Projekte souverän scheitern lassen

Leadership

Wahrhaben, dass ein Projekt gescheitert ist, ist schon schwierig genug. Zugeben, dass man Teil des gescheiterten Projekts ist, ist für viele Mitarbeiter beziehungsweise Projektleiter nahezu unmöglich. Deswegen wird möglichst lange der Kopf in den Sand gesteckt. Wird das Ende unumgänglich, wird extremsportartiges Finger-Pointing betrieben oder die plötzliche Flucht ergriffen – egal ob in den Urlaub oder vor den Stakeholdern. Plötzlich will man nie Teil des Projektteams gewesen sein. Doch nicht nur für die Einzelperson hat ein gescheitertes Projekt Folgen:

  • Vertragsstrafen,
  • nicht verlängerte Verträge für Projektmitarbeiter,
  • Krisenmeetings mit der Geschäftsführung

sind nur einige der weitreichenden Unannehmlichkeiten, die weit über das eigene Chaos hinausgehen. Lesen Sie im Folgenden eine Schritt-für-Schritt Anleitung wie Sie als Projektleiter möglichst unbeschadet ein Projekt scheitern lassen können.

Schritt 1: Erstellen Sie eine Exit-Strategie

Die Exit-Strategie darf bestenfalls nicht erst erstellt werden, wenn das Chaos bereits ausgebrochen ist. Jeder Pilot oder Kapitän hat Abläufe und Checklisten für den Extremfall. Die werden nicht erstellt, wenn der Kahn sinkt. Es lohnt sich also, einen Notfallplan bereits in der Planungsphase zu entwickeln. In diesem Plan sollten auch die klaren Kriterien enthalten sein, wann im Projekt auf den roten Knopf gedrückt wird. Diese Definition hilft einerseits gegenüber den Stakeholdern und gleichzeitig bei der projektinternen Diskussion. Wenn die Luft dünn wird, gehen die Meinungen im Projektteam gerne weit auseinander. Die einen wollen schon früh das Projekt scheitern lassen, andere wollen es künstlich am Leben halten.

Schritt 2: Fangen Sie das Team wieder ein

Ist ein Projekt nicht mehr zu retten, sind die ersten Anzeichen dafür bereits mehrere Wochen vor dem harten Aufschlag zu erkennen. Letzte Rettungsversuche sind bereits gescheitert, die Stimmung im Projektteam sinkt und jeder versucht, möglichst unbeschadet aus der Nummer herauszukommen.

Die Herausforderung für Projektleiter besteht darin, gemeinsam mit dem Team ein sauberes Ende zu finden. Sprechen Sie im Team-Meeting deshalb offen über die Lage. Sollten Sie noch keine Exit-Strategie haben, versuchen Sie spätestens jetzt gemeinsam eine tragbare Strategie zu finden. Wichtig ist, auch das Scheitern gemeinsam zu bewältigen. Machen Sie hierbei unbedingt deutlich, dass zusätzlich ein schlechtes Licht auf jeden Einzelnen fällt, wenn das Projekt fluchtartig verlassen wird und jeder seine persönlichen Gründe und Rechtfertigungen für den Misserfolg findet.

Ein Projekt scheitern zu lassen, ist ein Extremfall. Gleichzeitig aber die Kontrolle über das Team zu verlieren, zeugt von geringen Führungsqualitäten.

Schritt 3: Schaffen Sie Transparenz und koordinieren Sie das Ende

Selbst wenn Sie das Scheitern nicht verhindern können, erwarten Kunden, Kollegen und Auftraggeber zumindest Transparenz über die Entwicklung. Ein gescheiteres Projekt ist keine Glanzleistung. Es wird jedoch zum echten Karrieregrab, wenn der Projektleiter das Ende entweder nicht hat kommen sehen, oder gutgläubig und naiv bis zum letzten Tag versucht, es zu retten. Im schlimmsten Fall sogar ohne seinem Umfeld von der kritischen Lage zu berichten.

Von einem guten Projektleiter wird verlangt, dass er transparent kommuniziert und im richtigen Moment koordiniert die Reißleine zieht.

