„Ich habe vom Sofa in Paris Leute in Berlin eingestellt“

Recruiting

Diese Krise hat aus dem Unmöglichen plötzlich vieles möglich gemacht. Ganze Unternehmen verließen ihre Büros über Nacht und arbeiteten von zu Hause aus. Kundentermine wurden problemlos per Video-Konferenz wahrgenommen. Und der Aufbau eines komplett neuen Teams vom Homeoffice aus ist scheinbar auch möglich – das beweist Clémentine Platel-Paris. Allerdings mit einigen Hindernissen, wie sie im Interview verrät.

Clémentine, aktuell sind Sie im Homeoffice in Paris. Sie haben aber auch in Berlin eine Zweitwohnung. Waren Sie mal wieder dort?
Clémentine Platel-Paris:
Eigentlich hatte ich auch vor, am 10. März nach Berlin zu fliegen, um hier unser neues, großes Büro zu eröffnen – die Monate zuvor waren wir noch in einem kleinen Coworking Space. Doch unser CEO und das HR-Team hatten Sorge, dass die Grenzen geschlossen werden. Das Büro haben wir dann Anfang Juli eröffnet, als ich auch endlich wieder nach Berlin reisen konnte. Meine Berliner Wohnung sah natürlich nicht so gut aus, das Essen lebte schon.

Für Spendesk haben Sie Anfang des Jahres begonnen, ein Team in Berlin aufzubauen. Also kurz vor Ausbruch der Corona-Krise. Wie findet man da Leute und wie lief die Einstellung ab?
Wir haben bereits seit Herbst letztes Jahres Büroräume in Berlin, wo jetzt dann auch Bewerbungsgespräche stattfinden sollten. Aber dann kam Corona. Dennoch wollten wir die geplante Expansion nach Deutschland vorantreiben und mussten kreativ werden. Am Ende habe ich von meinem Sofa in Paris zehn Leute in Berlin eingestellt. Wir haben wie gewohnt nach geeigneten Talenten in Berlin gesucht und mussten ihnen dann erklären, dass wir den Bewerbungs- und Einstellungsprozess komplett digital vornehmen werden müssen. Das war für einige ungewohnt, aber am Ende hat sich jeder darauf eingelassen. Auch wenn das Onboarding und der Austausch per Video-Telefonie schon ziemlich gut funktionieren, ist es dennoch schwer, die Kandidaten und neuen Mitarbeiter richtig kennen zu lernen und ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Gespräche über den Bildschirm ersetzen nicht die persönliche Komponente. Da fallen einem einige positive wie negative Verhaltensweisen erst später auf.

Wie findet die Kommunikation statt?
Wir nutzen die gängigsten Tools für Videokonferenzen, sowie Chat-Programme, E-Mail und natürlich Telefon. Digitale Tools, wie zum Beispiel für gemeinsam genutzte Dokumente, erleichtern die Zusammenarbeit ungemein. Da gab es in den letzten Wochen einen richtigen Schub an Lösungen und selbst im sonst eher digitalisierungsscheuen Deutschland haben jetzt viele Unternehmen erkannt, dass sie etwas ändern müssen. Das merken wir auch bei Spendesk, weil gerade Finanzteams und Office Manager verstärkt nach einer Lösung suchen, um Ausgaben zu verwalten.

Was funktioniert schon und was noch nicht?
Das Virus hat ja die gesamte Wirtschaft befallen. Auch wir hatten zu Beginn der Krise Rückgänge bei den Kundenanfragen. Der Großteil des deutschen Vertriebsteams war gerade erst frisch eingestellt und voller Elan, hatte aber zunächst weniger Erfolgschancen und mehr Unsicherheit. Ich habe mich dann gefragt, wie man die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter hochhalten kann. Wir haben angefangen, den Vertriebsprozess etwas spielerischer zu gestalten mit Herausforderungen, bei denen Teams Punkte sammeln können. Wir haben auch viel Energie investiert, um den Teamgeist zu stärken, merken aber auch manchmal, dass die soziale Komponente im Büro schwer zu ersetzen ist.

Was hat Sie überrascht?
Wir haben ein sehr junges Team und es war toll zu sehen, wie routiniert alle mit der Situation umgegangen sind. Ich war auch überrascht, dass unsere Produktivität und letztlich auch unserer Ergebnisse sich im Homeoffice nicht verschlechtert haben. Ganz im Gegenteil: Das Feedback aus dem Team war sehr positiv, was Konzentration und Motivation im Homeoffice angeht. Und die Ergebnisse haben am Ende auch gestimmt.

Wie schafft man es in so einer Situation, den Teamgeist aufrecht zu erhalten?
Wir haben viel mehr kommuniziert als üblich. Nicht nur um über die Arbeit zu sprechen, sondern auch um sich einfach mal so auszutauschen: in digitalen Kaffeepausen, beim After-Work-Bier per Videochat und mit Online-Spielen. Damit auch außerhalb der terminierten Meetings ein Austausch stattfinden kann, haben wir virtuelle Räume eingerichtet, in denen die Mitarbeiter miteinander sprechen können. Sei es beim gemeinsamen Mittagessen per Video-Call oder einer Yoga-Session. Wichtig ist, dass das Team die Möglichkeit hat, auch mal über private Themen zu sprechen – dieser Aspekt geht schnell verloren, wenn man sich nicht mehr täglich im Büro sieht.

Wie gehen Sie persönlich mit dieser großen Herausforderung um?
Das Jahr 2020 hatte ich mir natürlich persönlich auch anders vorgestellt. Ich habe die Herausforderung aber angenommen und versuche, nach vorne zu schauen. Ich merke als Managerin schon, dass sich meine Führungsrolle ändert. Das heißt, verstärkt auf Ängste und Sorgen der Mitarbeiter eingehen, auf Stresssituationen des Teams sensibler reagieren. Hier bin ich als Führungskraft schon deutlich mehr gefordert als sonst.

Planen Sie, die Berliner Kollegen ins Office zu holen oder bleiben vorerst alle zu Hause?
Wir haben das Berliner Büro seit Anfang Juli geöffnet. Das Team kann nun selbst ganz individuell entscheiden, ob es unter Einhaltung der Hygieneregeln ins Büro kommt oder weiter von zu Hause arbeitet. Spendesk hat allen Mitarbeitern freigestellt, von wo aus sie diesen Sommer arbeiten wollen. Ab Herbst werden wir dann sehen, wie wir uns in Zukunft organisieren, das heißt, wie viel Zeit wir wirklich im Büro sein wollen und müssen. Eine Umfrage im Team hat aber schon gezeigt, dass sich alle sehr darauf freuen, wieder gemeinsam im Büro zu sein. Ich denke, die Perspektive hat sich diesbezüglich durch Corona verändert.

Clémentine Platel-Paris ist Country-Managerin DACH bei Spendesk.

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