Corona-App: Darf der Ar­beitgeber sie anordnen?

Arbeitsrecht

Bund und Länder in Deutschland haben erste Schritte auf dem Weg raus aus der Corona-Krise bekanntgegeben. Kürzlich präsentierte auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen konkreten Punkteplan mit klaren und verbindlichen Maßnahmen für Arbeitgeber. Doch nicht nur klare Anforderungen im Bereich Hygiene spielen dabei eine bedeutende Rolle. Geht es nach dem Bundesgesundheitsminister, könnte eine „Corona-App“ bald ein wichtiger Teil der Exit-Strategie sein. Was digital und fortschrittlich klingt, kann für Arbeitgeber, die eine solche App in ihrem Unternehmen einsetzen wollen, jedoch schnell zum rechtlichen Boomerang werden. Wir sprachen dazu mit Antje-Kathrin Uhl, Partnerin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Frau Dr. Uhl, vielen sehen die Einführung einer Corona-App als wichtigen Schritt, um aus der Corona-Krise zu kommen. Auch erste Unternehmen zeigen Interesse an einer solchen App für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Warum?
Antje Kathrin Uhl: Auch Unternehmen haben ja, wie wir alle, ein enormes Interesse daran, die Ausbreitung des Virus so gering wie möglich zu halten. Nicht nur kann es einen wirtschaftlichen Verlust bedeuten, wenn wegen eines infizierten Arbeitnehmers ganze oder große Teile der Belegschaft in Quarantäne müssen. Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Beschäftigten auch eine Fürsorgepflicht und muss darauf achten, dass der Arbeitsplatz für alle sicher ist. Eine Corona-App erleichtert es, rechtzeitige Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Der Bundesgesundheitsminister hat immer wieder betont, dass die Nutzung einer solchen App freiwillig erfolgen sollte. Kann der Arbeitgeber daher eine Nutzung einer solchen App überhaupt anordnen und damit den Arbeitnehmer in die Pflicht nehmen?
Das ist eine gute Frage. Wir kommen zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber die Nutzung der App mindestens auf dem Diensthandy auch einseitig anordnen kann. Es ist hier zu unterscheiden, ob der Staat die Pflicht hoheitlich einführt oder ob Grundlage ein Vertrag ist, zu welchem zunächst einmal beide zugestimmt haben.

Durch den Arbeitsvertrag wird dem Arbeitgeber ein Direktionsrecht in Bezug auf die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses zugestanden. Dieses Recht ist natürlich nicht unbegrenzt. Eine Grenze stellt zum Beispiel typischerweise das Privatleben der Mitarbeiter dar. Nun ist es aber wesentlich nützlicher die App rund um die Uhr zu nutzen, um eine präzise Risikoeinschätzung zu ermöglichen. Bestenfalls sollte der Arbeitgeber also auch die Nutzung in der Freizeit anordnen können. Dies ist dann möglich, wenn der Bezug zum Betrieb hergestellt ist und bei einer Interessenabwägung die Schutzinteressen des Unternehmens die Interessen des Arbeitnehmers an Freizeit und Privatheit deutlich überwiegen. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht einer Anordnung der App-Nutzung durch den Arbeitgeber ein staatlicher Freiwilligkeitsvorbehalt nicht entgegen.

Dürfte eine Empfehlung des Arbeitgebers zur Installation einer solchen App auch das private Handy einschließen?
Hier wird es schwieriger. Wie bereits erwähnt, ist das private Leben des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht vom Direktionsrecht umfasst. Um die Installation und Nutzung auf dem privaten Mobiltelefon verpflichtend zu gestalten, ist daher eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer darüber zu treffen.

Unabhängig davon darf der Arbeitgeber aber natürlich unverbindliche, aber dringende Empfehlungen aussprechen. Die können dann auch das private Handy einschließen.

Wie verhält es sich mit Nutzung einer solchen App in Berufen, in denen eine höhere Gefahr der Infektion besteht, so zum Beispiel im Bereich der Krankenpflege oder bei Ärzten?
Die Frage wäre für mich, ob die App hier überhaupt sinnvolle Ergebnisse liefert. Die App soll den Nutzern ja sagen, ob sie Kontakt mit einer infizierten Person hatten. Im Krankenhaus wissen Ärzte und Pfleger aber bereits meistens, dass sie mit Infizierten in Kontakt waren. Solange die App hier nicht auch die Hygiene- und Schutzmaßnahmen bewerten kann, bringt sie Arbeitgeber und Beschäftigten keine neuen Erkenntnisse.

Sinnvoller wäre die App in Berufen mit hohem Kundenverkehr. Hier besteht das Risiko, dass die Beschäftigten mit vielen unbekannten Personen in Kontakt treten, was das „händische“ Ermitteln von Infektionsketten deutlich erschwert. Die App hilft hier den Beschäftigten und dem Betrieb dann, wenn auch eine signifikante Anzahl der Bevölkerung die App nutzt.

Gerade in größeren Unternehmen spielt der Betriebsrat eine zentrale Rolle. Kommen bei der Frage nach der Nutzung einer Corona-App auch den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats eine besondere Bedeutung zu?
Auf jeden Fall! Die Nutzung der App betrifft das Verhalten der Arbeitnehmer und fällt deshalb unter das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Es empfiehlt sich aber auch unabhängig von der Corona-App mit dem Betriebsrat eine freiwillige Vereinbarung gem. § 88 Nr. 1 BetrVG über alle Maßnahmen zum Schutz gegen das Corona-Virus zu treffen.

Selbst wenn eine solche App in einem Unternehmen oder Betrieb breit genutzt wird, steht immer noch die Frage der Datennutzung beziehungsweise Verarbeitung im Raum. Worauf muss der Arbeitgeber datenschutzrechtlich dabei achten und welche Konsequenzen drohen bei Verfehlungen?
Bis jetzt hatten wir besprochen, wie und warum die Nutzung der App angeordnet werden kann. Diese hat aber natürlich nur dann Sinn, wenn die Warnungen der App auch ernst genommen werden und zu Schutzmaßnahmen führen. Dazu ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber Kenntnis von Risiken in Bezug auf eine Ausbreitung des Virus erlangt. Eine Infektion mit dem Corona-Virus muss nach unserer Einschätzung unaufgefordert angezeigt werden. Diese Pflicht ist nicht direkt auf die Warnungen der App übertragbar, da noch keine unmittelbare Gefahr vorliegt. Allerdings kann der Arbeitgeber danach fragen und der Mitarbeiter muss dann auch im betrieblichen Interesse die Risikomitteilung der App bekannt geben.

Sowohl die eigentliche Infektion als auch die Warnungen aus der App sind personenbezogene Daten. Diese dürfen vom Arbeitgeber zum Zweck der Schutzmaßnahmen erhoben und auch gespeichert werden, aber nur so lange dies erforderlich ist. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen § 26 Abs. 5 BDSG, Art. 5 DSG-VO vor, der bußgeldbewehrt sein kann. Wichtig ist also, dass die Daten unverzüglich und unaufgefordert gelöscht werden, sobald sie nicht mehr benötigt werden.

© CMS

Zur Gesprächspartnerin:

Dr. Antje-Kathrin Uhl ist Partnerin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie fokussiert sich in ihrer Praxis auf das Kollektivarbeitsrecht. Uhl begleitet unter anderem Unternehmen in der Vorbereitungs- und Umsetzungsphase von Umstrukturierungen und übernimmt hier insbesondere die Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren

Weitere Artikel