DSGVO: Auskunftsanspruch auf Herausgabe von Kopien

Arbeitsrecht

Arbeitnehmer machen vermehrt von dem Auskunftsanspruch gemäß Art.15 DSGVO über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten Gebrauch. Hierdurch wird Druck aufgebaut, der als Hebel in der Verhandlung um die Konditionen eines Aufhebungsvertrages oder eines Vergleichs über eine Kündigung genutzt werden soll. In der Tat: Zum einen kostet die Befassung mit dem Auskunftsbegehren den Arbeitgeber viel Zeit und bindet Personalressourcen, nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Unsicherheiten. Zum anderen muss die Auskunft regelmäßig binnen eines Monats vollständig gegeben sein. Nur ausnahmsweise, beispielsweise bei besonderer Komplexität, wäre eine Fristverlängerung einmalig um zwei Monate möglich. Es wird die meisten Arbeitgeber auch in Unruhe versetzen, dass der Arbeitnehmer vermeintliche – mit empfindlichen Bußgeldern von bis zu 20.000.000 Euro beziehungsweise von bis zu vier Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres bedrohte – Verstöße an die Datenschutzbehörden melden könnte. Der Arbeitnehmer selbst kann auch Schadensersatz für Datenschutzverstöße geltend machen, dies sogar schon, wenn der Arbeitgeber seinen Auskunftsanspruch nicht fristgemäß beantwortet (Urteil Arbeitsgericht Düsseldorf vom 5. März 2020, Az.: 9 Ca 6557/18).

Der Fall

Am 2. September 2020 hätte das BAG über einen vom Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2018, Az.: 17 Sa 11/18, bejahten Auskunftsanspruch verhandeln sollen, jedoch einigten sich die Parteien vor der Verhandlung außergerichtlich. Das LAG hatte die Arbeitgeberin verurteilt, dem Kläger gemäß Art.15 Abs.1 DSGVO Auskunft über verarbeitete personenbezogene „Leistungs- und Verhaltensdaten“ zu geben und zudem einen schrankenlos formulierten Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der Daten nach Art. 15 Abs.3 DSGVO zugebilligt. Die Einwendung der Arbeitgeberin, wonach einer solchen Auskunft Geheimhaltungsinteressen (hier konkret die Interessen anderer Mitarbeiter in dem betrieblichen Hinweisgebersystem) entgegenstünden, ließ das LAG nicht gelten. Zwar könnten Informationen, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten (§ 34 Abs.1, § 29 Abs.1 S.2, Art.23 Abs.1 DSGVO), beziehungsweise der entgegenstehenden „Rechte und Freiheiten anderer“ (Art.15 Abs.3 DSGVO analog), geheim gehalten werden müssen, das Auskunftsrecht begrenzen. Die Arbeitgeberin hatte allerdings ihren Vortrag darauf beschränkt, dass die Anonymität von Hinweisgebern geschützt werden müsse. Ihr Hinweisgebersystem funktioniere nur, wenn die Anonymität eine Angst vor Benachteiligung und Repressalien ausschließe. Diesen Vortrag ließ das LAG als zu pauschal nicht ausreichen. Vor allem aber ließ das LAG zudem leider im Urteilsausspruch, wie auch in der Urteilsbegründung, völlig offen, welchen konkreten Umfang der Auskunftsanspruch habe und in welchem Umfang der Anspruch auf eine Kopie der Daten bestehe.

Die Chance, dass sich das BAG am 2. September 2020 insbesondere zu der Frage hätte äußern können, welchen Umfang der Anspruch auf Auskunft und Kopie nun hat, konnte wegen des Vergleichs nicht genutzt werden. Arbeitgeber können bis auf Weiteres nicht sicher vor einer weiten Auslegung des Art. 15 Abs.3 DSGVO sein. Die auf die betroffene Person bezogene gesamte E-Mail-Korrespondenz, Vermerke, Telefon- und Gesprächsnotizen, Auswertungen von Compliance-Untersuchungen und so weiter können Gegenstand sein.

Einige Gerichte bemühen sich um eine Einhegung des Anspruchs. So können Arbeitgeber sich damit verteidigen, dass der Arbeitnehmer zunächst einmal sein Auskunftsverlangen auch hinreichend zu konkretisieren hat. Bleibt der Arbeitnehmer zu pauschal, ist das Auskunftsverlangen als zu weitgehend zurückzuweisen (Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 16. Juli 2020, Az.: 3 Ca 2026/19). Auch auf eine Zurverfügungstellung von Kopien im herkömmlichen Sinne habe der Kläger keinen Anspruch, da der Begriff der Kopie gemäß Artikel 15 Absatz III 1 DSGVO lediglich als Übermittlung einer Liste der gespeicherten Daten zu verstehen sei. Aus dem Sinn und Zweck der Norm seien keine Umstände ersichtlich, wonach über die Information über die gespeicherten Daten hinaus noch eine Herausgabepflicht von Unterlagen, beispielsweise Protokolle, in denen auch personenbezogene Daten des Arbeitnehmers enthalten sind, bestehe. Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 21. Februar 2020, Az.: 4 O 6/19) hat die Klage eines ehemaligen Vorstandsmitglieds mit der Begründung abgewiesen, dass die Wiederbeschaffung, Auswertung und Schwärzung von mehreren tausend E-Mails unzumutbar seien.

Eine weitere Argumentationshilfe gegen Auskunftsersuchen: Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sich – im Gegensatz zu dem LAG Baden-Württemberg – dezidiert auch über den Umfang des Anspruchs geäußert und entschieden, dass die Arbeitgeberin nicht die Pflicht hatte, in sämtlichen Servern, Speichermedien, Smartphones, Notebooks, diversen anderen Endgeräten oder Emails nach personenbezogenen Daten des Klägers zu suchen, um sie in Kopie herauszugeben (Urteil vom 5. März 2020, Az.: 9 Ca 6557/18). Dies stehe in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Klägers. Da der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß Art. 8 Abs.2 der Europäischen Grundrechtscharta auch für die Datenverarbeitung gelte, dürfe von dem Arbeitgeber kein unverhältnismäßiger Aufwand verlangt werden.

Der Arbeitgeber kann sich inhaltlich auch nach wie vor auf entgegenstehende berechtigte Interessen berufen beziehungsweise auf Rechte und Freiheiten anderer Personen, und damit auch die eigenen des Arbeitgebers, wie urheberrechtlich geschützte Werke oder Geschäftsgeheimnisse aber auch Rechte anderer Arbeitnehmer oder diejenigen von Kunden. Wie die oben genannte Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2018 zeigt, muss dies jedoch detailliert und schlüssig geschehen.

Fazit:

Mangels höchstrichterlicher Klärung der Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs des Arbeitnehmers wird es bis auf Weiteres bei der Unsicherheit auf Seiten der Arbeitgeber bleiben, wie weit der Auskunftsanspruch tatsächlich reicht. Bis dahin bieten die Entscheidungen der unteren Instanzen Orientierung und partiell Hilfe für eine Verteidigung gegen zum Teil als rechtsmissbräuchlich empfundene Auskunftsbegehren. Der Arbeitgeber bleibt gut beraten, Reaktionskonzepte vorzuhalten, die es ihm technisch wie organisatorisch ermöglichen, zügig Auskunft zu geben, dabei aber auch entgegenstehende Interessen im Sinne der DSGVO durch eine rechtzeitige Vorbereitung effizient zu verteidigen.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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