Entschädigung bei Diskriminierung von Bewerbern

Arbeitsrecht

Hintergrund:

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trat am 18. August 2006 mit dem Ziel in Kraft, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Im Falle einer Diskriminierung können Betroffene, gestützt auf das AGG, seitdem materielle oder immaterielle Schadensersatzansprüche geltend machen. Insbesondere bei Stellenbewerbern war die Höhe eines solchen Anspruchs bisher umstritten. Das AGG begrenzt den Anspruch bei einer Nichteinstellung auf maximal drei Monatsgehälter. Hier schafft das BAG mit dem Urteil vom 28. Mai 2020, 8 AZR 170/19, nun Klarheit.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse. Im Frühjahr 2017 schrieb sie für ihr Team im Bereich Gesundheitsmanagement eine Stelle als „Mitarbeiter DRG-Abrechnung und Qualitätssicherung (m/w)“ aus. Die Vergütung der ausgeschriebenen Stelle hätte 3.383 Euro brutto monatlich betragen. Der Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. In seinen Bewerbungsunterlagen war ein deutlicher Hinweis darauf vorhanden, dass er mit einem GdB von 50 schwerbehindert ist. Nach § 82 Satz 2 SGBIX aF müssen schwerbehinderte Menschen bei einem öffentlichen Arbeitgeber, wie der Beklagten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Gleichwohl wurde der Kläger nicht eingeladen.

Hiergegen klagte der Kläger vor dem Arbeitsgericht und machte die Zahlung einer Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 9.846 Euro geltend. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro nebst Zinsen zu. Daraufhin legte der Kläger Revision beim BAG ein.

Entscheidung:

Das BAG entschied, dass die Entschädigung auf 5.100 Euro festzusetzen ist, und begründete dies wie folgt: Dieser Betrag entspricht ca. 1,5 Bruttomonatsentgelten der ausgeschriebenen Stelle. Die Entschädigung nach §15 Abs. 2 AGG hat eine Doppelfunktion. Sie dient einerseits der vollen Schadenskompensation und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Bei der Bestimmung der angemessenen Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden nach § 15 Abs. 2 AGG steht den Gerichten ein weiter Ermessensspielraum zu. Allerdings darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Im Rahmen der Bemessung des Entschädigungsanspruchs erfolgt eine Abwägung zwischen den jeweiligen Parteiinteressen unter Berücksichtigung des Diskriminierungsschutzes. Die Entschädigung nach §15 Abs. 2 AGG muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte gewährleisten. Zudem muss die Härte der Sanktionen der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Der Umfang des immateriellen Schadens, den der erfolglose Bewerber bzw. die erfolglose Bewerberin erfährt, hängt nicht davon ab, ob die Stelle befristet oder unbefristet war.

Fazit:

Es ist davon auszugehen, dass sich die Festsetzung einer Entschädigung von ungefähr 1,5 Bruttomonatsentgelten für die Diskriminierung von Stellenbewerbern als Regelwert auch in der unterinstanzlichen Rechtsprechung etablieren wird. Gleichwohl stellt dies nur einen groben Richtwert dar, von dem eine Abweichung in besonderen Fallkonstellationen interessensgerecht sein kann.

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Dr. Dietmar Olsen Foto: Michael Westermann

Dietmar Olsen

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Huber Dr. Olsen Kanzlei für Arbeitsrecht
Dr. Dietmar Olsen ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Huber Dr. Olsen in München.

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