Warum wir ein neues Führungsverständnis brauchen

Leadership

Aufgrund des heute permanent vorherrschenden Veränderungszwangs von Unternehmen sehen sich Führungskräfte zunehmend einer immer stärkeren Verdichtung von Arbeit ausgesetzt – und haben damit weniger Zeit für Führung. Gleichzeitig liegt aber der entscheidende Werttreiber für geschäftlichen Erfolg bei der Produktivität der Mitarbeiter. Entscheidend ist darum: Manager müssen ihre knapp bemessene Zeit für Führung künftig effizienter nutzen. Ein Leitfaden.

Der einflussreiche amerikanische Management-Vordenker Stephen Covey hat einst herausgearbeitet, dass bei rund 70 Prozent der Unternehmen mit Performance-Problemen die Ursache dafür nicht in einer falschen Strategie an sich begründet war, sondern dass die vorhandene Strategie mangelhaft umgesetzt worden ist. Sollbruchstelle ist in vielen Fällen ein falsches Führungsverhalten der Manager. Denn sie sind es, die an vorderster Stelle die Umsetzung der Geschäftsstrategie verantworten. Die notwendige Performance können sie aber nur dann abliefern, wenn ihre Mitarbeiter mit ihnen an einem Strang ziehen.

Doch Führungskräfte sind heute häufig zerrissen zwischen operativen Notwendigkeiten und ihrer Verantwortung für Steuerung, Entwicklung und Potenzialentfaltung ihrer Mitarbeiter. Das liegt vor allem daran, dass aufgrund der sich ständig verändernden Rahmenbedingungen Veränderungsprojekte nicht mehr singulär durchgeführt werden, sondern dass der Wandel in Unternehmen permanent – zum Dauerzustand – geworden ist. Die Taktung wird damit immer höher und Führungskräfte müssen gleichzeitig den Erfolg von Projekten und Alltagsbetrieb gewährleisten können. Die menschliche Neigung, das nächste Arbeitsergebnis höher als das individuelle Mitarbeiter-Coaching zu priorisieren, liegt nahe. Denn im Zweifel wollen zunächst die Bedürfnisse der Vorgesetzten, erst dann der Mitarbeiter befriedigt werden. Faktisch belegen Studien, unter anderem die Studie „Die strategische Bedeutung des Mittelmanagements“ aus unserem Hause, dass leitende Manager gerade einmal 20 Prozent ihrer Zeit für Führungsaufgaben zur Verfügung haben.

Das Problem: Echte Performance-Steigerung funktioniert aber ausschließlich über die Produktivkraft der Mitarbeiter.

Wie lässt sich dieses Dilemma nun beheben? Dass Führungskräfte künftig mehr Zeit für Führung haben werden, wirkt eher illusorisch als plausibel. Scheint doch Veränderungs- und Performance-Druck nicht abzunehmen, sondern eher noch zu steigen. Dementsprechend muss es für die Manager darum gehen, ihre knappe Zeit möglichst so effizient einzusetzen, dass sie die Chance haben, das Produktivpotenzial ihrer Mitarbeiter so weit wie möglich zu entfalten. Dies bedarf einer Neudefinition des Führungsverständnisses.

1. Führung muss Ergebnisse produzieren

Experten und Literatur haben schon vielfach diskutiert, wie Führung aussehen soll: Von kooperativ über autokratisch bis hin zu hierarchielos gibt es viele Denkschulen. Die meisten dieser Ansätze sind jedoch vom Verhalten der Führungskraft, nicht vom Ziel her gedacht. Vielleicht auch, weil das Ziel fast schon banal erscheint – und gerade darum immer wieder sträflich in Vergessenheit gerät: Führung soll Ergebnisse produzieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Nur darauf sollten sich Führungskräfte konzentrieren, nur daran sollten sie gemessen werden. So lange Manager nicht grundsätzlich amoralisch oder gar gegen das Gesetz handeln, sollte die Unternehmensspitze die Führungskraft so sein lassen, wie sie tatsächlich ist und die besten Ergebnisse erzielt. Beim einen kann dies der eher hierarchische, beim anderen eher der kooperative Ansatz sein. Dies muss jeder für sich selbst im Wirkungszusammenhang mit seinem Team herausfinden. Immer unter der Prämisse: Wie erziele ich die besten Ergebnisse in kurz-, mittel- und langfristigem Zeitraum. Letzteres schließt aus, dass eine kurzfristige Ergebnisfokussierung auf Kosten von Mitarbeitern und damit mittel- bis langfristiger Produktivität geht.

Alle anderen Facetten, mit denen nicht die besten Ergebnisse erzielt werden, sollten Führungskräfte ausblenden. Und sich stets bewusst sein: Was bei ihrem unmittelbaren Kollegen und seinem Team funktioniert, muss noch lange keine Blaupause für den eigenen Erfolg sein. Letztere ist stets individuell. Diese gilt es zu finden.

