Verlängerung der Probezeit während der Corona-Pandemie

Arbeitsrecht

1. Problemstellung

Bei Arbeitgebern besteht in der Regel das Interesse einen neuen Arbeitnehmer im Hinblick auf dessen Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und auch Teamfähigkeit zunächst zu erproben. Die Zielsetzung „Erprobung des Arbeitnehmers“ kann einerseits durch die Vereinbarung einer Befristung mit Sachgrund (vgl. dazu den Sachgrund der Erprobung §14 Abs.1 S.2 Nr.5 TzBfG) oder einer Befristung ohne Sachgrund (§ 14 Abs. 2 TzBfG) verfolgt werden. Andererseits ist im befristeten sowie auch im unbefristeten Arbeitsverhältnis eine Zeit zur Erprobung des Arbeitnehmers bereits von Gesetzeswegen vorgesehen. Diese Zeit zur Erprobung (im Folgenden „Wartezeit“) besteht, da der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz erst eintreten kann, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate bestand (§ 1 Abs. 1 KSchG). Ohne den allgemeinen Kündigungsschutz kann eine Kündigung ausgesprochen werden ohne, dass sie durch einen Kündigungsgrund gerechtfertigt sein muss. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber hinaus ausdrücklich eine sogenannte Probezeit, so wird durch diese Vereinbarung zusätzlich bewirkt, dass die Kündigungsfrist während der Probezeit auf bis zu zwei Wochen reduziert werden kann (§622 Abs. 3 BGB). Da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne den allgemeinen Kündigungsschutz kündigen kann, ohne dass dafür ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund bestehen muss, ist das Ziel des Arbeitgebers erfüllt, eine Möglichkeit zur Erprobung des Arbeitnehmers zu erhalten.

Was ist aber, wenn der Arbeitnehmer während der Wartezeit keine Arbeitsleistung erbringen kann und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich nicht erproben kann? In der Vergangenheit wurde in Fällen, in denen zum Beispiel der Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses längere Zeit erkrankt war, eingewendet, dass die gesetzlich vorgesehene Wartezeit von sechs Monaten unter diesen Umständen nicht ausreicht, um die Leistungsfähigkeit, die Zuverlässigkeit und auch die Teamfähigkeit des Arbeitnehmers valide einschätzen zu können.

Eine ähnliche Interessenlage besteht aktuell auch in der Corona-Pandemie. Viele Arbeitgeber konnten und können bei neu eingestellten Arbeitnehmern die Leistungsfähigkeit, die Zuverlässigkeit und auch die Teamfähigkeit nicht ausreichend erproben, da die Arbeitnehmer bedingt durch Kurzarbeit überhaupt nicht oder nur in einem begrenzten zeitlichen Umfang eingesetzt wurden oder werden.

Aus diesem Grund stellt sich die Frage, auf welchem Weg die Wartezeit rechtlich zulässig und wirksam verlängert werden kann.

2. Das sollten Arbeitgeber nicht tun!

Bei einem ersten unvoreingenommenen Blick erscheint es zwar naheliegend, dass der Arbeitgeber sich einfach mit dem Arbeitnehmer einigt, die Probezeit zu verlängern und dass diese Vereinbarung festgehalten wird. Vereinbarungen mit diesem Inhalt sind in der Praxis auch durchaus anzutreffen. Bei einer solchen Vereinbarung ist aber zu bedenken, dass der allgemeine Kündigungsschutz zwingendes Recht darstellt. Von dem allgemeinen Kündigungsschutz darf daher nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Es steht daher nicht in der Disposition der Arbeitsvertragsparteien den allgemeinen Kündigungsschutz erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen zu lassen. Eine einfache Verlängerung der Wartezeit kann nicht wirksam vereinbart werden.

Ebenso naheliegend und ebenso wenig als Lösung zulässig ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer innerhalb der Probezeit kündigt und dann einen neuen Arbeitsvertrag abschließt. Bei einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang behandelt die Rechtsprechung beide Arbeitsverhältnisse als Einheit. Die Dauer des ersten Arbeitsverhältnisses würde bei der Frage, ob die Wartezeit erfüllt ist, also mitberücksichtigt werden. Der Zeitraum zur Erprobung des Arbeitnehmers kann in der Regel also auch nicht auf diese Weise verlängert werden.

