Schluss mit den Berater-Buzzwords

Leadership

Führungskräfte werden derzeit mit Buzzwords bombardiert, die ihnen erklären wollen, wie sie zu sein haben. Ansonsten drohe der Untergang der Firma, für die sie arbeiten, da sie Innovation verhinderten. Agil sollen sie arbeiten und fehlertolerant sein, sie sollen stets transparent und auf Augenhöhe kommunizieren. Aber helfen diese Begriffe? Nein. Sie müssen konkretisiert und auf Relevanz überprüft werden. Die wahre Führungsfähigkeit moderner Organisationen heißt Flexibilität.

Hierarchieabbau, Transparenz, Agilität und Fehlertoleranz: Diese Begriffe werden derzeit gehandelt wie Allheilmittel des Managements. Praktizieren Führungskräfte diese nicht, droht wirtschaftlicher Untergang, so ist allerorten zu lesen. Zu Recht. Denn starre, bürokratische Strukturen, das Vorenthalten von Informationen, langwierige Prozessplanungen und Kontrollmechanismen zum Zwecke der Risikominimierung verhindern, dass Innovation stattfinden kann. In der Zeit, in der ein relevanter Vorschlag heimlich durch Konzerngremien gereicht wird – und das auch nur, falls aus dem Controlling ein nennenswerter Return-on-Investment vermeldet wurde – haben Nachwuchskräfte in einer Fabriketage schon längst das Verdrängungs-Geschäftsmodell entwickelt und per Crowd Funding finanziert.

So richtig das sein mag: Mit dieser Information allein ist Entscheidern und Führungskräften wenig geholfen. Aus zwei Gründen: Ungeklärt ist zunächst das Wie. Organisationen bestehen aus Menschen. Und in den Entscheidungsetagen sitzen oft solche, die seit Jahrzehnten erfolgreich sind, weil sie bisher anders agierten. Sie wurden belohnt für das Zementieren von Einfluss, für das Erfüllen von Ansprüchen, zum Beispiel von Aktionären oder Konzern-Muttergesellschaften bei minimalen Kosten und geringstmöglichem Risiko. Die sollen jetzt also „loslassen“. Nun stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum eben diese Führungskräfte bisher so erfolgreich waren. Hatten sie all die Jahre ihre eigene Fehlertoleranz und Bescheidenheit so erfolgreich unterdrückt, dass sie aufsteigen konnten? Dann mag ein neuer Führungsstil vergleichsweise leicht zu implementieren sein. Wahrscheinlich ist aber, dass andersherum ein Schuh daraus wird und viele Führungskräfte deshalb erfolgreich sind, weil sie die bisher notwendigen Eigenschaften schon mitbrachten. Weil sie eben gern sorgfältig abwägen, bevor sie Entscheidungen treffen, weil sie ihre Produktivität in festen (Entscheidungs-) Strukturen am besten entfalten können und zudem mit einem starken Macht- und Einflussmotiv ausgestattet sind. Und dann wird es ihnen schwerfallen, neue Führungsansprüche per Fingerschnipp umzusetzen. Zudem ist diese generalistische Forderung häufig übergriffig und entwertend. Eine Kategorisierung in Gut und Schlecht hilft ebenso wenig, wie der Ruf danach, dass Führungskräfte anders sein sollten, als bisher.

Buzzwords verpuffen

Diese Führungskräfte brauchen klare und anschauliche Vorschläge, auf welche Weise sie in ihren Bereichen Innovation fördern können. Oberflächliche Buzzwords wie „Loslassen“, „Fehlertoleranz entwickeln“, „Iterativ planen“, „Agil steuern“, „Transparenz schaffen“, „auf Augenhöhe kommunizieren“ müssen mit konkreten Handlungen verknüpft werden. Denn ansonsten verpuffen sie bestenfalls. Schlechtestenfalls glauben die Führungskräfte, all das schon längst zu tun, denn sie selbst füllen diese Begriffe ja mit Leben. Und da der Mensch dazu neigt, das eigene Handeln zur Norm zu verklären, hält er sein eigenes Handeln in vielen Fällen für ausgewogen und verteidigt es, anstatt es zu ändern.

