Betriebliche Altersvorsorge: Eine Bank im Unternehmen

Personalmanagement

Bei der betrieblichen Altersvorsorge zeigt sich die Unterstützungskasse als vielversprechende Variante. Für Arbeitgeber sind jedoch auch Risiken abzuwägen.

Reicht die gesetzliche Rente aus, um im Alter seinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Allein der demografische Wandel lässt vermuten, dass zukünftige Renteneintritte mit einer Versorgungslücke konfrontiert sind. Das ist mitunter ein Grund, warum Beschäftigte ihre Alterssicherung teils selbst in die Hand nehmen und auf die betriebliche Altersvorsorge (bAV) setzen. Die Angebote sind vielseitig. Allerdings stoßen Betriebsrenten ohne Garantien bei Arbeitnehmern auf wenig Begeisterung. Schließlich möchten sie sichergehen, dass eingezahlte Beiträge sich mehren und später wieder bei ihnen ankommen. Deshalb scheint die Unterstützungskasse – auch Unternehmensbank genannt – an Beliebtheit zu gewinnen: Sie bietet Mitarbeitern feste Zusagen. Für Arbeitgeber sind neben vielen Vorteilen aber ebenso Risiken zu beachten.

Betriebliche Altersvorsorge ist gefragt

„Allgemein ist das Interesse an bAV stärker in den Fokus gerückt“, sagt Manfred Baier, Vorsitzender des Bundesverbands pauschaldotierter Unterstützungskassen (BV-pduK). „Es ist ein Thema, um das sich alle mehr Gedanken machen.“ Als Grund dafür nennt er die soziale Verantwortung, die Arbeitgeber zunehmend übernehmen wollen. Viele möchten selbst etwas für ihre Mitarbeiter tun, sagt Baier. Hintergründe dafür seien einerseits, sich für Talente attraktiv zu präsentieren und sie im Unternehmen zu halten. Er beobachtet bAV-Angebote verstärkt in Branchen, in denen ein starker Kampf um Fachkräfte herrscht. Andererseits gehe es darum, für Geringverdiener Vorsorgemöglichkeiten zu schaffen.

„Die Bedeutung der Alterssicherung steigt“, sagt auch Heiko Gradehandt, Bereichsleiter Mittelstandsinitiative bAV bei Willis Towers Watson. Er beobachtet ein steigendes Bewusstsein dafür bei Arbeitnehmern. Vielen sei wichtig, dass ihr Arbeitgeber bei der Altersvorsorge eine Rolle übernimmt und Unterstützung anbietet. Besonders eine bedarfsgerechte Gestaltung der Angebote komme in der Belegschaft gut an, je individueller die Lösungen, desto zufriedener seien die Mitarbeiter. Darüber hinaus gebe es ein stärkeres Commitment zum Arbeitgeber, wenn dieser Möglichkeiten zur bAV anbietet. Stehen Unternehmen zudem für Garantien ein, genießt das Modell eine höhere Akzeptanz.

Welche Varianten in der Praxis häufig vorkommen, zeigt die Studie „Deutscher bAV-Index 2018“ von Willis Tower Watson. Demnach präferiert knapp die Hälfte der mittleren und großen Unternehmen die Direktzusage zur Durchführung arbeitgeberfinanzierter bAV. Ebenfalls beliebt ist die Unterstützungskasse. Mehr als ein Drittel der Unternehmen hierzulande verwendet sie.

