, eine Kündigung wird erst wirksam, wenn sie der anderen Vertragspartei zugegangen ist. Der Zugang erfolgt grundsätzlich erst dann, wenn die Kündigung so in den Machtbereich des Vertragspartners gelangt ist, dass unter Beachtung der Verkehrsanschauung mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Häufig wird – sowohl vom Arbeitgeber als auch von Beschäftigten – die Variante gewählt, die Kündigung am Arbeitsplatz persönlich zu übergeben. Diese Vorgehensweise ist aus rechtlicher Sicht sehr empfehlenswert – insbesondere dann, wenn die kündigende Person bei der Übergabe noch einen Zeugen beziehungsweise eine Zeugin hinzuzieht. Die Kündigung wird bei einer persönlichen Übergabe unmittelbar wirksam, da sich die Kündigung mit der Übergabe im Machtbereich des Empfängers befindet und mit einer sofortigen Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Die kündigende Person, die den Beweis für den Zugang führen muss, hat mit dem Zeugen zudem ein Beweismittel auf ihrer Seite.

Unter anderem auch durch die verstärkt durchgeführte Tätigkeit im Homeoffice vermehren sich nun aber Situationen, in denen sich der oder die Beschäftigte und der Arbeitgeber oder die Führungskraft, die die Kündigung ausspricht nicht zur gleichen Zeit im Betrieb aufhalten und eine persönliche Übergabe tatsächlich nicht durchgeführt werden kann. Es bleibt dann die Frage, welche Vorgehensweise ansonsten empfehlenswert ist, um rechtssicher den Zugang herbeizuführen.

Übermittlung per Post?

Bei der Übermittlung eines Kündigungsschreibens per Post kann der oder die Kündigende für den Übermittlungsweg zwischen einem einfachen Brief und verschiedenen Varianten des eingeschrieben Briefs – also dem Einwurf-Einschreiben, dem Übergabe-Einschreiben und dem Rückschein-Einschreiben – wählen.

  • Da die kündigende Partei im Streitfall darlegen und beweisen muss, dass und wann die Kündigung zugegangen ist und es auch Fälle gibt, in denen nachgewiesen werden muss, dass das Kündigungsschreiben auch im Original zugegangen ist, bietet es sich nicht an, das Kündigungsschreiben mit einem einfachen Brief zu versenden. Bei einem einfachen Brief erhält der oder die Kündigende keine Bestätigung darüber, dass die Kündigung abgesendet oder im Briefkasten eingeworfen wurde. Wird im Prozess der Zugang der Kündigung vom Empfänger bestritten, kann der Beweis des Zugangs erhebliche Probleme bereiten und wohl nicht geführt werden.
  • Wird die Kündigung durch ein Rückschein-Einschreiben und durch ein Übergabe-Einschreiben übermittelt, besteht für die kündigende Partei das Risiko, dass die andere Partei nicht von der Postzustellung angetroffen wird. In diesem Fall wird der Zugang erst durch die Abholung bei der Post bewirkt und kann so verzögert werden.
  • Unter den Versandformen, die bei der Post möglich sind, verbleibt für den Versand der Kündigung noch der Weg des Einwurf-Einschreibens. Dieser Weg ist zwar auch nur bedingt empfehlenswert, aber unter den Versandformen bei der Post noch zu bevorzugen. Entscheidet man sich risikobewusst für den Versand per Einwurf-Einschreiben, sollte zumindest das aktuelle Urteil des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 17. September 2020, zum Az.: 3Sa38/19) bekannt sein.

Das LAG Baden-Württemberg hat angenommen, dass es bei der Versendung per Einwurf-Einschreiben einen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, gemäß dem das Einwurf-Schreiben dem Empfänger an dem dokumentierten Tag zugegangen ist, wenn das Verfahren für das Einwurf-Einschreiben ordnungsgemäß eingehalten worden ist. Aus dem allgemeinen Erfahrungssatz folgert das LAG Baden-Württemberg also einen Anscheinsbeweis und benennt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit sich der Kündigende auf den Anscheinsbeweis für den Zugang berufen kann.

