Nicht ohne Anerkennung oder Arbeitserlaubnis

Arbeitsrecht

Der Flüchtlingsstrom hält an. Im Kontext einer möglichen Integration ergeben sich neben praktischen Herausforderungen auch rechtliche Fragestellungen. Unternehmen, die Flüchtlinge beschäftigen wollen, müssen dabei besondere Anforderungen beachten.

Bevor man sich mit den verschiedenen rechtlichen Hürden auseinandersetzt, empfiehlt es sich, den allgemein verwendeten Begriff des „Flüchtlings“ zu konkretisieren. Drei Fallgruppen sind zu unterscheiden:

Anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis: Menschen, über deren Asylantrag positiv entschieden wurde und die eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erhalten haben.

Asylsuchende: Menschen mit Aufenthaltsgestattung, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Geduldete: Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber nicht abgeschoben werden können.

Anerkannte Flüchtlinge: Menschen mit Aufenthaltserlaubnis dürfen jeder Beschäftigung nachgehen. Arbeitgeber müssen nur die Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes einhalten und sich frühzeitig Dokumente über den Status des Bewerbers vorzeigen lassen und prüfen, ob der Aufenthaltstitel Beschränkungen der Arbeitserlaubnis enthält. Darüber hinaus muss er eine Kopie der Aufenthaltserlaubnis aufbewahren – entweder elektronisch oder in Papierform.

Die Besonderheiten bei der Beschäftigung von Asylsuchenden und Geduldeten sind Gegenstand der folgenden Ausführungen.

Wohnverpflichtung

Asylsuchende und Geduldete müssen zunächst eine bestimmte Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Die Höchstdauer dieser Wohnverpflichtung wurde durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz von drei Monaten auf sechs Monate und für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, sogar bis zum Abschluss des Asylverfahrens verlängert.

Solange die Wohnverpflichtung besteht, ist eine Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Asylsuchende dürfen lediglich „1-Euro-Jobs“ in der Erstaufnahmeeinrichtung selbst, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung und gegebenenfalls auch bei anderen öffentlichen Einrichtungen, nachgehen, da diese nicht als Beschäftigung gelten. Seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 24. Oktober 2015 können zudem Asylsuchende, die über eine abgeschlossene ärztliche Ausbildung verfügen, in die medizinische Erstversorgung von anderen Asylsuchenden in der Erstaufnahmeeinrichtung eingebunden werden. Möglich ist zudem eine sogenannte Hospitation in einem Betrieb, da diese – anders als ein Praktikum – nicht als Erwerbstätigkeit gilt. Im Rahmen einer Hospitation können Arbeitgeber einem Asylsuchenden oder Geduldeten als „Gast“ Kenntnisse über die betrieblichen Abläufe vermitteln. Der Asylsuchende oder Geduldete kann dabei den regulär Beschäftigten „über die Schulter“ schauen, darf selbst aber keine Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert erbringen und erhält auch kein Entgelt.

Wartefrist

Parallel zur Wohnverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung läuft eine Wartefrist von drei Monaten, nach der eine Arbeitserlaubnis frühestens erteilt werden kann. Die Frist beginnt mit der Registrierung in Deutschland. Praktisch kommt die Wartefrist nur dann zum Tragen, wenn der Asylsuchende die Erstaufnahmeeinrichtung vor Ablauf von drei Monaten verlassen kann.

Verfahrensvoraussetzungen für den Arbeitsmarktzugang

Zuständig ist die örtliche Ausländerbehörde. Diese kann unter bestimmten Voraussetzungen die Arbeitserlaubnis zu einer konkreten Beschäftigung erteilen. Intern beteiligt die Ausländerbehörde in der Regel die Bundesagentur für Arbeit (BA) und fragt deren Zustimmung an (Zustimmungsverfahren). Zu diesem Zweck leitet die Ausländerbehörde die Pflichtangaben des Arbeitgebers über die geplanten Arbeitsbedingungen an die BA weiter. Die BA prüft dann zum einen, ob die Bedingungen nicht ungünstiger sind als für inländische Arbeitnehmer. Weiter führt sie eine sogenannte Vorrangprüfung durch. Dabei geht es um die Frage, ob die Stelle nicht mit einem EU-Bürger oder einem Ausländer mit dauerhaftem Aufenthaltsstatus besetzt werden kann. Die Zustimmung der BA und damit die Erteilung der Erlaubnis durch die Ausländerbehörde scheitert in der Praxis am häufigsten an dieser Vorrangprüfung.

