Generation Y plus Generation Z

Employer Branding

Nur nicht in die gleiche Schublade legen: Zusätzlich zu den Digital Natives, die den Unternehmen noch immer viele Rätsel aufgeben, betritt jetzt eine neue Generation den Arbeitsmarkt – und bringt wieder ein völlig anderes Wertemuster mit.

Um es gleich vorwegzunehmen: Natürlich kann man „Generationen“ nicht einfach an ihrem Geburtsdatum festmachen und auch nicht pauschal mit starren Verhaltensmustern in Verbindung bringen. Aber man kann auch keine Systeme entwerfen, die jedem Einzelfall gerecht werden. So gesehen gibt es keine Alternative, sich zumindest ansatzweise mit einer Differenzierung zu beschäftigen, die sich durchaus auch mit den Wertemustern unterschiedlicher „Generationen“ beschäftigt.

+++ Dieser Artikel von Christian Scholz war 2017 unter den Top Ten der meistgelesenen Artikel und ist Teil der Jubiläumsausgabe. Eine Übersicht der Human Resources Manager Ausgabenerhalten Sie hier. +++

Hoffnungsträger: Generation Y

Um die Jahrtausendwende herum kamen die sogenannten „Millennials“ auf den Arbeitsmarkt und erhielten etwas phantasielos den Buchstaben Y. Tendenziell ab 1980 geboren, unterscheiden sie sich dramatisch von Vertretern der etwas davor liegenden „Generation X“ (ab 1965) mit ihrem latenten Pessimismus und ihrer Devise „Arbeiten um zu leben“. Diese Generation Y erweist sich als optimistisch, leistungsorientiert und bereit, sich für das Unternehmen einzusetzen. Auch wenn sie die Logik des darwinistischen Wettbewerbs genau versteht, sieht sie diesen als notwendig an, und verfolgt durchaus opportunistisch die eigenen Ziele.

Unternehmen haben zwar erst relativ spät die Chancen dieser Generation Y als leistungsbereite Mitarbeiter (und als zahlungsbereite Konsumenten) erkannt, fangen aber inzwischen an, sich weitgehend in ihren Karriere- und Förderprogrammen auf diese Generation einzustellen. Man forciert Work-Life-Blending, flexible Arbeitszeiten, leistungsorientierte Entlohnung und zudem gibt es neue Formen der Büroorganisation: Desk-Sharing und flexible Bürokonzepte boomen, ganz eingestellt auf den neuen Digital Native. Dieser arbeitet mit seinem Laptop dort, wo es die Aufgabe erfordert beziehungsweise wo er gerade arbeiten möchte: im Coffeeshop um die Ecke, an der Isar, zu Hause oder am neuen multifunktionalen Ergonomie-Desk.

Überraschung: Zu Y kommt Z

Doch dann passiert etwas Seltsames: Zusätzlich zu den „echten Y-ern“, die sich wie erwartet verhalten, kommen plötzlich junge Menschen, die sich wiederum ganz anders verhalten. Dies zeigen nicht nur die Erfahrungen von Unternehmen, sondern auch diverse Studien, beispielsweise von Grail Research und JWT-Intelligence, das EY Generations Survey oder die aktuelle Untersuchung von Ford (Looking Further with Ford 2015). Alle diese Arbeiten aus den USA, Australien und Deutschland verwenden für dieses andere Wertemuster die – allerdings wieder ziemlich fantasielose – Bezeichnung „Generation Z“: Sie bezieht sich tendenziell auf die nach 1995 geborenen Jugendlichen, die sich seit 2011 auf dem Bildungs- sowie Arbeitsmarkt bemerkbar machen – und die irritieren.

Da helfen auch keine gut gemeinten Beschwichtigungsversuche nach dem Motto „eigentlich ist alles beim Alten“. Es nützt auch nichts, wenn man moralisierend vor Schubladen-Denken warnt: Die Arbeiten zur Generation Z sprechen eine klare Sprache und sind zudem insofern plausibel, als sie erklären, warum dieses Werte- und Verhaltensmuster entstanden ist.

