Wir brauchen mehr Klarheit in Unternehmen

Leadership

Ob Strategie, Ziele oder Kommunikation – Klarheit ist das grundlegende Prinzip für Führungs- und Unternehmenserfolg. Doch in der Praxis fehlt es genau daran.

Klarheit als elementare Voraussetzung für eine erfolgreiche Mitarbeiter- und Unternehmensführung einzufordern, klingt auf den ersten Blick eher antiquiert. Aus meiner Erfahrung ist es jedoch eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Unternehmen. In Führungskräftetrainings und in der Organisationsberatung begegnet mir immer wieder ein Phänomen, das zeigt, dass hier ein deutliches Defizit in der Praxis besteht: das Phänomen der „heimlichen Führungskraft“. Frage ich eine Führungskraft nach ihren Aufgaben im Unternehmen, dann kommt in vielen Fällen eine sehr ausführliche Schilderung der inhaltlichen Zuständigkeiten, welche Funktionsbereiche verantwortet werden, wie die Produkte und Prozesse aussehen und ganz am Ende kommt dann noch der Satz „Ich bin dann auch noch Vorgesetzter und habe X Mitarbeiter“.

Beziehungskonflikte kann man vermeiden

Hier zeigt sich bereits das erste Problem: Führungskräfte werden häufig nicht wirklich auf die Rolle der Führung vorbereitet. Nach dem Motto „Der macht seine Sache gut, ist schon eine Weile in der Firma, dann können wir ihm auch eine Führungsverantwortung geben“, geht man von sich selbst entwickelnden Naturtalenten aus. Es fehlt an der Klarheit über die Führungsrolle. Als Führungskraft kann ich schließlich nur erfolgreich sein, wenn auch meine Team-Mitglieder erfolgreich sind. In dem Zusammenhang ist auch die Klarheit über die eigene Person in hohem Maße relevant. Welche Talente und Persönlichkeitsstruktur habe ich und wie wirken sie sich in der Kooperation mit anderen aus? Welche Talente und Persönlichkeitsmerkmale haben die einzelnen Mitglieder meines Teams? Dies sind Kernthemen für die Ausgestaltung einer Führungsbeziehung.

Ein einfaches Beispiel kann dies veranschaulichen. Wer als Vorgesetzter mit einer hohen Tatkraft gesegnet ist, kann in der Regel viele Projekte erfolgreich parallel führen, da er mit einer 80-Prozent-Lösung gut leben kann. Wenn ein Mitarbeiter jedoch statt hoher Tatkraft Prozessorientierung und Höchstleistung als Merkmal aufweist und am liebsten die 100-Prozent-Lösung sucht, wird ihm der tatkräftig losstürmende Vorgesetzte in vielen Feldern gehörig auf die Nerven gehen. Das ist noch kein Problem. Aber als Vorgesetzter muss man sich dieser Situation bewusst sein, um nicht eine ganze Reihe unnötiger Beziehungskonflikte zu produzieren.

Wir sind motiviert, wenn wir Ziele erreichen können

Ein weiteres Themenfeld, das sich nicht nur auf die Unternehmensführung, sondern auch ganz stark auf die Mitarbeiterführung auswirkt, ist die Klarheit über die Strategie und Ziele des Unternehmens. Wenn wir bei der Personalakquise und -auswahl nicht alles verkehrt gemacht haben, dann haben wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord, die durchaus motiviert sind und ihren Anteil zum Erfolg des Unternehmens beitragen möchten. Damit ich das als Mitarbeiter jedoch tun kann, benötige ich Informationen über die Erwartungen an meine Arbeit und die künftige Ausrichtung der Organisation. Wohin wollen wir gemeinsam in den nächsten Jahren kommen und welche Themenfelder sind strategisch relevant, da sie dafür sorgen, dass wir uns in mehr als fünf Jahren damit im Wettbewerb Vorteile verschaffen können? Wenn hier keine Klarheit herrscht, ist es kaum möglich, erfolgreich zusammenzuarbeiten und gemeinsam Erfolg zu haben. Das ist aber die Grundvoraussetzung für Motivation.

