Teambuilding mit Adrenalin-Faktor

Recruiting

Viele Unternehmen setzen bei Teambuilding-Maßnahmen auf eine Extraportion Action und schicken ihre Mitarbeiter
in Hochseilgärten, zum Quadfahren oder auf Wakeboards.Was das bringt – und wer sich bereits getraut hat.

„Ich hoffe, ihr habt keine Höhenangst …“ – wenn der Chef diesen Satz ausspricht, ist allen Beteiligten klar: Das nächste Team-Event steht an. Während das bei vielen für Vorfreude sorgt, treibt es einigen Kollegen den Angstschweiß auf die Stirn. Denn sie wissen: Die Adrenalin-Skala kennt nach oben keine Grenze. Wer im Kletterwald auf zehn Metern Höhe balanciert, sich aus einem abgeschlossenen Escaperoom befreit oder einen Bungeesprung vom Dach des Firmengebäudes wagt, muss ohne Frage seine Komfortzone verlassen.

Team-Events gehören mittlerweile fest zum Repertoire vieler Firmen, sind Bestandteil der Geschäftsjahresplanung, das Budget dafür ist als fixer Posten eingeplant. Doch gerade weil sie so beliebt sind, gilt immer öfter das Motto: schneller, höher, weiter. Eine Studie der Vogelsänger Studios aus dem Jahr 2018 unter 800 Beschäftigten zeigt, dass sich 37 Prozent der Mitarbeiter bei Team-Events Show und Entertainment wünschen. Kein Wunder also, dass Erlebnisgeschenkanbieter wie Jochen Schweizer und Mydays ihr Angebot längst auf Unternehmenskunden ausgeweitet haben und Firmen bei der Planung und Umsetzung von Team-Events beraten. Dazu kommen unzählige Dienstleister,die sich auf Betriebs­ausflüge mit Adrenalin-Garantie spezialisiert haben.

 

Sie argumentieren: Herausfordernde Aktivitäten wirken sich positiv auf die Einstellung der Mitarbeiter aus – sie fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber verbundener und haben mehr Freude bei der Arbeit. Das hat Mydays im Jahr 2014 in einer Fallstudie mit dem Münchener Sportprodukte­anbieter Keller Sports herausgefunden. In dem Versuch schickte Keller Sports kurz zuvor eingestellte Mitarbeiter in einen Hochseilgarten, in dem sie verschiedene Aufgaben lösen mussten.

Der Clou: Nur gemeinsam konnten sie diese bewältigen. „Jemandem, den man noch nicht lange kennt, sein Leben anzuvertrauen, war eine seltsame Erfahrung“, berichtet Graziano Cardi, Head of SEA bei Keller Sports. „Hat man diese Erfahrung in zehn Meter Höhe einmal gemacht, erscheint es danach mit festem Boden unter den Füßen viel einfacher, Aufgaben im Team zu lösen.“ Solche Grenzerfahrungen zahlen also auch auf das Zusammenhaltskonto ein – eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Kurzum: Angst schweißt zusammen. Eine Übersicht über Teambuilding-Events mit Adrenalin-Garantie:

Für Einsteiger: Segeltörn in Holland

© HDNET

Angstfaktor:☠
Kosten: €€€

Auf der Suche nach Adrenalin verlassen manche Firmen sogar die Bundesrepublik. Der westfälische Softwareentwickler HDNET beispielsweise hat seine Mitarbeiter anlässlich des 15-jährigen Firmenjubiläums nach Holland auf das Plattbodenschiff „Radboud“ geladen (im Bild). Auf dem Programm stand ein dreitägiger Segeltörn auf dem Ijsselmeer, inklusive zwei Übernachtungen in Kajüten. Doch von Platzangst und seekranken Mitarbeitern keine Spur: Das junge Team – die Mitarbeiter von HDNET sind im Schnitt unter 30 Jahre alt – verlässt häufig seine Komfortzone. „Wir machen jedes Jahr im Sommer gemeinsam einen Ausflug, und da geht es meist sportlich zu“, sagt Softwareentwickler Tim Lochmüller.

Obwohl die Mitarbeiter stets ein Mitspracherecht bei den Betriebsausflügen haben, geht Geschäftsführer Eike Diestelkamp mit gutem Beispiel voran und gibt die eine oder andere Inspiration: Er ist Triathlet und sucht stets die sportliche Herausforderung. Kein Wunder also, dass die Liste an Teambuilding-Events mit Adrenalin bei HDNET lang ist. Die Mannschaft war bereits Wakeboarden, ist Quad und Kart gefahren, hat Lasertag gespielt und sich im Freizeitpark Phantasialand vergnügt. Das Resultat ist immer gleich: Das Team geht gestärkt aus der gemeinsamen Aktivität hervor – das oberste Ziel der Erlebnispädagogen. Da die Mitarbeiter gleich mehrere Tage gemeinsam verbringen, lernen sie sich aus einer anderen Perspektive kennen – und entwickeln mehr Verständnis füreinander.

