PR-Branche: Mit dem Nachwuchs reden wäre eine gute Idee

Employer Branding

PR-Agenturen kommunizieren exzellent mit allen Stakeholdern. Nur beim eigenen Nachwuchs treffen sie nicht den richtigen Ton. Das scheint sich zu ändern.

Sollen es 2.000, 4.000 oder 5.000 Euro im Monat für Berufsanfänger in der PR sein? Eine aufgeheizte Diskussion, die emotional, aber wenig konstruktiv immer um dasselbe Thema kreiste, das war das Highlight auf dem PR Report Camp am 13. November in Berlin. Das Aufbegehren der anwesenden Studierenden („wir haben nicht jahrelang studiert, um dann wieder bei Null anzufangen“) wurde gekontert durch eine eher defensive Präsidentin der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA), die bekannte Standpunkte wiederholte. Es wird Zeit, den Kreis zu durchbrechen – und zur Abwechslung statt über den Nachwuchs mit dem Nachwuchs zu sprechen. Und den Dialog auf andere Themen auszuweiten.

Je höher das Gehalt, desto besser?

Einige Unternehmen präsentierten sich auf dem PR Report Camp wie auf einem Basar. So richtig wertschätzend fand ich dieses gegenseitige Überbieten gegenüber dem Nachwuchs nicht. Denn die PR-Studierendeninitiativen hatten deutlich erklärt, dass es nicht nur ums Geld geht. Und damit liegen sie auf einer Linie mit den meisten arbeitenden Menschen: Das Gehalt muss stimmen – oder besser, als „stimmig“ und „angemessen“ empfunden werden. Ist das der Fall, dann zählen für die (zukünftigen) Mitarbeiter andere Faktoren: Unternehmenskultur, Führung, Förderung, Weiterbildung, Team, Verantwortung. Allein deshalb ist ein Bieterwettkampf nach dem Modell Ebay wenig sinnvoll. Und: Wer will schon Mitarbeiter haben, die nur wegen der Höhe des Gehalts bei einem Unternehmen anfangen? Diese allerdings grottenschlecht bezahlen zu wollen, weil man ja stattdessen „ganz viel Wertschätzung“ für sie übrig hat, das ist ein in der PR bekanntes, aber wenig attraktives Modell.

Nachwuchsschelte versus Employer Branding-Kampagne

Noch ist nicht ganz klar, ob das bei der GPRA so angekommen ist. Überhaupt passt momentan in der PR-Welt vieles nicht so recht zusammen. Da lamentieren die Agenturen über fehlende Skills der zukünftigen Beraterinnen und Berater und weisen anklagend mit dem Finger auf die Universitäten. Diese hätten versagt. Ein Agenturchef verkündete dem Nachwuchs auf dem PR Report Camp wenig charmant: Dessen an den Hochschulen erworbene Kenntnisse seien veraltet. So kann man das auch formulieren, wenn man wirklich keinerlei Nachwuchsprobleme hat. Warum dann aber eine „Employer Branding-Kampagne“ auflegen, die es in diesem Jahr immerhin in die Shortlist der HR Excellence Awards geschafft hat?

Die auf dem PR Report Camp erneut aufgewärmte Diskussion über die Kompetenzen des Nachwuchses sollte so langsam ihren Abschluss finden. Ist es die Aufgabe der Hochschulen, ihren Studierenden jede möglicherweise im Berufsleben irgendwann einmal erforderliche Kompetenz mitzugeben? Bei der in der Branche üblichen Halbwertszeit von Skills? Was für eine sinnlose Verschwendung von Zeit und Ressourcen, wenn dem wirklich so wäre. Gespräche der Agenturen mit den Hochschulen sind bitter nötig und sie wurden ja endlich von der GPRA angekündigt.

Train for skills, hire for attitude – auch in der PR

„Train for skills, hire for attitude“ – diese Weisheit aus HR gilt heute mehr denn je – vor allem für die Agenturen. Sollte nicht das Augenmerk darauf gelegt werden, dass Bewerber „lediglich“ das nötige Handwerkszeug mitbringen und dann die in einem spezifischen Job erforderlichen Skills vor Ort lernen? In der Agentur? „Innerbetriebliche Weiterbildung“, das klingt schon so nach letztem Jahrtausend. Trotzdem gibt es Agenturen, die auf so etwas Wert legen. Und nennen wir das Kind zeitgemäß „Corporate Learning“, dann geht da noch viel mehr. Es gibt heute Lernsysteme, die auf die besondere Arbeitsweise in den Agenturen wie zugeschnitten sind. Und: Wie steht es denn um die Beratung an sich, die Feinheiten, die Empathie, das Zwischenmenschliche, das trittsichere Agieren im Kontakt mit den Kunden? Können die Hochschulen das vermitteln? Sollten sie das tun? Mentoring ist in vielen Agenturen durchaus ein Begriff – und würde sich hier anbieten. Plus reichlich Berufspraxis.