Wir sind dann motiviert, wenn wir allein – oder noch besser gemeinsam – Ziele erreichen können und diesen Erfolg auch erleben und emotional wahrnehmen. Wenn Führungskräfte jedoch nicht in der Lage sind, für klare Zielsetzungen zu sorgen, wird das wohl kaum gelingen. Die persönlichen Leistungsziele bei der Arbeit und die individuellen privaten Ziele hängen sehr stark voneinander ab, sodass ein Mangel an Klarheit der Ziele sich über das Betriebliche hinaus negativ auswirkt.

Die mangelnde Klarheit vieler Unternehmen im Bereich der Strategie hat oftmals auch damit zu tun, dass die sich wandelnden Umweltbedingungen als nicht berechenbare Bedrohung wahrgenommen werden, die grundsätzlich einer vernünftigen Strategiebildung entgegenstehen. Dabei sind selbst in Märkten mit disruptiven Innovationen wie der Medienbranche Strategien möglich und notwendig. Warum fällt vielen Vorgesetzten die Festlegung klarer Bereichs- und Abteilungsziele so schwer? Weil es auch die Bereitschaft erfordert, Entscheidungen zu treffen.

Wir benötigen Klarheit bei Entscheidungen, denn nachvollziehbare, zeitnahe Entscheidungen sind eine Voraussetzung für ein motivierendes Arbeitsumfeld. Hier liegt jedoch ein ganz großes Problem: Wer sich entscheidet, bindet sich. Eine Bindung ist jedoch eine Festlegung. In unserer zunehmend bindungsfeindlichen Multioptionsgesellschaft, in der man sich beispielsweise bei der Bewerbung um einen Studienplatz in letzter Minute an zehn verschiedenen Hochschulen um jeweils vier grundverschiedene Studiengänge bewirbt, fällt es vielen Menschen schwer, sich festzulegen. Hinzu kommt dann in manchen Fällen noch die Erfahrung, dass Festlegungen angreifbar machen. Am Ende haben wir dann eine Kultur des Nicht-Entscheidens.

Man kann zwar in Politik und Konzernumgebungen durch spätes und unklares Entscheiden lange Jahre seine eigene Macht festigen, indem man am Ende der Seite Recht gibt, die sich im freien Spiel der Kräfte partei- oder unternehmensintern durchgesetzt hat. Selten führt dieses Führungsverhalten jedoch zu einem Erfolg für das Unternehmen oder die nächste Führungsebene, die im Zweifel die Unklarheiten ausbaden und die zeitlichen Verzögerungen aufgrund des Nicht-Entscheidens ausgleichen muss.

Es werden ausgeglichene Persönlichkeiten gebraucht

Eine Abrundung in Sachen Unklarheit erfolgt häufig durch die fehlende Klarheit der Kommunikation. Unklare Führungskräfte ergehen sich auch hier in widersprüchlichen Formeln und Floskeln, die durch einen exzessiven Gebrauch des Konjunktivs abgerundet werden. Wir hätten, sollten, könnten, würden gerne, aber wir tun es nicht. Wer sich darüber im Klaren ist, was er sagen möchte, sollte es auch möglichst klar und verständlich ausdrücken. Dies ermöglicht dann auch mehr Klarheit bei Strukturen und Zuständigkeiten sowie auch Klarheit des Führungsstils mit verlässlichen Spielregeln. Damit dies gelingt, benötigen wir aber Vorgesetzte mit einer ausreichenden Klarheit über die eigene Person als Führungskraft: Wer führen möchte, möge zuerst gelernt haben, sich selbst zu führen.

Wir brauchen Führungskräfte, die führen wollen und führen können und dazu gehört auch eine ausgeglichene, zentrierte Persönlichkeit. Wer Klarheit zu altmodisch findet, dem möchte ich empfehlen, über die Grundprinzipien der heute durchaus angesagten agilen Arbeitsorganisation und Arbeitsprozesse nachzudenken. Bei aller Flexibilität geht es auch hier im Kern um Klarheit und Einfachheit, um schneller passende Lösungen zu entwickeln.

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Thomas Breyer-Mayländer

Professor für Medienmanagement
Hochschule Offenburg

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