Was das Recruiting vom digitalen Marketing lernen sollte

Recruiting

Unternehmen sollten Recruiting als Form des digitalen Marketings begreifen und entsprechend handeln, sagt Mathias Heese, Geschäftsführer von Softgarden.

Reden wir einmal nicht über den „Fachkräftemangel“. Ich möchte das Recruiting heute unter einem anderen Aspekt beleuchten: Recruiting ist eine Form von digitalem Marketing. Die große Herausforderung besteht darin, hier mit den etablierten Standards gleichzuziehen.

Digitales Jobmarketing

Beim digitalen Jobmarketing geht es darum, den gesamten „Sales Funnel“ für das Produkt „Job“ aus der Perspektive des Kunden (=Bewerbers) zu durchdenken, ihn daran auszurichten und die verwendeten Maßnahmen und Kanäle messbar zu machen. Zunächst müssen Sie Ihre Zielgruppe definieren und dann genügend passende Käufer erreichen, das heißt, verwertbaren Traffic für das Produkt „Job“ unter potenziell brauchbaren Kandidaten generieren. Dabei gilt es im digitalen Marketing zunächst jene zu adressieren, die in Google „blaue Sneakers“ eingeben und so ihre Kaufbereitschaft signalisieren: für Recruiter also die aktiv suchenden Kandidaten.

Fehlende Suchmaschinenstrategie

Die meisten Arbeitgeber bespielen hier zwar noch aktiv die verschiedenen Online-Stellenmärkte, auch wenn sie deren Effizienz in vielen Fällen nicht ausreichend messen. Beim aktiven Umgang mit Suchmaschinen steigen dann aber schon fast alle aus. Hier hinkt das Recruiting dem E-Commerce deutlich hinterher, in dem Suchmaschinenoptimierung und -marketing längst Standard sind.

Selbst große Arbeitgeber haben heute kaum nennenswerte organische Reichweite bei der Suche ihrer potenziellen Kandidaten und nutzen keine Ads, um die Präsenzlücke zu schließen. Das ist die erste große Lücke: Arbeitgeber und ihre Jobs müssen auch bei der Google-Suche stärker stattfinden, denn ein großer Teil der Bewerber nutzt heute die Suchmaschine.

Mangelnder Umgang mit Bewertungen

Zur zweiten Lücke: Der aktive Umgang mit Produktbewertungen gehört heute zu jeder digitalen Marketingstrategie. Und das aus gutem Grund: Kein Online-Kunde kauft heute mehr ein Produkt, ohne glaubwürdige Bewertungen zu lesen – etwa auf HolidayCheck (Buchung von Hotels) oder Amazon (Kauf von Büchern und anderen Produkten). Bewertungen von Arbeitgebern spielen eine immer größere Rolle bei der Wahl des nächsten Jobs. Den meisten Arbeitgebern fällt dazu bislang nicht viel ein. Obwohl sich nach den Erfahrungen aus dem digitalen Marketing ein aktives Feedbackmanagement anbietet, bei dem das Unternehmen aus seinen Prozessen heraus neutral Bewertungsaufforderungen generiert und so die schweigende Mehrheit aktiviert.

Latent Jobsuchende

Die dritte Lücke sind die latent Kaufbereiten. Diese möglichen, noch nicht aktiven Kandidaten überlassen fast alle Arbeitgeber sich selbst. Dabei stehen für ihre digitale Ansprache längst gute Möglichkeiten bereit. Internet-Nutzer lassen sich besonders in sozialen Netzwerken gut nach Interessen oder persönlichen Eigenschaften segmentieren und spezifisch adressieren. Arbeitgeber, die in dieses Targeting einsteigen, können ihre Jobangebote wesentlich gezielter platzieren und sie in ihrer gewohnten digitalen Umgebung aufsuchen, selbst wenn sie gerade nicht nach „blauen Sneakers“ beziehungsweise nach „Job Programmierung Berlin“ suchen. So lassen sich etwa IT-Zielgruppen mit Hilfe von Display-Werbung auf Software-Plattformen erreichen.

Digital verwöhnte Bewerber

Mit der vierten Lücke verlassen wir das Thema Generierung von Traffic. Dieser muss erst noch „konvertiert“, das heißt in Bewerbungen umgewandelt werden. Auch der gesamte Bewerbungsprozess muss sich stärker als bislang an den im digitalen Marketing etablierten Standards für Transaktionen orientieren. Denn als Online-Konsumenten kennen Bewerber es nicht anders: Online-Einkäufe sind im Handumdrehen erledigt. Das gilt für die gesamte Abfolge von Suchen, Finden, Überprüfen, Kaufen – natürlich auch per Smartphone. Der gesamte Prozess lässt sich zudem über die verschiedenen Stufen transparent einsehen. Erinnert Sie das an gängige Bewerbungsprozesse? Wahrscheinlich nicht.

Transparenz, Tempo und Einfachheit

Wie können Recruiter Vertrauen im Prozess aufbauen und die passenden Kandidaten dazu bewegen, sich umgehend zu bewerben? Das fängt schon bei den Stellenanzeigen und der Karrierewebsite an: Kommunizieren Sie hier routiniert das übliche Einerlei aus der Karrierekommunikation oder machen Sie erlebbar, was die Bewerber erwartet – am Arbeitsplatz wie im Bewerbungsverfahren? Machen Sie es den Bewerbern im Prozess möglichst leicht? Können Kandidaten ihre Lebensläufe aus einem der Online-Businessnetzwerke hochladen oder müssen sie sich erst mühsam registrieren, bevor sie durch einen zeitraubenden Formularmarathon geschickt werden, um ihre Daten immer wieder neu einzugeben? Sind Sie schnell genug? 71 Prozent der Bewerber erwarten heute nach spätestens zwei Wochen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, so der „Bewerbungsreport“ von Softgarden vom Februar 2019.

Fazit

Unternehmen sollten Recruiting konsequent als Form des digitalen Marketings begreifen und die vorhandenen Tools nutzen. Je nach Unternehmensgröße werden Arbeitgeber bei den verschiedenen Aufgaben mit externen Spezialisten zusammenarbeiten oder dort, wo es sinnvoll ist, entsprechende Kompetenzen für das digitale Marketing in HR aufbauen. Der „Fachkräftemangel“ dagegen bleibt voraussichtlich solchen Unternehmen dauerhaft erhalten, die im Recruiting weitermachen wie bisher.

Weiterführend:Warum Personaler die PR für sich entdecken sollten und warum HR und Unternehmenskommunikation ein Dreamteam sind.

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(c) Softgarden

Mathias Heese

Mathias Heese ist seit 2016 Geschäftsführer der Recruiting-Lösung Softgarden. Zuvor hat er als Mitglied der Geschäftsleitung bei Immobilien Scout die Plattform vom Start-up zum Marktführer mit aufgebaut und als freier Consultant Unternehmen zu den Themen digitales Marketing und New Business beraten.

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