So funktioniert die Unterstützungskasse

Die Unterstützungskasse ist eine von verschiedenen Varianten der bAV. Die einzelnen Wege gibt das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vor. Eine Unterstützungskasse ist demnach eine rechtlich eigenständige Versorgungseinrichtung, die ein Unternehmen selbst oder mit anderen gemeinsam gründen kann. Sie erhält die Beiträge vom Arbeitgeber und erbringt später die Versorgungsleistungen an Arbeitnehmer. Das bedeutet: Die Entgeltumwandlung des Mitarbeiters geht mit dem bAV-Zuschuss des Arbeitgebers an die externe Unterstützungskasse, aus der später Kapital- oder Rentenzahlungen erfolgen. Die Zahlungen des Arbeitgebers sind eine abzugsfähige Betriebsausgabe. Aus dem Modell ergeben sich für Unternehmen steuerliche Vorteile. Und: Im Vergleich zu einer bAV mit Direktzusage sind keine Rückstellungen in der Bilanz zu bilden beziehungsweise darin auszuweisen. Lediglich im Anhang braucht es einen Hinweis, dass das Unternehmen eine Unterstützungskasse nutzt und diese zu einem bestimmten Betrag unterdeckt ist, weiß Gradehandt. Die Unterstützungskasse kann das Geld dem Unternehmen wiederum als Darlehen zur Verfügung stellen. Auf diese Weise nutzt der Arbeitgeber liquide Mittel für sich selbst. Er bekommt so einen günstigeren Zins als bei Banken und kann Investitionen beispielsweise in Anlagen tätigen. Ebenso wissen Mitarbeiter, dass ihr Geld im Unternehmen verbleibt.

„Die Vorteile ändern aber nichts an der Tatsache, dass der Arbeitgeber für die Versorgungsverpflichtung verantwortlich ist“, sagt Gradehandt. Am Ende müssen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, damit Mitarbeiter mit Renteneintritt ihre Altersvorsorge erhalten. Es gehe also nicht darum, nur die ersten Jahre der Anwartschaftsphase zu sehen, in denen Unternehmen an Liquidität gewinnen. Vielmehr müsse man ebenso an die später zu leistenden Rentenzahlungen denken. Ein weiteres Risiko sieht der Experte in der zeitlichen Unsicherheit hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung. So enden die Rentenzahlungen der Unterstützungskasse erst mit dem Tod des Versorgungsberechtigten oder gegebenenfalls von dessen Hinterbliebenen. Die durchschnittliche Lebenserwartung lässt sich zwar berechnen, aber wie alt jemand tatsächlich wird, ist natürlich nicht abzusehen. Erreichen Rentenbezieher also ein besonders hohes Alter oder gehen Ansprüche auf Hinterbliebene über, muss der Betrieb weitaus mehr zahlen als ursprünglich angenommen. Das kann zu einer hohen finanziellen Belastung führen, die Großunternehmen vielleicht stemmen können, Kleinere aber herausfordern. Sollte es zu einer Insolvenz kommen, sind die Versorgungsansprüche auf Mitarbeiterseite durch den Pensionssicherungsfonds abgedeckt.

Die Mehrheit der Arbeitgeber entscheidet sich für klar kalkulierbare Kapitalzusagen – also eine Einmalzahlung bei Renteneintritt – statt für eine Rentenzahlung. So bleiben unerwartet lange Versorgungsansprüche aus.

Wahl zwischen Kapital- und Rentenzusage

Risiken bestehen aus Sicht von Verbandsvorstand Baier eher nicht. Jeder Arbeitgeber wisse, wann er welche Beträge zu zahlen hat – genau wie bei der Rückzahlung eines Darlehens.Bei Einführung einer Unterstützungskasse berechne das Unternehmen, welchen Zins es anbiete und ob dieser zu erwirtschaften sei. „An einer pauschaldotierten Unterstützungskasse beteiligen sich durchschnittlich 70 bis 80 Prozent der Mitarbeiter“, berichtet Baier aus seinen Erfahrungswerten. Gebe der Arbeitgeber einen 50-prozentigen Zuschuss, liege der Anteil höher. Allerdings ist im Vorfeld nicht konkret abzusehen, welchen Entgeltbetrag ein Mitarbeiter umwandelt. Gleiches gilt hinsichtlich der Lebenserwartung. Dabei helfen Szenario-Analysen, sagt Baier. Solche Berechnungen könne man auch vorsichtig angehen und mit längeren Bezugszeiträumen rechnen, so dass Unternehmen auf der sicheren Seite seien. Darüber hinaus merkt er an, dass sich die Mehrheit der Arbeitgeber für klar kalkulierbare Kapitalzusagen – also eine Einmalzahlung bei Renteneintritt – entscheidet statt für eine Rentenzahlung. So bleiben unerwartet lange Versorgungsansprüche aus. Wichtig beim Einrichten einer bAV über die Unterstützungskasse: Es ist festzulegen, ob zwischen Kapital- und Rentenzusage ein Wahlrecht besteht und wem es obliegt – dem Arbeitgeber oder Mitarbeiter. Für Baier sind Rentenzusagen eher etwas für Großunternehmen, der Mittelstand sollte eher auf Kapitalzusagen setzen, weil eine Kalkulierbarkeit gegeben ist. Das Wahlrecht auf Arbeitgeberseite könne zusätzlich absichern. Es komme immer auf die individuelle Ausgestaltung der bAV an.