Nach dem LAG Baden-Württemberg ist für den Anscheinsbeweis erforderlich, dass der Kündigende sowohl den Einlieferungsbeleg als auch den Auslieferungsbeleg vorlegen kann. Zudem muss der Kündigende nachweisen, dass das Verfahren für das Einwurf-Einschreiben ordnungsgemäß eingehalten wurde. Erfüllt der Kündigende diese Voraussetzung, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass das Einwurf-Einschreiben zugegangen ist. Der Empfänger müsste nun den Erfahrungssatz oder die zugrunde liegenden Tatsachen erschüttern. Gelingt dem Empfänger hingegen das Erschüttern nicht, hat der Kündigende den erforderlichen Beweis für den Zugang des Einwurf-Einschreibens geführt.

Der die Kündigung aussprechende Arbeitgeber, mit der sich das LAG Baden-Württemberg beschäftigt hat, hat dort aber einen Fehler gemacht und nicht den Auslieferungsbeleg vorgelegt. Der Arbeitgeber hat sich damit begnügt, den Sendungsstatus vorzutragen. Auf dem Auslieferungsbeleg dokumentiert der Postbote, dass er ein Einwurf-Einschreiben mit der Tagespost in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen hat, und zwar mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe. Der dabei gefertigte Beleg wird in einem Lesezentrum zentral für Deutschland eingescannt und kann unter Angabe der auf seinem Einlieferungsbeleg erkennbaren Kennziffer abgerufen werden. Der Originalbeleg wird beim Scanvorgang zwar zerstört. Allerdings kann er durch den Scan reproduziert werden und enthält sodann Angaben zur Sendungsnummer und dem Datum des Einwurfs und die Unterschrift des Postmitarbeiters, der den Einwurf vorgenommen hat. Da der Sendungsstatus nicht die gleichen Angaben wie der Auslieferungsbeleg enthält, hat das LAG Baden-Württemberg konsequenter Weise auch festgestellt, dass die Vorlage des Sendungsstatus nicht ausreichend ist, um damit einen Anscheinsbeweis zu begründen.

Unabhängig davon, ob der Kündigende sich auf den Anscheinsbeweis für den Zugang des Einwurf-Einschreibens berufen kann, verbleibt auch in einem positiven Fall das Risiko, dass der Empfänger zwar einräumt, eine Briefzustellung per Einwurf-Einschreiben erhalten zu haben. Wenn der Empfänger aber zugleich bestreitet, dass sich die Kündigung im Original in dem Briefumschlag befunden habe, weil sich darin z.B. ein anderes Schreiben, ein leeres Blatt oder eine Kopie der Kündigung befunden hat, kann der Kündigende den erforderlichen Beweis nicht mehr durch den Postboten führen, da der Postbote keine Kenntnis vom Inhalt des überbrachten Schreibens hat. Zur Beweisführung bräuchte der Kündigende somit auch noch die Person, die das Einschreiben kuvertiert hat.

Kuriere und andere Boten

Anstelle des Versands mit der Deutschen Post kann der oder die Kündigende auch erwägen, einen Kurier oder eine Botin zu nutzen, um die Kündigung zugehen zu lassen. Diese Vorgehensweise bietet den beweisrechtlichen Vorteil, dass die Botin das Kündigungsschreiben auch kuvertieren kann und somit ein taugliches Beweismittel ist, um nachzuweisen, dass tatsächlich das Kündigungsschreiben in den Machtbereich des Empfängers verbracht worden ist.

Auch von Boten und Kuriere werden die ausgetragenen Kündigungsschreiben regelmäßig in den Briefkasten der Empfängerinnen und Empfänger eingelegt. Der Briefkasten gehört zwar zu deren Machtbereich – wenn die Kündigung als Briefsendung in den Briefkasten eingelegt wird, wird der Zugang aber nicht unmittelbar bewirkt, sondern erst in dem Moment, in dem unter Beachtung der Verkehrsanschauung mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Wann kann aber mit der Kenntnisnahme gerechnet werden – unmittelbar am Tag des Einwurfs oder erst später?

