Hybride Arbeit: Diese Modelle gibt es

Future of Work

Ausnahmsweise scheinen sich mal alle einig – vom Vorstand über die Berater bis zum Angestellten –gehen alle einmütig davon aus, dass in ihrem Unternehmen hybride Arbeit Einzug halten wird. Der Weg zur hybriden Arbeit hingegen scheint weit weniger klar: nur knapp 70 Prozent der von McKinsey befragtenUnternehmen haben bestenfalls eine grobe Vision davon, wie hybride Arbeit inihrem Unternehmen umgesetzt werden soll. Wir möchten an dieser Stelle einen Überblick über die verschiedenen Modelle und deren Implikationen geben sowie Wege zu einem individuellen Modell hybrider Arbeit aufzeigen.

Die vielfältigen Erscheinungsformen hybrider Arbeit

Der Begriff „Hybridarbeit“ umfasst eine Reihe von Arbeitsmodellen mit sehr unterschiedlichen Flexibilitätsgraden in Bezug auf Ort und Zeit: feste Arbeitszeiten, Kernarbeits- beziehungsweise Gleitzeit oder flexible „anytime“-Modelle auf der einen Seite, Anwesenheitspflicht im Büro, teilflexible Modelle (zum Beispiel feste Homeoffice- und Bürotage) oder völlige Freigabe des Arbeitsorts auf der anderen Seite markieren Enden und Zwischenstufen. Die Vielzahl der Modelle ergibt sich aus der Kombination der unterschiedlichen Ausprägungen in beiden Dimensionen.

© Ivicos GmbH

  • Office first: Homeoffice wird als Ausnahme geduldet, die Arbeit findet zu festen (classic), teilflexiblen (semiflex) oder völlig variablen (OWA) Zeiten im physischen Büro statt.
  • Synchron-hybrid: Feste Homeoffice- und Bürotage werden definiert, zu denen die Mitarbeitenden an festen (synchron) beziehungsweise teilflexiblen (synchron semiflex) Zeiten arbeiten.
  • Statisch-hybrid: Mitarbeiter entscheiden sich für das Homeoffice oder Büro, Arbeitszeiten variieren von starr bis vollflexibel.
  • Voll flexibel: Work from anywhere. Die Mitarbeitenden sind in der Wahl ihres Arbeitsort vollkommen frei und entscheiden jeden Tag neu, von wo aus sie arbeiten, zu festen Zeiten (WFA), teilflexibel oder aber bei völlig freien Arbeitszeiten (WFAA).
  • Homeoffice first: Die Mitarbeitenden arbeiten im Homeoffice, die Arbeit im physischen Büro bleibt die Ausnahme. Auch hier kann die zeitliche Variation von starr („9 to 5“) bis voll flexibel (HO anytime) reichen.

So kann jeder unter dem Begriff hybride Arbeit etwas völlig anderes verstehen, bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: die Kombination aus Arbeit im Büro und aus der Ferne. Die Unterschiede zwischen den Modellen ­manifestieren sich in ihren Auswirkungen:

  • Je flexibler ein Modell in Bezug auf Arbeitszeit und -ort ist, desto größer sind die auf Seiten der Mitarbeitenden entstehenden Vorteile in Bezug auf Vereinbarkeit von Familie, Beruf und sozialem Leben. Vermiedene Pendelzeiten eröffnen Zeitressourcen, Arbeit im Homeoffice kann die Erfüllung familiärer Verpflichtungen deutlich erleichtern.
  • Je weniger flexibel der Arbeitsort, desto geringer fallen in der Regel die Einsparpotentiale aus Flächenreduktion aus, dies ist auch der Fall, wenn feste Homeoffice- und Büro-Tage für alle Mitarbeiter (synchron hybrid) eingeführt werden.
  • Modelle wie „static hybrid“, in denen Mitarbeiter sich zwischen Homeoffice und Büro entscheiden müssen, fördern Sorgen von Mitarbeitern im Homeoffice, mangels physischer Präsenz bei Beförderungen nicht berücksichtigt zu werden und spalten die Mitarbeiterschaft mit entsprechenden Risiken für die Unternehmenskultur.
  • Je flexibler die Regelungen zum Arbeitsort, desto höher der Koordinationsaufwand für synchrone Tätigkeitsbereiche (Meetings, Projektarbeit und so weiter), je starrer desto weniger fallen mögliche Vorteile für die Gewinnung von Talenten und Arbeitgeberattraktivität aus.
  • Je flexibler die zeitlichen Regelungen, desto mehr werden asynchrone Zusammenarbeitsmodelle (zum Beispiel über Kanban-Boards) eingesetzt.