Trotz diverser Differenzierungen (wie in der SINUS-Studie) geht es den Vertretern der Generation Z vorrangig um Freizeit statt um Karriere und um Familie statt um Firmenwagen – auch wenn sie teilweise noch überhaupt keine eigene Familie haben. Diese neue Generation hat erkannt, dass die Träume der Älteren nur selten Realität werden. Sie hat immer weniger Bindungen an Unternehmen und Marken, aber auch immer weniger Interesse an Führungsverantwortung und flexiblen Arbeitszeiten. Sie will klar zwischen Arbeitswelt und Privatleben in der eigenen kleinen Welt trennen, will sich aber – allerdings in einem geregelten Rahmen – durchaus in Unternehmen einbringen, wobei ihr aber auch der Öffentliche Dienst als potenzieller Arbeitgeber zusagt.

Unterschiedliche Wertemuster

Anfangs waren es nur verhältnismäßig wenige Nachwuchsmitarbeiter, die Unternehmen als „alternativ denkende Personen“ rasch zur Seite legen konnten. Doch es werden immer mehr und vor allem die jüngeren Mitarbeiter entsprechen nicht mehr dem ursprünglichen Bild der „Generation Y“: eine Irritation, die Dauerwirkung zeigt. Spätestens jetzt wird es verwirrend. Denn weil es die etwas ältere „echte“ Generation Y und eine neue, ganz andere Generation Z gibt, treten Autoren auf den Plan, die das Bild der Generation Y zurechtrücken wollen. Andere stellen fest, dass die Generation Y nicht so einheitlich auftritt, wie man oft (noch) glaubt. Das alles ist nicht überraschend, denn in Wirklichkeit haben wir mit der Generation Y und der Generation Z zwei klar unterschiedliche Wertemuster, die sich aber nur tendenziell auf Geburtsjahre zuordnen lassen: So bekommen wir zwar ab 1995 wesentlich mehr Vertreter der Generation Z, es kommen aber beispielsweise auch 1996 weiterhin Vertreter der Generation Y dazu – allerdings weniger als zuvor.

Im Ergebnis tun Unternehmen und Wissenschaftler somit gut daran, die Generation Y und die Generation Z in ihrer real existierenden Unterschiedlichkeit zu begreifen.

Überlagert: Generation Y und Z im Zeitablauf

Schaut man auf konkrete Zahlen für Deutschland, so spricht zunächst vieles dafür, dass zwar aktuell die Generation Z neu auf den Arbeitsmarkt tritt, weiterhin aber noch Vertreter der Generation Y dazukommen. Also: Bei den ganz jungen Mitarbeitern hat zwar die Generation Z das Übergewicht, es gibt aber immer noch neue Mitarbeiter aus der Generation Y.

Nimmt man die aktuellen Geburtenzahlen und geht man zunächst vereinfachend davon aus, dass die Generation Y mit dem Geburtsjahrgang 1980 und Generation Z mit dem Geburtsjahrgang 1995 beginnt und unterstellt man des Weiteren, dass jede Generation mit einem Marktanteil von 60 Prozent mit 16 Jahren auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt auftaucht, dann ist die Generation Y mit ihrem Werte- und Verhaltensmuster ab 1996 sichtbar, die Generation Z ab 2011.

Der daraus resultierende Verlauf von Generation Y und Generation Z hat zwei praktische Konsequenzen:

Work-Life-Blending

Nimmt man den heutigen Zeitpunkt, so dominiert die Generation Y mit mehr als acht Millionen deutlich gegenüber der Generation Z mit weniger als zwei Millionen Personen, von denen nicht einmal alle im Berufsleben stehen. Dies bedeutet, dass personalwirtschaftliche Fragestellungen im Bestandsmanagement zwangsläufig ein Schwergewicht auf die Generation Y legen sollten. Trotzdem gibt es bereits auch eine Minderheit an Mitarbeitern, die (schon) das Wertemuster Z aufweist.