Das Maschinen- und Anlagebauunternehmen NMH bietet seinen rund 100 Mitarbeitern seit dem Jahr 2013 bAV über eine pauschaldotierte Unterstützungskasse an. Etwa 40 Prozent der Belegschaft beteiligen sich daran. „Anfangs waren wir stolz, dass wir als Mittelständler ein solches Modell nutzen“, sagt Alexander Frick, Geschäftsführer bei NMH. Schließlich könne ein Großunternehmen eine Unterstützungskasse besser stemmen. An sich ist Frick von dem Modell überzeugt, hinterfragt es derzeit jedoch kritisch. Auslöser dafür sind Änderungen der Gesetzeslage in den vergangenen Jahren. So bestehen beispielsweise seit Anfang 2018 für arbeitgeberfinanzierte Versorgung neue Unverfallbarkeitsfristen. Demnach bleiben Ansprüche erhalten, wenn die Zusage seit drei Jahren besteht und Arbeitnehmer mindestens 21 Jahre alt sind. Zuvor war es ein Zeitraum von fünf Jahren und ein Mindestalter von 25. Aus Sicht des Geschäftsführers haben sich die Gesetze zum Nachteil des Modells geändert. Es sei keine Verlässlichkeit hinsichtlich der Rechtslage mehr gegeben. Momentan bewertet er das unternehmerische Risiko als stark angestiegen. Wenn der Staat die Bedingungen ändere, gelte dies in der Regel für alle Verträge – auch für bestehende. Seine Sorge richtet sich insbesondere auf das Wahlrecht zwischen Kapital- und Rentenzusage. Dieses liege aktuell bei ihm als Arbeitgeber. Sein Risiko ist also kalkulierbar. „Doch wer gibt mir eine Garantie, dass es nicht zu weiteren Gesetzesänderungen kommt, die dann auch rückwirkend gelten?“, fragt Frick. Er befürchtet finanzielle Nachteile für das Unternehmen.

Gradehandt sieht die bAV mit Unterstützungskasse eher nicht bei kleineren Unternehmen. Der Grund: Sie müssen die langfristigen Leistungen entsprechend selbst vorhalten und tragen hohe Versorgungsrisiken. „Letztendlich hängt die Entscheidung aber immer davon ab, welches Risiko ein Unternehmen übernehmen möchte und welchen Nutzen es darin sieht“, sagt der Bereichsleiter. Er empfiehlt eine Abwägung, ob bilanzmäßige Auswirkungen von Relevanz sind. Alternativ zur Unterstützungskasse lohne sich ein Vergleich externer bAV-Lösungen. Schließlich spiele bei der Entscheidung auch der Administrationsaufwand eine Rolle, der je nach Modell stark variieren könne.

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Sven Lechtleitner, Foto: Privat

Sven Lechtleitner

Journalist
Sven Lechtleitner ist freier Wirtschaftsjournalist. Er hat ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie ein Fernstudium Journalismus an der Freien Journalistenschule in Berlin absolviert. Von November 2020 bis Juli 2022 war er Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager.

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