Das „ideale“, für alle Unternehmen passende Modell hybrider Arbeit von der Stange gibt es nicht. Die konkreten Umstände eines Unternehmens wie die Zahl und Verteilung von Standorten, das Geschäftsmodell und die überwiegende Art der Tätigkeiten sind nur einige Bereiche, die bei der Entwicklung eines individuellen Modells hybrider Arbeit berücksichtigt sein möchten. Auch vermeintlich weiche Faktoren wie die Unternehmenskultur und Identität spielen ihre Rolle.

Der Weg zum individuellen Modell

Der erste Schritt auf dem Weg zu einem individuellen Modell der hybriden Arbeit besteht in der Erarbeitung konkreter, messbarer Ziele und einer breit angelegten Diskussion über mögliche Zielkonflikte: Wenn die Mitarbeitenden ein Maximum an Flexibilität und Arbeit im Homeoffice wünschen, kann dies beispielsweise im Konflikt mit dem Wunsch nach sozialem Austausch in der Kaffeeküche stehen.

Ist das Ziel geklärt, erfolgt eine Bestandsaufnahme: Welche Anteile einer Tätigkeit benötigen ungestörte, konzentrierte Arbeit? Welche wiederum den direkten Kontakt zu Kollegen? Gibt es Aktivitäten, die nur vor Ort im Büro erledigt werden können? Eine Möglichkeit besteht in der Entwicklung von „Hybrid Work Personas“, die neben den konkreten Anforderungen auch mit weichen Elementen angereichert werden können: Bedürfnisse nach sozialer Interaktion aber auch Ängste im Hinblick auf Karriereziele oder dem (Nicht-) Eingebunden sein in Informationsflüsse.

Auf Basis einer solchen Anforderungsanalyse kann ein Teil der Modelle aus Tabelle 1 ausgeschlossenen werden. Die verbleibenden Möglichkeiten werden darauf hin in einem transparenten Bewertungsprozess anhand der ursprünglich gesteckten Ziele bewertet. Im nächsten Schritt erfolgt die Anpassung an die konkreten Gegebenheiten im Unternehmen. Dies betrifft zum einen die gesamte Employee Journey und deren Umsetzung in Form von Unternehmensleitlinien. Ein wichtiger Teil der eigentlichen Implementierung besteht dann in der begleitenden Kommunikation. Die Implementierung selbst kann wiederum als Big Bang oder agiles fail fast erfolgen, das ist eine Frage der Unternehmenskultur.

Ohne technische Unterstützung läuft es nicht

Die Anforderungen der verschiedenen Modelle unterscheiden sich, grundsätzlich ist hybride Arbeit jedoch ohne technische Unterstützung nicht denkbar. Neben der eigentlichen Ausstattung der Mitarbeiter mit Homeoffice-tauglicher Technik unterscheiden sich die unterschiedlichen Modelle hybrider Arbeit vor allem im Hinblick auf die kollaborativen Aspekte: während aysnchrone Modelle gut mit Kanban-Boards (Asana, Trello) arbeiten können, benötigen Modelle mit einer Vielzahl synchroner Prozesse gemeinsame Präsenz durch sogenannte Online-Offices (Sococo, ivCampus, Teemyco). In synchronisierten Modellen (zum Beispiel durch feste Homeoffice-Tage) ist dieser Bedarf geringer und kann durch Videokonferenz-Systeme wie Zoom gedeckt werden. Soziale Interaktion funktioniert – das haben die Erfahrungen der Pandemie gezeigt – nicht besonders gut als ein weiterer Zoom-Eintrag unter vielen, während der spontane Austausch in präsenzbasierten Online-Offices annähernd so gut gelingt wie im richtigen Büro. Auch die Unterstützung von Projektarbeit (hybride Projekträume) sowie die Integration externer Dienstleister (Unternehmens-übergreifende Kollaboration) stellen neue Anforderungen an die technische Unterstützung hybrider Arbeit.

Der hybride Geist ist aus der Flasche und wird da auch nicht mehr hineinverschwinden. Die Frage der Einführung hybrider Arbeit ist weniger die nach der Auswahl eines feststehenden Modells als ein Prozess der Mitarbeiter mitnimmt auf dem Weg zu einer neuen Art des Miteinander-Arbeitens. So betrachtet, eröffnet die kaum vermeidbare Anpassung an die neuen Realitäten die Chance auf eine nachhaltige Transformation der Unternehmenskultur.

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Thomas Lehr, Co-Founder der Ivicos GmbH

Thomas Lehr

Thomas Lehr ist Co-Founder der Ivicos GmbH, die SaaS-Lösungen für die hybride Arbeit entwickelt. Er ist überzeugt, dass in der hybriden Arbeitswelt der Zukunft die Rolle des physischen Büros ab- und die Rolle von Sinn und Zweck der Arbeit zunehmen wird: Arbeit ist etwas, das man tut, nicht ein Ort, an den man geht.

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