Im Einzelfall und in sehr engen Grenzen kann allenfalls erwogen werden, dass das Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt oder dass nach der Kündigung ein neues befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen wird. Allerdings kann es sich nicht um ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis handeln. Dem steht das Vorbeschäftigungsverbot (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG) entgegen. Es muss also ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG bestehen. Der Sachgrund der Erprobung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG) wird dabei aber kaum in Betracht gezogen werden können, da dieser Sachgrund nach der Rechtsprechung in der Regel nur eine Befristung von bis zu sechs Monaten rechtfertigt. Eine länger andauernde Befristung wurde nur anerkannt, wenn im Einzelfall eine zuverlässige Beurteilung des Arbeitnehmers aufgrund der Anforderungen des Arbeitsplatzes in kürzerer Zeit nicht möglich war. Eine Umwandlung in ein befristetes Arbeitsverhältnis oder der Neuabschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses ist somit mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden und kann bei Unwirksamkeit der Befristung dazu führen, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschutz besteht.

3.Das kann der Arbeitgeber tun

Obwohl die Verlängerung der Probezeit auf den naheliegenden Wegen nicht erreicht werden kann, besteht in der Praxis ein nicht unerhebliches Bedürfnis nach einer rechtswirksamen und weitgehend rechtssicheren Möglichkeit, im Einzelfall Probezeitverlängerungen zu gestalten. Die Rechtsprechung hatte auch aus diesem Grund schon einige Konstellationen zu bewerten und meinte letztlich zu zwei Vorgehensweisen, dass die Probezeiten im Einzelfall so faktisch verlängert werden kann.

  • Anerkannt hat die Rechtsprechung, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abschließen können, bei dem die Beendigung nicht zum nächsten zulässigen Kündigungstermin erfolgen soll, sondern zu einem späteren Zeitpunkt der nach dem Ablauf der Wartezeit liegt. Der Zeitraum der Kündigungsfrist, der über dem nächsten zulässigen Kündigungstermin liegt, entspricht dann der verlängerten Zeit zur Erprobung.

Möchte der Arbeitgeber nach der verlängerten Zeit zur Erprobung das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen, so endet das Arbeitsverhältnis aufgrund des Aufhebungsvertrages zum Zeitpunkt, der im Aufhebungsvertrag festgelegt worden ist. Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der verlängerten Zeit der Erprobung die Zusammenarbeit doch fortsetzen, können sie den Aufhebungsvertrag aufheben und das Arbeitsverhältnis fortsetzen.

  • Alternativ zum Aufhebungsvertrag hat die Rechtsprechung auch anerkannt, dass der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen kann, die ebenfalls nicht zum nächsten zulässigen Kündigungstermin ausgesprochen wird, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, der nach Ablauf der Wartezeit liegt. Wiederum entspricht der Zeitraum, der über dem nächsten zulässigen Kündigungstermin liegt, der verlängerten Zeit zur Erprobung. Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der verlängerten Zeit zur Erprobung doch fortsetzen, so können sie dies vereinbaren.

Da die Verlängerung des Zeitraums zur Erprobung durch die beiden Gestaltungsvarianten im Grenzbereich zur Umgehung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG und damit des zwingenden allgemeinen Kündigungsschutzes anzusiedeln ist, fordert das Bundesarbeitsgericht für die Wirksamkeit der beiden Gestaltungen, dass vier wesentliche Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Aufhebungsvertrag muss noch während der Wartezeit abgeschlossen worden sein beziehungsweise die Kündigung muss dem Arbeitnehmer noch während der Wartezeit zugehen.
  • Der verlängerte Zeitraum der Erprobung muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) „überschaubar“ Nur bei einer überschaubaren Verlängerung kann der Zweck der zusätzlichen Erprobung in angemessener Weise erfüllt werden. Das BAG hat nicht beanstandet, dass der Zeitraum der Erprobung um bis zu vier Monate verlängert worden ist. Welcher Zeitraum im Kontext des konkreten Arbeitsverhältnisses noch als überschaubar gelten kann, ist vom Einzelfall abhängig und muss anhand der Besonderheiten des Einzelfalls geprüft und eruiert werden.
  • Dem Arbeitgeber muss an dem Aufhebungsvertrag beziehungsweise der Kündigung gelegen sein, da der Arbeitgeber die Probezeit nicht als bestanden ansieht. In den Augen des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer noch nicht ausreichend bewährt haben. Der Arbeitgeber muss daher auch beabsichtigen, das Arbeitsverhältnis noch während der Probezeit ordentlich zu kündigen. Die verlängerte Zeit zur Erprobung soll dazu dienen, dem Arbeitnehmer eine weitere Bewährungschance zu geben, die erwarteten Leistungen während der verlängerten Probezeit doch noch zu erbringen.
  • Der Arbeitgeber muss beabsichtigen und dem Arbeitnehmer in Aussicht stellen, ihn wiedereinzustellen, wenn er sich während der verlängerten Probezeit bewährt und die Erwartungen erfüllt.

Um diesen Anforderungen aus der Rechtsprechung des BAG gerecht zu werden und um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, sollten die Rahmenbedingungen im Aufhebungsvertrag (zum Beispiel in der Präambel) beziehungsweise im Kündigungstext transparent zum Ausdruck gebracht werden.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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