Krankheitsbedingte Kündigungen nicht ohne BEM

Arbeitsrecht

Sind Arbeitnehmer länger als sechs Wochen krank, sollte ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden, eventuelle krankheitsbedingte Kündigungen wären sonst unwirksam. Die Initiativlast liegt dabei beim Arbeitgeber.

Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen. Spricht der Arbeitgeber eine auf lange Krankheitszeiten gestützte krankheitsbedingte Kündigung aus, ohne zuvor ein korrektes BEM durchgeführt zu haben, besteht die Gefahr, dass die Kündigung unwirksam ist. Für die Durchführung eines BEM trägt der Arbeitgeber die Initiativlast, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 18. September 2013 bekräftigte (3 Sa 133/13).

Der Sachverhalt
Die seit 1993 bei dem Beklagten als Altenpflegerin beschäftigte Klägerin war 2009 insgesamt 25 Arbeitstage und 2010 insgesamt 51 Arbeitstage arbeitsunfähig krank, 2011 insgesamt 100 Arbeitstage und bis Mitte 2012 insgesamt 84 Arbeitstage. Die Fehlzeiten verteilten sich in diesen Jahren jeweils auf mehrere Zeiträume.

Im Nachgang zu einer Reha-Maßnahme im Juli 2012 befand sich die Klägerin im Urlaub. Der beklagte Arbeitgeber forderte sie auf, zur Prognose der künftigen krankheitsbedingten Fehlzeiten ärztliche Atteste vorzulegen. Dies ließ die Klägerin über die Gewerkschaft ver.di unter Hervorhebung bestehender Arbeitsfähigkeit der Klägerin zurückweisen. Darüber hinaus kündigte ver.di an, für den Fall, dass der Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) einleiten wolle, der Klägerin zu empfehlen, ein Gespräch abzulehnen.

Daraufhin kündigte der Beklagte im September 2012 ordentlich aus krankheitsbedingten Gründen, ohne ein BEM durchgeführt zu haben. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn war erfolgreich. Die Berufung des Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein blieb erfolglos.

Die Entscheidung
Das LAG war trotz der häufigen Fehlzeiten in den Jahren 2009 bis 2012 der Ansicht, eine negativen Gesundheitsprognose, auf die der Beklagte die Kündigung stützte, könne nicht getroffen werden. Schließlich sei die Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung wiederhergestellt gewesen. Weil dies der allein maßgebliche Zeitpunkt sei, war nach Ansicht des Gerichts auch unerheblich, dass die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits erneut wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war.

Auch wenn man von einer negativen Gesundheitsprognose ausgehe, fehle es an der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Denn es sei nicht ausreichend dargelegt, dass ein leidensgerechter gegebenenfalls alternativer Einsatz ausgeschlossen sei. Einer solchen umfassenden Darlegung hätte es bedurft, da der Arbeitgeber vor der Kündigung kein BEM durchgeführt habe.

Von dieser Darlegungspflicht sei der Beklagte auch nicht befreit gewesen, weil ver.di ankündigte, sie empfehle der Klägerin im Falle eines Angebotes nicht die Durchführung des BEM. Der Arbeitgeber trage nämlich die Initiativlast für dessen Durchführung. Der Beklagte habe vorliegend nichts unternommen, um ein BEM auf den Weg zu bringen und habe auch nicht hinreichend dargelegt, weshalb auch bei Durchführung desselben eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht möglich gewesen wäre.

Die Aufforderung aus Juli 2012 an die Klägerin, ärztliche Atteste zur Erstellung einer Prognose künftiger krankheitsbedingter Fehlzeiten zu übersenden, genüge erkennbar nicht.

Hinweise für die Praxis
Will der Arbeitgeber wegen häufigen Erkrankungen personenbedingt kündigen, muss er dem Arbeitnehmer zuvor ein Angebot auf Durchführung eines BEM unterbreiten. Ihn trifft eine erweiterte Darlegungspflicht, dass er dieser Initiativlast nachgekommen ist.

Die Durchführung des BEM setzt die Zustimmung des Arbeitnehmers voraus. Verweigert dieser die Teilnahme, hat der Arbeitgeber seiner Initiativpflicht genüge getan, vorausgesetzt er hat den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen Daten hingewiesen.

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(c) Osborne Clarke

Viktoria Winstel

Rechtsanwältin
Osborne Clarke
Dr. Viktoria Winstel ist Rechtsanwältin bei Osborne Clarke.

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