2. Führung ist Dienstleistung am Mitarbeiter

Führungskräfte erwarten sehr häufig, dass ihre Mitarbeiter sich auf sie einstellen. Eine faire Erwartungshaltung. Ob sie aber stets zweckdienlich ist, die besten Ergebnisse zu produzieren, muss doch in Zweifel gezogen werden. Denn wenn es Ziel von Führung ist, Ergebnisse zu produzieren, dann lässt sich dies nur über Mitarbeiter und Team erreichen. Und um hier das Maximum an Potenzial zu entfalten, müssen vor allem Führungskräfte sich auf ihr Team einstellen. Und nicht anders herum. So ist es auch ihr Job, ihre Mitarbeiter zu bewerten, ihre Arbeit zu kontrollieren und Spielregeln der Zusammenarbeit aufzustellen.

Viel mehr Zeit sollten sie aber auf die Fragestellung verwenden: Was benötigen meine Mitarbeiter von mir als Führungskraft, um ihre optimale Produktivität zu erreichen? Damit dreht sich ein oft vorherrschendes Denkmodell. Führung wird so zur Dienstleistung am Mitarbeiter, der diesen befähigt, seine optimale Performance abzuliefern. Starke Führungskräfte sind damit heute starke Coaches, die ihre Mitarbeiter dazu bringen, das Richtige zu tun. Und keine Aufpasser, die sich vor allem darauf konzentrieren, dass ihr Team keine Fehler macht.

3. Führung braucht individuelles Coaching

Individuelles und zielgerichtetes Coaching ist die einzige Möglichkeit, nachhaltige und deutliche Performance-Steigerungen der Mitarbeiter zu erzielen. Nur die pro-aktive Befähigung von Mitarbeitern führt dazu, dass ihre Produktivitätssteigerung sich langfristig niederschlägt und nicht kurzfristig verpufft.

Dazu ist es wichtig, ein genaues Bild der eigenen Mannschaft, die individuellen Stärken und Schwächen der Mitarbeiter vor Augen zu haben. Und zu hinterfragen: Wer ist Top-Performer, wer ist auch über einen längeren Zeitraum nicht in der Lage, Schritt zu halten – und wer liegt im Mittelfeld? Gerade letzteres ist es, auf das Führungskräfte einen Großteil ihrer Zeit konzentrieren sollten. Denn in vielen Fällen ist mittelmäßige Leistung kein Ausdruck von Unvermögen. Vielmehr liegen hier häufig Potenziale verborgen, die bisher nicht abgerufen worden sind. Stärken, die nicht zum Ausdruck kommen konnten. Und vermeintliche Schwächen, die nicht behoben wurden, obwohl sie einfach zu korrigieren gewesen wären.

So individuell die Stärken- und Schwächenprofile der Mitarbeiter, so individuell sollte auch das Coaching stattfinden. Eins ist aber stets zu gewährleisten: Das Schwimmen-Lernen funktioniert nun einmal nur im Wasser. Coaching sollte darum so nah wie möglich an der Praxis und den täglichen Aufgabenstellungen stattfinden. Um möglichst rasch gemeinsame Erfolge zu erzielen. Und damit den Grundstein für die Motivation zu weiterem Lernen zu setzen.

4. Führung funktioniert nur mit strukturiertem Prozess

Gerade aufgrund der beschriebenen Zeitknappheit, sind Führungsprozesse möglichst zeiteffizient und zugleich effektiv zu gestalten. Zunächst aber sind sie überhaupt einmal zu definieren. Denn oftmals findet Führung ohne klaren Kompass statt. Meetings werden ad hoc anberaumt, es gibt keine geordneten Rituale und Rhythmen von Führung. Manager sollten darum genau definieren: Wie viele Abteilungs-Meetings sind notwendig? Wie viele Gruppen-, wie viele Einzelgespräche? Wie sollten diese Gespräche strukturiert werden, um möglichst rasch auf den Punkt – Arbeitsergebnisse – zu kommen? Welche Vorbereitung ist dazu seitens der Mitarbeiter zu leisten, welche seitens der Führungskraft selbst? Getreu dem Motto „Quatschen sie noch oder arbeiten sie schon?“ sollten Führungskräfte ihre bisherige Meeting-Kultur hinterfragen und Gespräche künftig straffer führen.

Ohne übrigens die Möglichkeit des aufgelockerten Gesprächs ganz abzuschaffen. Denn Menschen brauchen so etwas. Auch das zu erkennen ist Führungsaufgabe. Und es dann schlau in die Dialogprozesse mit den Mitarbeiter als eigenen Baustein einzubauen notwendige Bedingung, um trotz aller Arbeitsverdichtung und Effizienzstrebens die Mitarbeiter menschlich nicht zu verlieren.

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Stephan Penning

Geschäftsführender Gesellschafter
Penning Consulting

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