Kosten pro Mitarbeiter: ab 70 Euro

Für Fortgeschrittene: Der Hochseilgarten

© Frechverlag

Angstfaktor:☠☠
Kosten: €

Klar, wer Höhenangst hat, kommt hier nicht auf seine Kosten. Doch in der Reihe Adrenalin-gespickter Betriebsausflüge ist der Hochseilgarten vergleichsweise harmlos. Der Stuttgarter Frechverlag hat sich kurz vor den Sommerferien an Parcours in luftiger Höhe versucht: Beim Betriebsausflug ging es für rund 50 Mitarbeiter in den Hochseilgarten des baden-württembergischen Freizeitparks Rutesheim (Foto). Der Trip wurde nicht von der Chefetage verordnet, die Mitarbeiter konnten selbst über Ausflugsziel und Aktivität abstimmen. „Wir sind ein relativ junges Team, im Schnitt Mitte 30“, sagt Personalreferentin Astrid Hertkorn. „Deswegen machen wir Ausflüge mit Bewegung und Adrenalin.“

Ihr Tipp: Es schadet nicht, auch eine Alternative in petto zu haben. Zum Beispiel für Kollegen mit Höhenangst. Wer sich nicht auf die Höhenparcours traute, konnte beim Betriebsausflug ein Outdoorescapegame spielen. „Zwei Drittel der Mitarbeiter waren aber Klettern“, sagt Hertkorn. Für die Personalerin war der Tag gleich mehrfach ein voller Erfolg: „Die Mitarbeiter sitzen den ganzen Tag am Schreibtisch. Da ist es wichtig, dass sie auch mal rauskommen und sich bewegen.“ Und: Das Erfolgserlebnis, wenn man einen Parcours geschafft hat, wirkt noch lange nach, ist sich Hertkorn sicher. Sie erzählt, es sei sogar ein regelrechter Wettbewerb unter den Mitarbeitern entbrannt, wer alle Parcours im Klettergarten schafft. „Viele erzählen auch heute noch von diesem Erlebnis.“

Kosten pro Mitarbeiter: 30 Euro für zwei Stunden

Für Hartgesottene: Rollerfahren in Rom

© One Two Social

Angstfaktor:☠☠☠
Kosten: €€€

Wer schon einmal Rom besucht hat, weiß: Der Verkehr in der italienischen Hauptstadt ist nichts für Zögerliche. Motorräder schlängeln sich waghalsig durch die Auto­karawanen, überall hupen Autos, die Straßen sind verstopft. All das hielt die Social-Media-Agentur One Two Social nicht davon ab, am bunten Treiben auf den Straßen Roms teilzuhaben. Für ihr jährliches Strategiemeeting, für das die Agentur immer in eine andere Stadt fährt, entschied sie sich nicht für eine normale Stadtrundfahrt, sondern dafür, Rom mit Motorrollern zu erkunden (im Foto das Team).

Vorneweg fuhr der Tourguide, gefolgt von 19 Rollern mit je zwei Agenturlern. „Einige Mitarbeiter hatten durchaus Angst“, sagt der Personalverantwortliche Tobias Joachim. „Die meisten saßen noch nie auf einem Roller – und dann gleich in Rom. Das war eine Feuertaufe.“ Der Angstfaktor war vor allem bei einem Kollegen groß. Denn der hatte bereits einen Rollerunfall gehabt und wollte partout nicht aufsteigen. „Doch das Team-Event zu verpassen war für ihn keine Option“, sagt Joachim. Ein Kollege, der schon viel Erfahrung im Rollerfahren hat, konnte ihn dann schließlich überzeugen, mit ihm durch die Stadt zu fahren.

Jedes Jahr unternimmt die Agentur anlässlich ihres Strategiemeetings einen besonderen Betriebsausflug. Wohin es geht, entscheidet Joachim gemeinsam mit den Geschäftsführern Helge Ruff und Markus Dickhardt. „Wir unternehmen immer so verrückte Ausflüge“, sagt Joachim und lacht. So war das Team bereits beim Wakeboarding, spielte Paintball und turnte gemeinsam im Trampolinpark. Joachim ist sicher: „In Extremsituationen wächst man zusammen. Und am Ende hat man monatelang lustige Anek­doten zu erzählen.“ Auch der Recruiting-Effekt sei nicht zu unterschätzen. „Je ausgefallener das Event, desto eher erzählen die Mitarbeiter ihren Freunden davon. Mund-zu-Mund-Empfehlung ist ja immer eine der wirksamsten Employer-Branding-Maßnahmen.“

Kosten pro Mitarbeiter: ab 70 Euro

Für Extreme: Base Flying

Angstfaktor:☠☠☠☠
Kosten: €€

Während einigen schon bei einer Achterbahnfahrt die Nerven blank liegen, können andere gar nicht genug Adre­nalin abbekommen. Für Hartgesottene gibt der Markt ebenfalls einiges her. So wie das sogenannte Base Flying: Hier geht es in fast freiem Fall kopfüber in die Tiefe – gesichert an einer Abseilwinde. „Bieten Sie Ihren Mitarbeitern die Chance, den Kopf mal richtig frei zu bekommen“, heißt es beispielsweise bei Jochen Schweizer. 125 Meter tief stürzen sich Base Flyer vom Dach des Berliner Park-Inn-Hotels am Alexanderplatz. Die Zielrichtung: Wer sich überwindet, in den Abgrund zu springen, arbeitet an seiner mentalen Stärke, die im stressigen Berufsalltag ein wichtiger Bestandteil ist. Denn die baut sich auf, indem man das eigene Selbstvertrauen stärkt. Der Angstfaktor ist hier allerdings überdurchschnittlich hoch: Gebucht habe dieses Event noch keine Firma, sagt Jochen Schweizer.

Kosten pro Mitarbeiter: 50 Euro

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Anna Friedrich, Foto: Privat

Anna Friedrich

Redakteurin
Wortwert
Anna Friedrich arbeitet seit 2017 bei wortwert in Köln. Sie schreibt regelmäßig für den HRM.

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