Die Vorrangprüfung entfällt nur, erstens wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Blauen Karte EU“ (Details zur Blauen Karte unter www.bamf.de), einschließlich des jährlichen Mindestbruttogehalts, erfüllt sind, zweitens es sich um Fachkräfte mit anerkannter, qualifizierter Berufsausbildung in sogenannten Engpassberufen nach der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit handelt (Positivliste unter: www.arbeitsagentur.de/positivliste) oder drittens der Aufenthalt in Deutschland einen Zeitraum von 15 Monaten überschreitet. Sind seit der Registrierung in Deutschland vier Jahre vergangen, entfällt die Beteiligung der BA vollständig. Die Ausländerbehörde entscheidet dann allein über die Erteilung der Arbeitserlaubnis und prüft dabei lediglich unter ausländerrechtlichen Gesichtspunkten.

Einstellung und Beschäftigung

Sobald die Ausländerbehörde, gegebenenfalls unter Beteiligung der BA, die Arbeitserlaubnis erteilt hat, kann die beantragte Beschäftigung ausgeübt werden. Asylsuchende und Geduldete können auch als geringfügig Beschäftigte auf 450-Euro-Basis eingestellt werden. Hier ergeben sich insoweit Besonderheiten, als Arbeitgeber keinen Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung zahlen müssen, da Asylsuchende und Geduldete in Deutschland in den ersten 15 Monaten nicht gesetzlich krankenversichert sind.

Seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes können Asylsuchende und Geduldete zudem in allen Fällen, in denen die Vorrangprüfung entfällt, Tätigkeiten als Zeitarbeitnehmer aufnehmen. Die Vorrangprüfung entfällt von Anfang an, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Blauen Karte vorliegen oder es sich um Fachkräfte in Engpassberufen handelt, sodass in diesen Fällen Zeitarbeit bereits unmittelbar nach Ablauf von Wartefrist und Wohnverpflichtung möglich ist. Praktisch relevant ist in diesem Zusammenhang allerdings vor allem der generelle Wegfall der Vorrangprüfung nach 15 Monaten.

Neben der Einstellung als Arbeitnehmer gibt es zahlreiche weitere Integrationsmöglichkeiten für Asylsuchende im Unternehmen. Diese sehen zum Teil vereinfachte Verfahrensvoraussetzungen vor:

Praktikum
Für die Aufnahme eines Praktikums gelten grundsätzlich die gleichen Verfahrensvoraussetzungen wie für die Aufnahme einer sonstigen Beschäftigung. Die Erlaubnis ist von der Ausländerbehörde einzuholen. Die Zustimmung der BA entfällt nur bei Pflichtpraktika, Praktika von bis zu drei Monaten zur Berufsorientierung und ausbildungsbegleitenden Praktika von bis zu drei Monaten. Soweit das Zustimmungsverfahren der BA entfällt, unterliegt das Praktikum auch nicht dem gesetzlichen Mindestlohn.

Ausbildung
Auch die Aufnahme einer Ausbildung bedarf der Erlaubnis der örtlichen Ausländerbehörde. Bei staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberufen entfällt das Zustimmungsverfahren der BA.

