Sollte BMW sein Personal datenbasiert managen?  

Personalmanagement

BMW will pauschal die Arbeitszeiten und Gehälter seiner Mitarbeiter kürzen. Ein notwendiger Schritt? Nicht unbedingt, sagt Prof. Jens Grundei.

Tausende von Mitarbeiter bei BMW müssen Kürzungen ihrer Arbeitszeiten und damit auch Gehälter hinnehmen. Ist dieser Schritt in Zeiten des konjunkturellen Rückgangs unvermeidbar?
Prof. Jens Grundei: Ja und Nein. Ob es unvermeidbar ist, ist ja vor allem eine strategische Frage, also in welchem Umfang man sich noch mit den bisherigen oder künftig auch mit neuen Produkten am Markt halten kann. Aus Sicht des Human Resource Managements stellt sich primär die Frage nach der sinnvollen Umsetzung erforderlicher Kapazitätsanpassungen und damit nach der strategischen Personalplanung.

War es nicht geschickt, hier flexible, also zeitlich befristete Vertragsgestaltungen vorzunehmen und nun bei vielen Arbeitsplätzen fünf Wochenstunden Arbeitszeit zu kürzen?
Grundsätzlich ist es liquiditätsschonend und damit zweckdienlich. Ich sehe das Problem jedoch grundlegender: Aus meiner Sicht sind hier nach der Darstellung nun tausende Arbeitsplätze pauschal und abrupt in gleicher Weise von einer Kürzung betroffen. Das ist nicht untypisch in solchen Situationen – im Zweifel wird über die Gesamtbelegschaft hinweg eine pauschale Kürzung vorgenommen, quasi mit dem Rasiermesser.

Was ist daran falsch?
Nun ja, bei näherem Hinsehen wäre es ja geradezu überraschend, wenn plötzlich die Leistungen aller Organisationseinheiten im exakt gleichen Verhältnis weniger gefragt wären. In vielen krisenhaften Situationen kann man erwarten, dass man sich von manchen Einheiten vorübergehend sogar einen größeren Beitrag wünschen würde. Der Vertrieb müsste nun eigentlich sogar Überstunden machen. Welchen Sinn sollte es haben, dass auch die Verkäufer sich nun noch weniger um Kunden kümmern oder die Entwickler sich weniger intensiv um Innovationen kümmern?

Das klingt plausibel – warum macht man das nicht?
Über Motive möchte ich hier nicht spekulieren. Zweifellos hat man aber vielfach das Problem, dass die tatsächliche Verteilung von Kapazitäten auf Aufgaben gar nicht so genau bekannt ist – um es mal diplomatisch auszudrücken. Darüber hatte ich im August 2019 erstmalig einen Artikel zu einem aufgabenbasierten Ansatz zur Unternehmensanalyse und -steuerung veröffentlicht. Wer kann heute schon genau angeben, wie viele Mitarbeiter an genau welchen Aufgaben arbeiten und dabei genau welche Kosten produzieren – und zwar nicht nach irgendwelchen Schätzungen oder Durchschnittswerten, sondern auf der Grundlage von tatsächlichen Ist-Daten?

Aber ist es nicht genau das, was die ERP-Anbieter wie SAP, Peoplesoft oder Workday tun?
Jein. Grundlegende Daten wie Aufgabenbeschreibungen aus Stellenkatalogen und Personalvollkosten sind hinterlegt. Auch gibt es in der Regel eingeführte Prozesskostenrechnungsansätze. Allerdings sind diese unverbunden und Sie können mit diesen Daten bisher KI-basiert wie mit IBMs „Watson“ nur grobe Analysen und Voraussagen zu den Personen treffen – aber kaum zur tatsächlich zu leistenden Arbeit. Und um die geht es am Ende, mit dieser verdient das Unternehmen, hier BMW, das Geld. Und genau diese Aufgaben und ihre nachgefragte Menge sind es, die sich verändern – und in der Folge dann zu Meldungen wie der obigen führen. Mein Kollege Dave Ulrich hat in diesen Zusammenhang im März 2019 in einem Fachartikel ebenfalls klar herausgestellt: Erst strategische Aufgabenplanung – dann strategische Personalplanung.

Was kann HR also tun?
HR muss sich diesen Herausforderungen stellen und sehen, dass die Digitalisierung hier riesige Chancen bietet, die Funktion neu aufzustellen: Es ist heute auf der Grundlage geeigneter Methoden eben auch möglich, quasi ein digitales Abbild der Organisation mit allen Aufgaben, Kapazitäten, realen Kosten und sämtlichen Bezügen zu Organisationsstrukturen und Prozessen zu schaffen. Und dies sollte heute eigentlich Grundlage einer jeden transparent geführten Transformation sein, egal ob Wachstum, Restrukturierung oder strategische Neuausrichtung. Wenn HR derartige Ansätze nutzt, können strategische Personalplanung, agile Organisationskonzepte, neue Führungsansätze und Vergütungssysteme sowie weitere wichtige HR-Aufgaben auf ein neues Level gehoben werden – und HR wird zum echten Business Partner.

 

© Quadriga

Prof. Dr. Jens Grundei ist Professor für Corporate Governance & Organization an der Quadriga Hochschule Berlin; er ist dort verantwortlich für das Vertiefungsprogramm „Organization Design“. Sie erreichen den Verfasser unter jens.grundei@quadriga.eu.

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