Für das BAG (Urteil vom 22. August 2019, zum Az.: 2AZR111/19) ist entscheidend, ob und wann nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Es ist also nicht auf die individuellen Verhältnisse der konkreten Person abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung vorzunehmen. Wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme gemäß der generalisierenden Betrachtung bestand, ist der Zugang erfolgt und es ist unerheblich, ob die Kenntnisnahme tatsächlich erfolgte oder ob sich die Kenntnisnahme durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände zeitweise verzögert hat. Aufgrund der generalisierenden Betrachtung stellen die höchsten deutschen Arbeitsrichter auf die üblichen Postzustellungszeiten ab und gehen davon aus, dass nach der Verkehrsanschauung mit einer Öffnung des Briefkastens im unmittelbaren Anschluss an die örtliche Postzustellung gerechnet werden kann. Das Kündigungsschreiben geht demnach noch am Tag des Einwurfs in den Briefkasten zu, wenn es vor der üblichen Zeit der täglichen Postzustellung oder spätestens zeitgleich eingeworfen wurde. Wird die Kündigung nach der üblichen Zeit der täglichen Postzustellung in den Briefkasten eingeworfen, erfolgt der Zugang am Folgetag.

Aber auch, wenn die Übermittlung der Kündigung durch einen Boten oder eine Botin viele Vorteile bietet und grundsätzlich empfehlenswert ist, sollte sich die kündigende Partei dennoch vergegenwärtigen, dass auch dieser Versandweg eine Achillesferse haben kann. Ausgehend von einem Urteil des BGH vom 10. Oktober 2006 (zum Az.: KZR 26/05) besteht in der juristischen Literatur weitgehende Einigkeit, dass eine von einem Boten an die Empfängerin übermittelte einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, wie zum Beispiel die Kündigung, entsprechend § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen werden kann, wenn der Bote für seine Botenvollmacht nicht eine gesonderte Vollmachtsurkunde vorlegen kann. Allerdings sprechen zumindest bei Kurierdiensten sehr gute Gründe dafür, dass in diesem Fall kein Zurückweisungsrecht besteht. Die Zurückweisung ist nach § 174 Abs. 2 BGB nämlich ausgeschlossen, wenn der oder die Kündigende die zu kündigende Person von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat. Nutzt die kündigende Partei einen professionellen Kurier- oder Botendienst ist der Empfänger konkludent durch die Umstände von der Botenvollmacht in Kenntnis gesetzt worden. Wird als Bote hingegen ein nicht professioneller Kurier oder Botin genutzt – zum Beispiel also eine andere im Unternehmen angestellte Person, die die Kündigung zum Empfänger bringen soll –, wäre es der rechtssicherste Weg der per Boten übermittelten Kündigung auch noch eine Botenvollmacht beizufügen.

Der Vollständigkeit halber sei schließlich auch noch erwähnt, dass noch die Möglichkeit besteht, eine Kündigung durch einen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Durch diese Form der Zustellung wird einerseits zwar jeglicher Streitigkeit über den Zugang des Kündigungsschreibens vorgebeugt. Allerdings ist diese Form der Zustellung mit erheblichen zeitlichen Unsicherheiten verbunden und eignet sich daher nicht, wenn zeitnah und fristwahrend gekündigt werden muss.

Fazit

Da der Zugang an sich und der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung regelmäßige Streitpunkte in arbeitsgerichtlichen Verfahren sind und es gravierende Folgen haben kann, wenn die Kündigung nicht oder erst verspätet zugegangen ist, gilt hier, dass Vorsicht besser als Nachsicht ist und dass die Kündigenden – vor allem also Arbeitgeber und Personalverantwortliche – gut beraten sind, mit Bedacht zu wählen, auf welchem Weg sie eine Kündigung zugehen lassen.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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