Bundesfreiwilligendienst
Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wurde die Möglichkeit eines Bundesfreiwilligendienstes mit Flüchtlingsbezug geschaffen. Ein Flüchtlingsbezug ist dabei zum einen dann gegeben, wenn durch die Tätigkeit Flüchtlinge unterstützt werden. Zum anderen kann sich der Bezug auch daraus ergeben, dass der Freiwillige selbst Asylsuchender mit dauerhafter Bleibeperspektive oder anerkannter Flüchtling ist. Aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms ist der Bedarf an Freiwilligen und Helfern hoch, so dass der neu geschaffene Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug voraussichtlich große praktische Bedeutung entfalten wird.

Gesetzesvorhaben zur besseren Integration in den Arbeitsmarkt

Ein konkretes Vorhaben zur besseren Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist die Digitalisierung des Asylverfahrens. Die Bundesregierung hat am 9. Dezember 2015 ein Gesetz zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz) beschlossen.

Das Gesetz zielt darauf ab, Asylsuchende sowie Personen, die unerlaubt nach Deutschland einreisen oder sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, früher als bisher zu registrieren. Außerdem sollen die in diesem Zusammenhang erfassten Informationen den berechtigten öffentlichen Stellen zentral in einem Kerndatensystem zur Verfügung gestellt werden. Zur besseren Identifizierung der Asylsuchenden erhalten diese künftig einen mit fälschungssicheren Elementen ausgestalteten Ankunftsnachweis. Dieser Ankunftsnachweis soll ab Februar 2016 bundesweit eingeführt werden. Neben den Grundpersonalien sollen dabei zusätzliche weitere Daten wie Schulbildung und Berufsausbildung sowie sonstige Qualifikationen, die für die schnelle Integration und Arbeitsvermittlung förderlich sind, gespeichert sein.

Der Kreis der Behörden, die Daten aus dem zentralen Kerndatensystem abrufen können, ist groß. Zugriff auf das System sollen neben den Sicherheitsbehörden insbesondere das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Aufnahmeeinrichtungen, die Ausländerbehörden, die Asylbewerberleistungsbehörden, die BA, die für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Stellen, sowie die Meldebehörden haben.
Diskutiert werden auch verschiedene andere Ansätze zur besseren Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Hierzu gehört die von der Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles geplante Abschaffung der Vorrangprüfung durch die BA, mit dem Ziel, das Antragsverfahren zu vereinfachen und die Mitarbeiter der BA zu entlasten.

Innerhalb der CDU ist zudem eine Debatte darüber entbrannt, ob zur schnelleren Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt der Mindestlohn ausgesetzt werden sollte. Es wird jedoch schwierig sein, einen Dispens, der nur für bestimmte Personengruppen gilt, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang zu bringen. Andrea Nahles befürchtet, dass eine Aussetzung des Mindestlohns für Flüchtlinge zu einem Einfallstor für Lohndumping werden könnte.

Ausblick

Da zum heutigen Zeitpunkt der Großteil der eingereisten Flüchtlinge noch in den Erstaufnahmeeinrichtungen lebt und daher noch keine Beschäftigung aufnehmen kann, werden sich die bürokratischen Herausforderungen für die Ausländerbehörden im Zusammenhang mit der Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen erst in den kommenden Monaten voll entfalten.

Ganz wesentlich für eine gute und schnelle Integration in den Arbeitsmarkt sind in jedem Fall die Integrations- und Deutschkurse, die den Flüchtlingen schon frühzeitig angeboten werden sollten. Von vielen Arbeitgebern wissen wir, dass es nicht an der Motivation der Flüchtlinge mangelt, eine Beschäftigung aufzunehmen. Vielmehr sind insoweit oft die fehlenden Sprachkenntnisse das größte Hemmnis.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Julia Tänzler-Motzek, Rechtsanwältin bei CMS

Julia Tänzler-Motzek

Rechtsanwältin und Senior Associate
CMS Hasche Sigle
Julia Tänzler-Motzek ist Rechtsanwältin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie ist im Bereich Arbeitsrecht tätig und berät Unternehmen insbesondere bei der Vertragsgestaltung sowie bei der Auslandentsendung von Mitarbeitern.

Weitere Artikel