Welche Rolle spielen Start-ups in HR, Herr Wallisch?

Personalmanagement

Herr Wallisch, Sie engagieren sich dieses Jahr zum sechsten Mal in der Jury des HR Start-up Awards: Was macht für Sie die Faszination Start-ups im Personalmanagement aus?
Jochen Wallisch: Für uns als HR liegt in der digitalen Transformation eine Riesenchance – gerade auch weil durch die Pandemie die Frage, wie und was wir zukünftig arbeiten noch stärker in den Mittelpunkt gerückt ist. Um den digitalen Wandel aktiv treiben zu können, spielen Start-ups eine entscheidende Rolle. Wir brauchen Impulse aus jungen, agilen Firmen sowie einen internen und externen Netzwerkaustausch im Ökosystem. Der HR Start-up Award bietet ihnen eine vielbeachtete Bühne – deshalb bin ich gerne dabei.

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Corona prägt die Agenda in HR. Ist denn ausgerechnet jetzt die Zeit, um sich mit Innovationen, Apps und Tools zu beschäftigen
Mehr denn je. Corona beschleunigt den digitalen Transformationsprozess. Wir sind mittendrin in den Themen rund um die „Zukunft der Arbeit“, die wir schon vor Jahren diskutiert, die jetzt aber einen noch höheren Stellenwert erhalten haben. Als HR-Funktion haben wir die Aufgabe, Dinge zu steuern, Orientierung zu geben, zu gestalten und zu unterstützen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen wir technologische Entwicklungen nachvollziehen und brauchen ein digitales Mindset sowie digitale Skills. Daher müssen wir sowohl das Geschäft dabei begleiten aber auch selbst mit wichtigen Fragen auseinandersetzen: Welche neuen Jobs entwickeln sich zukünftig? Welche fallen weg oder verändern sich? Welche Kompetenzen und Skills werden in Zukunft benötigt? All diese Fragenstellungen beleuchten wir bei Siemens unter dem Hashtag #NextWork. Und nicht nur das: Wir haben ein gleichnamiges Produkt entwickelt, wessen Output es ist, eine ganzheitliche Roadmap mit konkreten Entwicklungspfaden für die Belegschaft zu definieren.

Was muss denn eigentlich das übergeordnete Ziel des Einsatzes von HR-Tech sein?
HR befindet sich zunächst in einer eigenen Transformation. Wir müssen schneller und anpassungsfähiger werden sowie mehr in kundenorientierten Produkten denken anstatt in Prozessen. Aber nicht nur Das: Wir müssen Produkte aufbauen, die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den jeweiligen Geschäftseinheiten und deren Herausforderungen, gerecht werden. Hinzu kommt, dass sich wie wir arbeiten – wir sprechen bei Siemens von New Work – und was wir arbeiten – Next Work – substanziell ändert. Um dies proaktiv zu gestalten, gilt es innovative Lösungen zu finden und anzubieten.

In welchen Bereichen sollte man sich denn ganz besonders mit digitalen Lösungen von Start-ups auseinandersetzen?
Alles, was digitale Transformation und Strukturwandel unterstützt, ist aus meiner Sicht der Erfolgsschlüssel für morgen. Da geht es beispielsweise um Strategic Workforce Transformation, die Analyse sowie Identifizierung zukünftig benötigter Kompetenzen und Skills. Es geht dabei um den Erhalt der eigenen Employability – also wie bleibe ich beschäftigungsfähig, besonders in Bezug auf Trends, die meine Arbeit verändern werden. Oftmals werden bei der digitalen Transformation in Unternehmen vorrangig Produkte und Prozesse betrachtet, deshalb ist es wichtiger denn je, die People Transformation nicht außer Acht zu lassen. Zudem werden virtuellere, agilere Formen der Zusammenarbeit immer wichtiger, und gehen weit über digitale Trainings- und Learning-Formate hinaus.

