Bürokratie hemmt Internationalisierung von IT-Teams

Recruiting

Die Nachfrage für IT-Talente ist in Deutschland immer noch hoch: Eine frisch erschienene Studie von Bitkom beziffert den Mangel an Software-Entwicklern auf 124.000 offene Stellen. 2018 waren es noch 84.000. Es ist davon auszugehen, dass sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Ein gemeinsamer Forschungsbericht von Capgemini und Linkedin zeigte bereits 2017, dass sich die Kluft zwischen digitalen Talenten und Unternehmen zunehmend vergrößert. 50 Prozent der Führungskräfte gaben an, dass dieses Missverhältnis in ihrem Unternehmen kontinuierlich zunimmt. Für Personalvermittler ist es schwierig, die ständig wachsende Nachfrage nach guten Entwicklern zu befriedigen: 94 Prozent der Befragten gaben an, dass sie der intensive Wettbewerb bei der Einstellung von Entwicklern vor große Schwierigkeiten stellt. Deutsche Unternehmen sind demnach darauf angewiesen, sich auch außerhalb der EU auf die Suche nach Fachkräften zu begeben.

IT-Teams international aufzustellen, bringt Unternehmen einige Vorteile. Einer McKinsey-Umfrage zufolge haben derart strukturierte Unternehmen eine 35 Prozent höhere Chance auf überdurchschnittliche finanzielle Erträge, als homogene Organisationen. Sie profitieren von einem Zuwachs an Ideen sowie neu gewonnenen Möglichkeiten, Probleme zu lösen. Bestes Beispiel ist das Silicon Valley: 70 Prozent der Softwareentwickler, die dort arbeiten, stammen aus dem Ausland und treiben die Innovation in der Bay-Area voran. Aufstrebende Start-up-Hubs in europäischen Städten, die häufig den Erfolg von San Francisco widerspiegeln, weisen traditionell eine weniger beeindruckende Statistik auf.

Die Blue Card – Europas Antwort auf den IT-Fachkräftemangel

Für IT-Fachkräfte, die nicht aus der EU kommen, ist der Weg nach Deutschland von einigen Hindernissen gesäumt. Dabei sollte es die europaweit gültige Blue Card IT-Talenten aus aller Welt einfacher machen, den europäischen und damit auch den deutschen Arbeitsmarkt zu betreten. Zudem sollten Unternehmen in die Lage versetzt werden, ITler schnellstmöglich einzustellen. Ziel war es auch, den Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb der EU zu vereinfachen.

Die Blue Card ist besonders in Deutschland erfolgreich: Über 85 Prozent aller in Europa ausgestellten Zulassungen wurden seit der Einführung 2012 bei uns erteilt. Desweiteren ermöglicht sie es internationalen Fachkräften, ihre Familienmitglieder auch ohne vorhandene Sprachkenntnisse mitreisen zu lassen. Hier bietet die Card einen klaren Vorteil zum klassischen Arbeitsvisum: Können ITler bereits vorhandene Deutschkenntnisse nachweisen, eröffnet sich ihnen dank der Blue Card die Möglichkeit, nach 21 Monaten eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen (oder 33 Monate, je nach Güte der Deutschkenntnisse). Doch aus folgenden Gründen hat die Blue Card alleine den IT-Fachkräftemangel bislang nicht lösen können:

Probleme beginnen im Heimatland

Die bürokratischen Schwierigkeiten beginnen für außereuropäische ITler manchmal bereits in deren Heimatland. Wer beispielsweise Nigeria oder Serbien in Richtung Deutschland verlassen will, wartet oft bis zu einem Jahr auf einen Termin in der jeweiligen deutschen Botschaft, um dort ein Arbeitsvisum zu beantragen. Die Blue Card sollte dieses Problem lösen helfen. Einige der ihr zugrunde liegenden Regularien sind jedoch nicht mehr zeitgemäß. So muss ein Unternehmen einem außereuropäischen Entwickler ein Mindestgehalt von jährlich 53.600 Euro, einem Mangelberuf jährlich 41.808 Euro zahlen. Das macht es vor allem für Start-ups schwierig, internationale Fachkräfte einzustellen, da sie solche Gehälter oft noch nicht zahlen können. Dabei benötigen gerade sie schnell solche Talente, um die oben erwähnte Personallücke schließen zu können und in ihrem Wachstum nicht gehemmt zu werden.