Schritt 4: Gehen Sie auf Ursachenforschung und erstellen Sie Maßnahmenpläne

Zuerst sollten im Team die Ursachen für den Misserfolg gesammelt und bewertet werden. Seitens des Managements sind viele Fragen nach dem Warum und Wieso zu erwarten. Außerdem gilt es, die bisherigen Maßnahmenpläne verständlich erklären zu können. Besonders die rechtzeitigen und konstruktiven Hinweise auf ein drohendes Projektende sollten dokumentiert sein.

Schritt 5: Folgeschäden vermeiden

Danach ist es wichtig, Folgeschäden durch das Projektende zu vermeiden. Planen Sie also genau, wer über das Projektende informiert werden muss, damit beispielsweise in anderen Unternehmensbereichen keine weiteren Projekt-Investitionen getätigt werden. Besonders gefragt ist in diesem Fall der juristische Rat von Experten, denn es müssen Verträge beendet werden und eine „große Maschine“ kontrolliert zum Stillstand gebracht werden.

Schritt 6: Chaos aufräumen

Vorletzter Schritt der Exit-Strategie ist das Aufräumen. Stellen Sie sich das Projekt wie eine Baustelle vor. Wenn Sie es schon nicht geschafft haben, das Bauwerk zu errichten, dann räumen Sie das Feld wenigstens organisiert und gewissenhaft. Wenn neben dem gescheiterten Projekt noch ein riesiges Chaos zurückbleibt, entsteht zusätzlich ein negativer Ruf. Hier wird das unbeliebteste Projektthema wieder relevant, die Dokumentation. Im Rückbau oder einer Rückabwicklung werden Ressourcen frei, die nicht einfach im Nirgendwo verschwinden dürfen. Darin liegt sogar eine kleine Chance zur Ergebniskosmetik. Vielleicht lassen sich Elemente der bisherigen Arbeit verkaufen oder wiederverwenden.

Schritt 7: Hallo Chef, ich habe fertig!

Im letzten Schritt steht der Gang nach Canossa an: das Management informieren. Sind die oben genannten Punkte sorgfältig vorbereitet, werden in aller Regel nicht gleich Köpfe abgerissen. Kleiner Tipp für den richtigen Zeitpunkt: Ein Projekt scheitern zu lassen ist eine emotionale Angelegenheit. Auch wenn der Chef bereits über die negative Entwicklung informiert ist, kann das finale Aus die Gemüter erhitzen. Wenn Sie am Donnerstag oder Freitag die schlechten Neuigkeiten überbringen, kann sich Ihr Chef am Wochenende ein bisschen beruhigen.

Zuzugeben, dass ein Projekt gegen die Wand gefahren ist, ist für alle Mitarbeiter unangenehm. Als starke Führungskraft sorgen Sie mit den genannten Schritten für ein souveränes Krisenmanagement: Das Projekt findet kontrolliert ein vorzeitiges Ende, Sie schaffen Transparenz und zeigen gleichzeitig durch die Ursachenforschung Ihr Verantwortungsbewusstsein und Ihre Weitsicht. So können Sie das Scheitern des Projekts auch als eigene Plattform für einen professionellen Umgang mit Krisen nutzen, was sicherlich auch bei Ihrem Vorgesetzten positiv in Erinnerung bleiben wird. Um nicht im nächsten Chaos-Projekt zu landen, achten Sie auf schon während der Initiierungsphase.


Wann ist das Pferd denn nun endlich tot?