Besteht da nicht die Gefahr, sich mit zu vielen, nicht vernetzten Tools zu verzetteln?
Komplexität und Vielfalt stellen immer eine Herausforderung dar. Aber ich bin überzeugt, dass der one-size-fits-all-Ansatz, wie wir ihn in großen Organisationen lange erfahren konnten, ebenfalls nicht mehr zielführend ist beziehungsweise nicht immer war. Wir haben festgestellt, dass es keine gesamtheitliche Lösung für unterschiedliche Geschäftsbereiche, wie sie beispielsweise bei Siemens existieren, geben kann. Denn dafür sind die Bedürfnisse der einzelnen Teams und des individuellen Mitarbeitenden zu unterschiedlich. Wir kommen nicht umhin, mit kleinen, maßgeschneiderten Lösungen zu arbeiten, um schnell genug und anpassungsfähig auf die entsprechenden Bedürfnisse reagieren zu können. Das ist aber gleichzeitig auch eine große Chance. Wichtig hierbei ist, dass die Tools so modular aufgebaut sind, dass sie zum einen flexibel kombinierbar und zum anderen gleichzeitig Teil einer vernetzten Struktur im Ökosystem sind.

Inwiefern sammelt Siemens denn selbst Erfahrungen mit Start-ups in HR?
Ich bin der Überzeugung, dass wir als Unternehmen nicht allein an der Entwicklung von Innovationen arbeiten können. Es ist entscheidend, sich gezielt Impulse sowie innovative Lösungen von außen zu holen und auszuprobieren. Aus dieser Erkenntnis heraus, haben wir bei Siemens ein HR-Start-up-Ecosystem aufgebaut. Hier versuchen wir, in einem geschützten Umfeld mit externen Partnern Pilot-Lösungen auszuprobieren, um danach zu entscheiden, ob sie auch skalierbar sind. Das haben wir beispielsweise in den Bereichen Talent Acquisition – gerade mit Blick auf die Knappheit an Talenten -, im Learning sowie im Blue Collar Environment getan, wo es darum geht, Schichtplanungssysteme kreativer anzugehen. Wir holen uns in der ganzen Palette an HR-Themen gezielt Anstöße von außen.

Wie finde ich denn als HR Start-up Aufnahme in das Start-up Environment von Siemens?
Wir werden zum einen von Start-ups direkt angesprochen, die ihre Produktideen an uns herantragen. Aber wir schauen uns auch selbst proaktiv am Markt nach neuen Ideen um. Es ist ein Geben und Nehmen, denn wir agieren zunehmend vernetzter in einem Ökosystem und profitieren voneinander. Am Ende ist es im besten Fall immer eine Win-win-Situation.

Wie funktioniert eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Konzern und Start-ups?
Wenn Start-up-Kultur auf Konzernwelt stößt, ist das sicher auch herausfordernd. Aber daraus erwächst wieder ein Lernfeld – das hinterfragt Großorganisationen und gibt ihnen Impulse. Auf der anderen Seite lernt ein Start-up, wie ein Konzern operiert, vor welchen Herausforderungen man steht und wo die Hürden liegen, um ein Thema voranzutreiben. Man muss sich also gemeinsam „heranrobben“ und gemeinsam Hindernisse überwinden. Und das ist ein wichtiger Teil eines sehr spannenden Prozesses – der abgesehen vom finalen Produkt – Impulse setzt für die Art, wie man zukünftig auch innerhalb einer Organisation zusammenarbeitet.

Jeder kennt den Begriff FinTech, nur wenige den Begriff HR-Tech. Wird der Impact von HR-Innovationen verkannt?
Verglichen mit FinTech ist HR-Tech prozessual noch nicht ganz so weit. Allerdings wird der Impact, der von HR-Tech ausgehen kann, etwas unterschätzt. People-Themen sind in einer digitalisierten Welt wettbewerbsentscheidend. Dies mit anderen und neuen Tools anzugehen, wird nicht nur Einfluss auf HR haben, sondern auch auf die Gesamtorganisation. Denn es geht nicht nur um die Veränderung der „klassischen“ Personalabteilung, sondern um die Veränderung der Arbeit in Organisationen und die jedes Einzelnen.

Zum Gesprächspartner:

© Siemens

Dr. Jochen Wallisch ist Executive Vice President Human Resources bei Siemens und Jurymitglied beim HR Start-up Award 2021. Die Bewerbungsphase läuft noch bis 30. Mai.

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Constantin Härthe

Constantin Härthe ist PR & Online Marketing Manager bei der HKP-Group und redaktioneller „Macher“ des Blogs www.future-of-HR.com. Seit gut 10 Jahren beschäftigt er sich wissenschaftlich und beruflich mit den Wandlungsprozessen der Digitalisierung – unter anderem als Mitautor einer Studie zur digitalen Krisenkommunikation und bei seinen Tätigkeiten für Medien, Agenturen und Organisationen.

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