Keine Akteneinsicht für bevollmächtigten Anwalt

Arbeitsrecht

Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, einer anderen Person als dem Arbeitnehmer selbst Einsicht in dessen Personalakte zu gewähren. Dies gilt auch bei ordnungsgemäßer Bevollmächtigung des Anwalts. Dies hat das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 17. April 2014 entschieden.

Der Sachverhalt
Die Klägerin war seit 1989 bei der Beklagten beschäftigt. In den Jahren 2009 und 2012 erteilte die Beklagte der Klägerin jeweils eine Abmahnung. Daraufhin forderte diese die Beklagte durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten auf, die Abmahnungen zu entfernen und ihrem Prozessbevollmächtigten Einsicht in ihre Personalakte zu gewähren. Die Beklagte wies die Aufforderung zurück, gestand der Klägerin aber ausdrücklich zu, persönlich Einsicht nehmen zu können. Daraufhin erhob die Klägerin Klage beim Arbeitsgericht Elmshorn.

Das Arbeitsgericht gab der Klägerin Recht (Urt. v. 17. Oktober 2013 – 51 Ca 615 a/13). Zwar sei die Einsichtnahme grundsätzlich persönlich auszuüben. Aufgrund der Vielzahl einschlägiger Rechtsnormen und gerichtlichen Entscheidungen sei die Überprüfung allerdings von der Arbeitnehmerin kaum sachgerecht durchzuführen.

Die Entscheidung
Der Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil gab das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urt. v. 17. April 2014 – 5 Sa 385/13) nun statt. Das persönliche Einsichtsrecht könne nicht auf einen Dritten übertragen werden, wie sich aus § 83 Abs. 1 BetrVG ergebe. Nach dem Wortlaut sei es lediglich möglich, ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen. Aus dem Umkehrschluss ergebe sich, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, anderen vom Arbeitnehmer hinzugezogenen Personen Einsicht zu gewähren. § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG umfasse nicht das Recht zur Bevollmächtigung eines Dritten.

Außerdem diene das Recht zur Einsichtnahme in die Personalakte der Kenntniserlangung von Unrichtigkeiten in der Personalakte und nicht der rechtlichen Beurteilung. Ein Bevollmächtigter sei naturgemäß nur in der Lage zu erkennen, ob der Inhalt rechtlich nachteilig sei, nicht hingegeben, ob der Sachverhalt richtig oder falsch dargestellt werde.

Allerdings gesteht das Gericht zu, dass der Arbeitgeber aus Fürsorgegesichtspunkten dazu verpflichtet sein kann, einem bevollmächtigten Dritten Einsicht zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer selbst unverschuldet verhindert und eine sofortige Einsichtnahme erforderlich ist.

Hinweise für die Praxis
Arbeitgeber sind somit nicht verpflichtet, einem Rechtsanwalt, Gewerkschaftsvertreter oder einer sonstigen, vom Arbeitnehmer bevollmächtigten Person, Einsicht in die Personalakte des Arbeitnehmers zu gewähren. Dies gilt unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis noch fortbesteht oder bereits beendet ist. Eine abweichende Beurteilung kann sich nur in Ausnahmefällen ergeben. Andere Vereinbarungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder mit dem betroffenen Arbeitnehmer sind aber zulässig.

Der Arbeitgeber muss einem Verlangen des Arbeitnehmers auf persönliche Einsicht in seine Personalakte aber stets nachkommen. Das Recht umfasst dabei die gesamte Personalakte inklusive aller Sonder- und Nebenakten, in denen sich personenbezogene Informationen über den Arbeitnehmer befinden.

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(c) Osborne Clarke

Viktoria Winstel

Rechtsanwältin
Osborne Clarke
Dr. Viktoria Winstel ist Rechtsanwältin bei Osborne Clarke.

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