Wann ein Projekt wirklich „tot“ ist, lässt sich mit einem Augenzwinkern aus einer uralten Weisheit der Dakota-Indianer ableiten, die folgende Thesen für das Reiten von toten Pferden aufgestellt haben:

  • Wir besorgen eine stärkere Peitsche.
  • Wir wechseln die Reiter.
  • Wir sagen: „So haben wir das Pferd doch immer geritten.“
  • Wir gründen einen Arbeitskreis, um das Pferd zu analysieren.
  • Wir besuchen andere Orte, um zu sehen, wie man dort tote Pferde reitet.
  • Wir erhöhen die Qualitätsstandards für den Beritt toter Pferde.
  • Wir bilden eine Task Force, um das tote Pferd wiederzubeleben.
  • Wir schieben eine Trainingseinheit ein, um besser reiten zu lernen.
  • Wir stellen Vergleiche unterschiedlicher toter Pferde an.
  • Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.
  • Wir kaufen Leute von außerhalb ein, um das tote Pferd zu reiten.
  • Wir schirren mehrere tote Pferde zusammen an, damit sie schneller werden.
  • Wir erklären: „Kein Pferd kann so tot sein, dass man es nicht doch motivieren könnte.“
  • Wir machen zusätzliche Mittel locker, um die Leistung des Pferdes zu erhöhen.
  • Wir machen eine Studie, um zu sehen, ob es billigere Berater gibt.
  • Wir kaufen etwas zu, das tote Pferde schneller laufen lässt.
  • Wir erklären, dass unser Pferd „besser, schneller und billiger“ tot ist.
  • Wir bilden einen Qualitätszirkel, um eine Verwendung für tote Pferde zu finden.
  • Wir überarbeiten die Leistungsbeschreibung für tote Pferde.
  • Wir richten eine unabhängige Kostenstelle für tote Pferde ein.
  • Wir besuchen teure Seminare um mehr über die Lebensgewohnheiten toter Pferde zu lernen.
  • Wir tauschen das tote Pferd gegen eine tote Kuh aus.
  • Wir beschäftigen externe Berater, die erklären, wir müssten Personal entlassen, um das tote Pferd preiswerter zum Traben zu bringen.
  • Wir outsourcen das tote Pferd. Der Subunternehmer kann es wahrscheinlich besser reiten.
  • Wir malen PowerPoint-Folien, die präsentieren, was das Pferd könnte, wenn es denn leben würde.
  • Wir erklären, dass ein totes Pferd von Anfang an unser Ziel war.
  • Wir legen das tote Pferd bei jemand anderem in den Stall und behaupten, es sei seines.
  • Wir bilden eine neue Abteilung und integrieren alle toten Pferde um Synergien zu nutzen.
  • Wir leugnen, jemals ein Pferd besessen zu haben.
  • Wir wechseln den Pferdelieferanten.
  • Wir suchen einen finanzstarken Partner und gründen zusammen mit dessen toten Pferden ein Joint Venture.
  • Wir bringen die toten Pferde unter einem phantasievollen Namen an die Börse.
  • Wir nennen das tote Pferd „Dead Horse Power“ und bieten es als neuestes Produkt auf dem zentralafrikanischen Markt an.
  • Wir tauschen das tote Pferd gegen ein anderes totes Pferd aus, dass laut Prognose schneller läuft.
  • Wir lassen den Stall renovieren.
  • Wir schlagen dem Personalrat vor, Leistungsanreize für tote Pferde einzuführen.
  • Wir starten einen internen Ideenwettbewerb zum Reiten toter Pferde.
  • Wir weisen den Reiter an, sitzen zu bleiben, bis das Pferd wieder aufsteht.
  • Wir überarbeiten die Dienstanweisung für das Reiten von Pferden.

Fazit: Ist das Pferd / Projekt wirklich tot, dann steigen Sie besser schnell mit der richtigen Strategie ab!


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Henryk Lüderitz, Führungskräftetrainer

Henryk Lüderitz

Führungskräftetrainer und Xing-Insider Henryk Lüderitz beschreibt die Herausforderung von jungen Führungskräften aus eigener Erfahrung. Zu seinen Kunden gehören VW, P&G bis hin zu mittelständischen Unternehmen. In seinen Seminaren, Vorträgen und Einzelcoachings unterhält, provoziert und begeistert er durch eine Kombination aus Fachwissen, Erfahrung und Humor. Auf seiner Website und in seinem Magazin The Young Professional informiert er regelmäßig über Karrierethemen für junge Fach- und Führungskräfte.

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