Besser geeignet sind also auf die jeweilige Situation bezogene Handlungsempfehlungen, zum Beispiel: „Bei diesem Projekt kann jemand aus dem Team die Steuerung übernehmen und Sie monatlich informieren.“ Oder „Das könnte man gut mit dem Business Model Canvas planen. Bitte machen sie sich da einmal schlau und starten eine Initiative dafür.“ Oder „Bei Kollege X/Y scheint es mir, dass man ihn beziehungsweise sie nur kurz anweisen muss, anstatt ins Detail zu gehen. Er oder sie kann dann zu Höchstform auflaufen.“ Oder „Bitte informieren sie ihr Team tagesaktuell über den Entscheidungsstatus“. Oder „Zu diesem Thema würde ich ein hierarchieübergreifendes BarCamp vorschlagen, statt einer klassischen Projektgruppe.“ Solche und ähnliche Vorschläge kommen ganz ohne Buzzwords aus und bewirken echte Handlungen. Sie sollten von den Vorgesetzten der Führungskräfte kommen und Teil eines von ganz oben initiierten und gesteuerten Führungsansatzes sein. Durch so eine pragmatische Herangehensweise, die aber Teil einer unternehmerischen Veränderung ist, können Führungskräfte sich ausprobieren. Sie können bisher neue Ansätze testen, feststellen, was gut läuft und was nicht und wo sie selbst vielleicht noch lernen können. Wenn sie neue Fähigkeiten erlernt haben, werden sie diese automatisch auf passende Situationen anwenden. Und erst dann beginnt ein Lernen der gesamten Organisation.

Kontext is King

Der zweite Grund, warum die viel geforderten Prinzipien noch zu selten Einzug in die Führungsetagen halten, ist die Unklarheit über das Wann. Nicht als zeitliche Dimension, sondern bezogen auf den unternehmerischen Kontext. Man stelle sich den Betriebsleiter einer Bremsenmanufaktur vor, dem man als generelle Managementanweisung auf den Weg gibt, er möge nun fehlertoleranter führen. Der wird hoffentlich müde lächeln und diesen Ratschlag als unbrauchbar zurückweisen. Selbstverständlich gibt es in jedem Unternehmen Geschäftsbereiche, die nach wie vor sorgfältige Planung, Risikominimierung und auch klare, feststehende Entscheidungsstrukturen benötigen. Und Führungskräfte, denen die Umsetzung dieser Prinzipien mühelos gelingt. Dennoch gibt es auch in einer Bremsenmanufaktur Innovationsbereiche, in denen starre Strukturen stören. Die Entwicklung einer App etwa, die auftretende Produktionsfehler in Echtzeit an interne Abteilungen übermittelt statt in langwierigen Tabellen und Kommunikationsschritten ihren Weg dorthin zu finden. Solche Art Innovation benötigt dann doch wieder das offene, unbürokratische Umfeld.

Empathie, Mut, Entscheidungsfreude

Daher gilt: Die tatsächliche Kunst modernen Managements besteht darin, zwischen beiden Szenarien hin- und herspringen zu können. Diese Flexibilität ist in der Tat neu und in ihrer Komplexität bisher nicht dagewesen. Denn sie verlangt Führungskräften ein unglaublich breites Verhaltensspektrum ab. Mindestens aber die Fähigkeit, die Situationen richtig zu bewerten und die passenden Leute aus dem Mittelmanagement einzusetzen. Wer für das eine Projekt geeignet ist, kann für das nächste völlig unpassend sein. Und wird in einer Situation Freiheit benötigt, kann in der nächsten Kontrolle das Erfolgskriterium sein. Manche Projekte und Innovationen lassen sich womöglich gar nicht unternehmensintern entwickeln und benötigen die Finanzierung eines Accelerators, Inkubators oder einer Ausgründung.

Diese Flexibilität wiederum ergibt sich aus drei Schlüsselfähigkeiten, die unerlässlich für flexible Führung sind. Das sind Empathie, Mut und Entscheidungsfreude. Empathie, um ein Gespür für Situation und Person zu erlangen. Mut, um den Führungsstil außerhalb der eigenen Komfortzone auszuprobieren oder an geeignetere Personen abzugeben. Und Entscheidungsfreude, um den jeweiligen Vorhaben auch Taten inklusive entsprechender Budgets folgen zu lassen.

Konzernleitungen, die sich diese Führungsqualität zur Handlungsmaxime machen, brauchen keine Angst zu haben, sie sind zumindest auf Managementebene gut für die Zukunft gerüstet.

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Susanne Thielecke

Gründerin und Inhaberin
LaRenzow Personal

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