In kleinen Schritten zur großen Transformation

Leadership

Ein Gespräch.

Transformation ist ein viel gebrauchtes, aber großes, abstraktes Wort. Welche Veränderungen durchläuft das HR-Management bei Ihnen im Unternehmen derzeit?
Nicole Herrfurth:
Auch wir durchlaufen mit unserem HR Management gerade einen transformativen Prozess – weg von themengetriebenen HR-Abteilungen wie Recruiting oder Leadership hin zu einem auf unser Geschäft ausgerichteten Ansatz. Ziel ist eine ganzheitlichere Sicht auf die relevanten Entwicklungen zu bekommen, um so flexibler reagieren, aber auch vorausschauend agieren zu können.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen in diesem Prozess?
Grundsätzlich gilt: Je komplexer das Geschäft oder Geschäftsmodell ist, desto wichtiger wird es, flexible Lösungen für internen und auch externen Kunden zu finden. Deshalb fokussieren wir unser HR-Team auf Flexibilität, Agilität und Zusammenarbeit und richten uns personell, strukturell und prozessual entsprechend aus.

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Was bedeutet das im konkreten Alltag?
Beispielsweise setzen wir auf cross-funktionale Teams, die das schnelllebige Software Business verstehen und passgenaue, kundenorientierte Lösungen schaffen können. Es geht nicht mehr darum, in großen Zwei- oder Drei-Jahres-Projekten Personal-Prozesse und -Lösungen auszurollen und diese zeitstabil zu managen. Vielmehr wird es immer wichtiger, Veränderungen im Geschäft zu antizipieren, sich darauf einzustellen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Also raus aus dem HR-Elfenbeinturm?
Da waren wir als eher effizient aufgestelltes und gezwungenermaßen pragmatisch denkendes Team nie wirklich drin. Auch ist unser HR Management entsprechend der wichtigsten Herausforderungen in der Software-Branche in drei Säulen aufgestellt: Business, Talent Pipeline and Total Rewards.

Sie sind also schon nah dran am Geschäft.
Ja, aber wir können da noch besser werden. So hat sich in den letzten Monaten immer stärker herauskristallisiert, dass es von Vorteil ist, wenn verschiedene Lösungen diskutiert und geprüft werden. Dabei bleiben unsere Ziele immer fest im Blick. Für die Zentralfunktionen mag beispielsweise eine Talent-Management-Lösung anders aussehen als für das Produkt- oder das Service-Geschäft. Die realisierten HR-Lösungen sollten daher einen Rahmen schaffen, der individuell an den Bedarf aus dem Geschäft angepasst werden kann.

Wie darf man sich eine solche Anpassung vorstellen?
Wie gesagt, cross-funktionale Teams bearbeiten ein Thema, ziehen an einem Strang. Beispielsweise arbeiten bei uns gerade an einem Projekt mit dem Sales Management, die die Vergütung der Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die direkt beim Kunden agieren, unter dem Blickwinkel der Fairness auf den Prüfstand stellt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und in wie weit auch andere Rollen ebenfalls an dem Erfolg teilhaben und zumindest hybride Vergütungen zum Beispiel für die Customer Center nötig sind.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, HR und Compensation & Benefits so aufzustellen, dass die dynamischen Entwicklungen im Markt entsprechend abgebildet werden können und nicht bei jeder Veränderungen ein neues „Change Projekt“ gestartet werden muss?
Ich bleibe dabei: Unser Schlüssel zum Erfolg sind starke funktionsübergreifende Teams, die nicht mehr nur ganzheitlich HR für das Unternehmen denken, sondern sich individuell viel stärker auf die Bedürfnisse der einzelnen Abteilungen ausrichten und hier passgenaue Lösungen entwickeln, auch und gerade im Vergütungsbereich.

Was ist das Besondere an der Transformation im Vergütungsbereich?
Vergütung und Nebenleistungen sollten breit gedacht werden und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter abdecken – auch hier gilt es, so viel Flexibilität wie möglich zu schaffen. Wichtig sind aber auch vergütungsspezifische Randthemen wie flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, wertschätzende Feedback-Kultur, Weiterbildung und vieles andere mehr. Generell wirken Veränderungen in der Vergütungswelt nachhaltig auf die Unternehmenskultur. Das sollte man sich immer vergegenwärtigen.

Dort wo die Karotte hängt, dort laufen die Beschäftigten hin?
Das klingt mir zu schablonenhaft. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen spezifische Anerkennung in Form von Vergütung, Nebenleistungen, Feedback durch die Führungskräfte. Sie brauchen dabei – abhängig von der individuellen Persönlichkeit, aber auch der Lebensphase – unterschiedliche Unterstützung. Je flexibler die Reward-Systeme aufgestellt sind, desto leichter fällt es, Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden und sie dort zu unterstützen, wo sie gerade stehen – sei es mit reduzierten Arbeitsstunden, mehr Urlaub oder Boni.

Reichen da nicht oft schon kleine Veränderungen?
Ganz genau – und das gilt übrigens auch für das Unternehmen. Organisationen sollten sich dahingehend verändern, dass sie kontinuierlich Verbesserungen im Kleinen anstreben und sich nicht durch gewaltige, jahrelange Transformationen selbst quälen und lähmen. Bei aller Wertschätzung von großen Zielen, diese müssen aber auch erreichbar sein. Kunden- und Mitarbeiterzentrierung helfen dabei genauso wie agile Methoden.

Wie schauen Sie auf die Zukunft Ihrer Branche wie auch des eigenen HR-Managements?
Es wird weniger denn je eine Lösung für alles geben– nicht übergreifend für Firmen in unserer Branche, aber auch nicht innerhalb einer Firma. Der Weg ist das Ziel und dieser Weg formt sich, wenn man beginnt, einen Fuß vor den anderen zu setzen und Dinge in Angriff zu nehmen– gerne mit ersten kleinen, unsicheren Schritten. Dabei zählen Umwege oder Fehler zu wichtigen Erfahrungen: „Try, fail and start again!“ Das ist die Mentalität der Zukunft, nicht nur für das Software-Business selbst, sondern auch für das dortige HR-Management.

Zur Gesprächspartnerin:

© Elektrobit

Nicole Herrfurth ist Chief Human Resources Officer bei Elektrobit Automotive, einem Software-Unternehmen mit Spezialisierung auf die Automobilindustrie.

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Thomas Müller, HKP Group

Thomas Müller

Thomas Müller ist seit mehr als 20 Jahren in PR & Marketing rund um HR-Themen tätig. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge mit Fokus auf HR-Strategie, Vergütung und Performance Management. Er zählt zu den Mitgründern der Unternehmensberatung HKP-Group.

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