Quereinsteiger haben es schwer

Ein weiteres Problem, für das die Blue Card hierzulande in der aktuellen Form keine geeignete Lösung darstellt, ist der zu eng gefasste Fokus auf einen vorhandenen Studienabschluss. Viele hochqualifizierte IT-Talente sind jedoch Quereinsteiger – mit der aktuellen Regelung bleibt ihnen der deutsche Arbeitsmarkt verwehrt und sie müssen den langwierigen Gang über die Ämter gehen. Ein Entwickler, der beispielsweise in Lagos Sozialwissenschaften studiert hat, aber nach einem Quereinstieg bereits mehrere Jahre erfolgreich in der IT tätig war, kann sich nach der aktuellen Regelung nicht für die Blue Card qualifizieren. Auch für Developer mit “nur” einer Ausbildung in einem Coding-Bootcamp reicht jahrelange Berufserfahrung nicht.

Ein handfestes Beispiel dafür: Sofia (Name geändert) aus Argentinien. Sofia hat ursprünglich Textildesign studiert, dann aber den Wechsel in die Tech-Branche gewagt. Über 8 Jahre Erfahrung im extrem gefragten Bereich Data Science konnte sie aufweisen, als sie sich auf Honeypot anmeldete. Schnell wurde ein deutsches Unternehmen auf sie aufmerksam. Die Blue Card blieb ihr wegen des für die Behörden “falschen” Studienabschlusses aber verwehrt. Für Unternehmen und Talente erweist sich eine Einwanderung in solchen Fällen als sehr herausfordernd, wenn sie auf sich alleine gestellt sind. Hier lohnt es sich, auf Hilfe von außen zu setzen. Erfahrene Recruiter, wie im Honeypot Relocation Team, kennen die behördlichen Anforderungen sowie Tricks und Kniffe, um die Migration möglichst reibungslos und schnell durchzuführen. Auch Sofia konnte am Ende aus dem Dickicht des Behördendschungels geholfen werden –mittlerweile arbeitet sie erfolgreich in ihrem neuen deutschen Unternehmen.

Andere europäische Länder machen es allen Beteiligten deutlich einfacher. So zählt in Frankreich nicht ausschließlich der Abschluss, sondern vor allem die Erfahrung. Sie ist ein wesentlicher Gradmesser für die Qualifikation von ITlern. Für die Verbesserung der deutschen Blue-Card-Regularien wäre schon viel getan, wenn Quereinsteiger als gewinnbringend und ein “richtiger” Studienabschluss als nicht zwingend notwendig erachtet würden.

Zu viel Papierkram

Der Mangel an Digitalisierung in deutschen Ämtern ist ein weiterer Hemmschuh. Es gibt nach wie vor zu viel Papierkram: Die Vorabprüfung der Zulassung für eine reguläre Arbeitserlaubnis muss dem Talent als Original Expressbrief in dessen Heimatland zugestellt werden.

Es gilt also, weniger Bürokratie zu wagen und das vorhandene Potential der Blue Card noch besser zu nutzen. Der Integrationsprozess würde sich für nicht-europäische Entwickler deutlich einfacher gestalten, wenn einige der aufgeführten Punkte umgesetzt werden würden. Developer aus aller Welt hätten dann viel größere Chancen, ihren Job in Deutschland so schnell wie möglich anzutreten. Auch die Wirtschaft würde davon profitieren und deutsche Unternehmen könnten dringend benötigte Talente viel schneller in ihren Reihen begrüßen.

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Oliwia Schildt, Honeypot

Oliwia Schildt

Oliwia Schildt ist Talent Relocation Managerin bei Honeypot. Sie unterstützt internationale Tech-Fachkräfte, die über Honeypot einen Job gefunden haben, beim Visa- und  Immigrationsprozess. Ebenso berät sie Unternehmen zu allen Fragen rund um die Einstellung von internationalen Fachkräften.

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