Verfall von Urlaubstagen bei Arbeitsunfähigkeit

Arbeitsrecht

Nicht genommene Urlaubstage verfallen nach Ansicht des BAG bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Gilt dies auch, wenn der Arbeitnehmer nicht vom Arbeitgeber darauf hingewiesen wird? Diese Frage hat das BAG nun mit Beschlüssen vom 7. Juli 2020 (9 AZR 401/19 und Az. 9 AZR 245/19) in zwei Fällen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der EuGH soll nun die Frage klären, ob und wann der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers verfallen kann, wenn im Laufe des Urlaubsjahres eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit bestand oder eine volle Erwerbsminderung eingetreten ist.

In einem der Verfahren war die Klägerin seit dem Jahr 2017 krankheitsbedingt durchgehend arbeitsunfähig. 14 Urlaubstage hatte sie aus dem Urlaubsjahr 2017 nicht genommen. In dem weiteren Verfahren bezieht der als schwerbehindert anerkannte Kläger seit Dezember 2014 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung und macht 34 Resturlaubstage aus dem Jahr 2014 geltend. Die Arbeitgeber hatten in beiden Fällen weder aufgefordert, den Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann.

Dagegen wurde arbeitgeberseitig unter anderem eingewandt, dass der Verfall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres unabhängig von der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten eintritt, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen langandauernd außerstande ist seinen Urlaub anzutreten. Die ersten beiden Instanzen (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24. Juli 2019 – 5 Sa 676/19; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. März 2019 – 9 Sa 145/17) hatten die Klage jeweils abgewiesen.

Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Das BAG hatte bisher aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 06.11.2018 (Az.:C-684/16) eine Hinweispflicht des Arbeitgebers angenommen und die Ansicht vertreten, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht genommen hat, obwohl ihn der Arbeitgeber vorher konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann.

Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer gesundheitsbedingt im Urlaubsjahr an seiner Arbeitsleistung gehindert war, sei laut BAG die EuGH-Entscheidung vom 22.01.2011 (Az. C-214/10) dahingehend zu verstehen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen.

Der EuGH soll nun klären, ob der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten auch dann verfällt, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflicht nicht erfüllt hat, weil es nach Ansicht des BAG dabei auf die Auslegung von Unionsrecht ankommt. Das BAG wies außerdem darauf hin, dass die beiden Kläger ihren Urlaub vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätten nehmen können.

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Claudine Gemeiner, Foto: Privat

Claudine Gemeiner

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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