Anders sieht es aber bei den aktuellen Zugängen aus. Hier sind im Jahr 2014 fast 500.000 neue Z-ler dazugekommen, aber nur etwas mehr als 150.000 neue Y-er. Dies bedeutet, dass die Themen Employer Branding, (Hoch-)Schulmarketing und alle damit verwandten Themen eher auf das Wertemuster der Generation Z abstellen sollten.

Das klingt harmlos, ist es aber nicht: Hat also im Bewerbungsgespräch für die Generation Y beispielsweise das Arbeitgeber-Argument „Work-Life-Blending“ noch blendend funktioniert, rollt die Generation Z bei diesem Ausdruck schon die Augen und will einen klaren Dienstschluss.

Problematisch: Drei aktuelle Strategien

Völlig unbeeindruckt von den wohlklingend-romantischen Büchern zur Generation Y reagieren Unternehmen bereits auf das, was sie im Umgang mit jüngeren Mitarbeitern erleben. Dabei ist es den Unternehmen völlig gleichgültig, ob man (simplifizierend) von einer Untergruppe der Generation Y spricht oder gleich (korrekt) von der Generation Z.

Die erste Strategie „Generation Z als Fata Morgana“ basiert auf dem schlichten Ignorieren der Existenz dieser Gruppierung. Danach gibt es überhaupt keine spezifischen Denk- und Verhaltensmuster der jüngeren Generation, auf die HR eingehen muss. Interessanterweise neigen eher personalwirtschaftliche Autoren zu einer solchen Strategie, die weder Umdenken noch Andershandeln erfordern: Man legt damit letztlich die jungen Menschen alle gemeinsam in die Schublade „Auch nicht anders als in den letzten 50 Jahren“.

Ein vermeidbares Übel

Die zweite Strategie „Generation Z als Ponyhof“ beginnt mit einem Dramatisieren des Andersseins. Hier geht es um das, was die neue Generation „fordert“ und wieso sie auch das Recht dazu hat: Denn für sie spricht angeblich „der demografische Faktor“. Also: Um überhaupt in Zukunft Mitarbeiter zu bekommen, müssen in dieser Logik Unternehmen nachgeben. Bei dieser Argumentation sind es eher die nicht-personalwirtschaftlichen Medien, die den Ton angeben. Dass derartige Berichte den Glauben der Jugendlichen an ihre eigene Macht verstärken, liegt auf der Hand.

Das dritte Verhaltensmuster, „Generation Z als vermeidbares Übel“, basiert auf negativen Erfahrungen mit dieser „Generation in der Hängematte“. Ohne groß darüber zu sprechen, ziehen Personalverantwortliche ihre Konsequenzen: Sie listen die Generation Z quasi als unnötiges Übel aus und setzen auf andere Beschäftigtengruppen. Oder wie es der Headhunter Heiner Thorborg in seiner Kolumne beim Manager Magazin ausdrückt: „Junge Deutsche, die heute gleich im Bewerbungsgespräch individuelle Entwicklungsmöglichkeiten möchten, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ebenso fordern wie Sonderurlaube und einen frühen Feierabend, könnten künftig tatsächlich über sehr, sehr viel Freizeit verfügen – unbezahlt natürlich.“

Gefragt: Differenzierter Umgang

Es liegt auf der Hand, dass diese drei Strategien langfristig gefährlich sind: Denn auf keinen Fall kann man einfach ignorieren, dass es in der jungen Generation spezifische Wertemuster gibt. Man kann aber auch nicht dieses Verhalten als unausweichlich ansehen und quasi der Generation Z einen Weihnachtswunschzettel zum Ausfüllen überreichen: Denn es ist gesellschaftspolitisch unverantwortlich, mehrere Millionen Jugendliche der Arbeitslosigkeit zu überlassen, nur weil man nicht mit ihrem Wertemuster klarkommt.