Onboarding und Talent Management sind durchaus ein Begriff

Wie steht es um das Einfügen des Nachwuchses in die Welt einer bestimmten Agentur, in deren Kultur – und zwar selbstbewusst, mit Ideen und viel Wissen aus dem Studium? Was machen denn die Agenturen in dieser Hinsicht, um sich und den Berufsanfängern den Einstieg der geschätzten neuen Kräfte, das gemeinsame Arbeiten befruchtend und für beide Seiten bereichernd zu gestalten? Die Antwort aus meiner Sicht: Die machen schon eine ganze Menge.

Es gibt Agenturen, die sich sehr minutiös um das Onboarding kümmern. Wahrscheinlich auch in der GPRA. Talent Management – das ist in GPRA-Agenturen ebenfalls kein Fremdwort. Darüber hatte ich mit einem Agenturchef auf dem PR Report Camp gesprochen. Und: Hatte die Agentur der GPRA-Präsidentin Christiane Schulz nicht soeben, am 30. November, bei den HR Excellence Awards in der Rubrik „Neue Arbeitswelten“ einen Award errungen? Know-how und Best Cases sind also unbestreitbar da. Die Agenturen kommunizieren allerdings nicht (immer), was sie tun. Das sollten sie.

Den Blick aus den Silos wagen

Sie wären überdies gut beraten, sich auch in Sachen Personal mit der Außenwelt kurzzuschließen und neugierig über den Tellerrand zu schauen. Reißt die Silos ein, lautet die Forderung in der Kommunikationswelt. Das bedeutet, sich aus geliebten Komfortzonen zu wagen. In allen Bereichen. Der Markt will das so, auch beim Werben um Nachwuchs. Was eigentlich hindert die Agenturen daran, sich auch ganz vorsichtig einmal daran zu orientieren, was die großen Unternehmensberatungen etwa im Recruiting, im Onboarding, in der Personalbindung unternehmen? Oder gar die „ganz normalen“ Unternehmen?

Einen Tag vor dem PR Report Camp, am 12. November, war ich auf der Tagung Onboarding bei Quadriga. Wenn ich dort höre, wie sich Beratungen wie etwa Ernst & Young auf den Nachwuchs und dessen erste Schritte an Bord in der Beratung vorbereiten, dass Prozesse bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sind, dann ist das beeindruckend – aber nicht überraschend. So ein Vorgehen ist auch sonst deren Job. Man muss das nicht kopieren, kann sich aber daran orientieren. Denn deren Probleme dürften sich mit denen der Kommunikationsberatungen teilweise decken.

Impulse geben aber auch Unternehmen, von denen man das als Berufskreativer vielleicht nicht auf Anhieb erwarten würde. Wie sympathisch-liebevoll beispielsweise Ernstings Family den Newcomern den Weg ins Berufsleben ebnet, das kann durchaus ein Modell für andere Unternehmen sein – und für Agenturen.

Mit dem Nachwuchs sprechen – es bewegt sich etwas

Die HR-Branche konsumiert Unmengen an Studien zu den Präferenzen der Bewerber. Aus gutem Grund, denn daran orientiert sich die Arbeitgeberkommunikation. Ganz nebenbei: Die letzte derartige Studie in der PR war das „PR Karrierebarometer 2014“ des PR Career Centers. Da geht also noch etwas. Die PR-Studierendeninitiativen würden sich solche Gespräche über ihre Vorlieben, ihre Werte wünschen. In Berlin hatten sie sehr deutlich betont, dass es nicht nur um das Gehalt, sondern vor allem um Wertschätzung geht. Ein Gesprächsangebot? Auf jeden Fall! Nach einer solchen Kommunikationsbereitschaft potenzieller Bewerber würden sich andere Branchen die Finger lecken. Es wird Zeit, dass die GPRA mit dem Nachwuchs redet, nicht über ihn. Seit kurzem zeichnet sich denn auch ein Umdenken im Verband ab. Dieser wird mit einer der Studierendeninitiativen ein Pilotprojekt auflegen und Formate diskutieren, wie Studierende in die Gestaltung des Berufseinstiegs einbezogen werden könnten. Ein überfälliger und wichtiger Schritt. Auf geht’s!

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Helge Weinberg

Journalist
Helge Weinberg ist Journalist aus Hamburg. Er schreibt unter anderem für den Human Resources Manager, den Crosswater Job Guide und diverse Fachmedien.

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