Der Benefits-Irrtum

Recruiting

Ich weiß nicht, ob sie Ihnen auch schon aufgefallen sind: Stellenanzeigen, die anstatt der Aufgabenbeschreibung zunächst die Benefits, also die Arbeitgebervorteile, auflisten. Wohl in der Annahme der Job sei so langweilig und das Unternehmen als solches so austauschbar, dass man so spannende Benefits wie kostenlose Getränke, Tankgutscheine und Weiterbildungsmaßnahmen (die natürlich nicht konkretisiert werden) eben in den Fokus rücken müsse. Manche verzichten sogar komplett auf die Aufgabenbeschreibung, schließlich ist doch klar, was man als [Platzhalter- (setzen Sie hier bitte jeden Jobtitel ein, der Ihnen gerade einfällt)] macht.

Nun ist es ja nicht ganz verkehrt, darüber zu sprechen, was man denn als Arbeitgeber zu bieten hat. Denn, ob Sie es glauben oder nicht, es gibt genug Unternehmen, die dieses – wenn überhaupt – frühestens im Vorstellungsgespräch kommunizieren. Abgesehen davon, dass sich solche Benefits, insbesondere, wenn sie an so prominenter Stelle präsentiert werden, wie eine Entschädigung für einen schlechten Job lesen, ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Job in einem anderen Unternehmen exakt identisch ist. Das gilt für Verkaufspersonal genauso wie für Menschen, die im Callcenter arbeiten, das gilt für Pflegefachkräfte genau wie für diejenigen, die Code entwickeln. Es geht darum, den Job den Menschen schmackhaft zu machen, die auf diese Stelle passen. Das funktioniert kaum, wenn Sie kein Wort darüber verlieren und generische Benefits auflisten.

Ein spannender Job ist das größte Benefit

Ohnehin wird eine Darstellung der Arbeitgebervorteile oft überbewertet (insbesondere, wenn sie generisch und ohne den Nutzen dahinter dargestellt werden). Ja, sie sind wichtig. Aber andere Inhalte sind weitaus wichtiger: Etwa die Angabe einer erreichbaren Ansprechperson. Eine präzise Aufgabenschreibung. Ein realistisches, auf die gesuchte Person zugeschnittenes Anforderungsprofil. Letzte Punkte sind gemäß diverser Studien die wichtigsten Inhalte einer Stellenanzeige. Nicht die Benefits. Ohnehin: Ist der „spannende“ Job als solcher, möglicherweise sogar mit „Sinn“ nicht das größte Benefit?

Jobsuchende wünschen sich Angaben darüber, was in der neuen Stelle auf sie zukommt. Und das funktioniert kaum, indem man austauschbare Substantive, idealerweise in „-ung-Form“, lieblos aneinanderreiht, so wie es in gefühlt 90 Prozent aller Stellenanzeigen der Fall ist.

Gleiches gilt für die Anforderungen. Diese sind meist zu überzogen und zu unspezifisch. Was sagt beispielsweise die Berufserfahrung über das tatsächliche Können aus? Nur weil ein Mensch in der Vergangenheit gut war, heißt es nicht, dass er es auch im neuen Job ist. Wäre eine Benennung der Kompetenzen und Stärken, die für die Erfüllung der Aufgabenziele erforderlich sind, nicht viel aussagekräftiger? Wozu braucht es eigentlich ein Studium? Geht es nicht auch ohne, insbesondere wenn man seine Fähigkeiten und Stärken bereits in anderen Jobs unter Beweis gestellt hat? Was heißt Teamfähigkeit, was Belastbarkeit, was Kommunikationsstärke, was Flexibilität? Anforderungen, insbesondere Soft Skills, haben keinerlei Wert, wenn diese nicht im Kontext der Aufgaben stehen und man eine konkrete Vorstellung davon bekommt, wozu diese vonnöten sind.

Stellenanzeigen als Instrument der Selbstselektion

Grundsätzlich gilt es, die Stellenanzeige als Instrument der Selbstselektion zu betrachten. Für Selbstselektion braucht es relevante, ehrliche und glaubwürdige auf die adressierte Zielgruppe zugeschnittene Informationen – nicht austauschbare Worthülsen ohne jegliche Aussagekraft! Liegt der Fokus aber auf der Nennung der Benefits, zieht das im Zweifel die Falschen an.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich ist es gut, richtig und wichtig, Ihre Arbeitgebervorteile zu benennen! Viel wichtiger ist es aber zu vermitteln, was jemanden in einer neuen Stelle erwartet und ein Anforderungsprofil zu gestalten, das auf die Person zugeschnitten ist, die diese Stelle ausfüllen soll. Auf deren Kompetenzen und Stärken. Auf deren Passung ins Team, in die Organisation.

Ich unterstelle mal, dass Sie Menschen suchen, die in Ihr Unternehmen passen. Die mit den Herausforderungen, Ihrer Kultur und den dort gelebten Werten klarkommen. Menschen, die sich in Ihrem Job entfalten können und Ihnen möglichst lange erhalten bleiben. Mitarbeiterbindung beginnt bereits beim Recruiting. Mit generischen Stellenanzeigen ziehen Sie generische Menschen an. Für Sie bedeutet das wiederum viel Aufwand im Aussieben der unpassenden Kandidaten. Ressourcen, die Sie sinnvoller nutzen können. Etwa für das Formulieren zielgruppengerechter, ehrlicher Stellenanzeigen, die genau die ansprechen, die Sie suchen.

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Henner Knabenreich, Blogger, Autor und Speaker

Henner Knabenreich

Henner Knabenreich kämpft als Arbeitgebermarken-Auftrittsoptimierer für eine bessere Bewerberwelt. Seine Leidenschaft gilt gutem Personalmarketing. Er ist Buchautor, Personalmarketing-Coach und Speaker und betreibt den Blog personalmarketing2null.de.

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