Also sollte man von der Generation Z lernen. Diese Generation ist sehr realistisch und weiß genau, dass vieles, was in Richtung Karriereversprechen geht, am Schluss nicht eingelöst wird: Man kann im Hamsterrad noch so fest treten, es bringt allenfalls Burnout und Krankenstand. Deshalb ist es durchaus positiv, die Arbeitswelt nicht so verbissen zu sehen und gewisse Prioritäten auf Freizeit beziehungsweise Familie zu legen. Denn teilweise leistet die Generation Z mit geregelter Arbeitszeit und ohne Stress sogar mehr als ein völlig überforderter Vertreter der Generation Y, der Überstunden schon als Hochleistung interpretiert.

Generation Z als generelles Muster integrieren

Wenn Unternehmen in ihrer Personalstrategie also jenseits der oben genannten drei Strategien beschließen, sich professionell mit den Generationen Y und Z zu beschäftigen, dann bedeutet dies zweierlei:

Zum einen kann und soll man einiges aus der Denkwelt der Generation Z als generelle Muster in die Personalarbeit integrieren. Man muss nicht jeden Freitag den Schreibtisch vom Büro nach Hause verlagern und private Termine oder das Spielen mit den Kindern ausfallen lassen, nur weil unerwartet irgendetwas angeblich Wichtiges im Unternehmen auftaucht. Auch die Abkehr von der flexiblen Bürolandschaft zurück zum eigenen Schreibtisch muss nicht verkehrt sein. Derartige Denkmuster sind also vernünftig: Sie gilt es zu lokalisieren.

Zum anderen – und jetzt kommt der unangenehme Teil – müssen Unternehmen sich darüber klar werden, wo sie definitiv nicht den Wünschen der Generation Z nachgeben dürfen, wo also der „Ponyhof“ zu Ende ist. Denn nicht alles, was die Generation Z will, ist auf Unternehmens ebene konsensfähig und damit zulässig. So muss es in einem transparenten System verbindliche Spielregeln geben, die als Ausnahme Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeit zulässt. Auch können Unternehmen auf Dauer nicht funktionieren, wenn sich eine ganze Generation um Führungsverantwortung drückt und auf Fachkarriere mit Aufstiegsgarantie besteht. Da nützen auch Nebenkriegsschauplätze wie die Diskussion um Demokratisierung nichts: In einigen (wenigen?) Punkten müssen Unternehmen kompromisslos sein.

Ergebnis: Potenzieller Wettbewerbsvorteil

Selbst ein begrenztes Eingehen auf die Generation Z führt zu einer Veränderung der Arbeitswelt und vor allem der Führungskultur. Auch Compensation sowie Personaleinsatz- und Personalentwicklungsplanung werden sich radikal ändern. Damit ist die Generation Z keine Glaubensfrage mehr für Stammtische und für populistische Gutmenschen, sondern entwickelt sich zu einer handfesten Herausforderung für das Management: Denn jenseits vom plumpen Verleugnen ihrer Existenz schafft ein professioneller Umgang mit ihr strategische Wettbewerbsvorteile bei Akquisition, Motivation und Innovation.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Christian Scholz

Prof Dr. Christian Scholz

Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation, Personal- und Informationsmanagement
Universität des Saarlandes
Univ.-Prof. Dr. Christian Scholz (orga.uni-sb.de) wurde 1986 an die Universität des Saarlandes berufen. Er publiziert in wissenschaftlichen Zeitschriften, schreibt aber auch Kolumnen in Zeitungen und bloggt seit 2006 als „Per Anhalter durch die Arbeitswelt. Christian Scholz kam sechsmal auf die Liste der 40 führenden Köpfe im Personalwesen und danach 2015 in die „Hall of Fame“. Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen zwei Lehrbücher zum Personalmanagement sowie die Trendstudien zum Darwiportunismus (2003) und zur „Generation Z“ (2014).

Weitere Artikel