Laufen Start-ups dem deutschen Mittelstand den Rang ab?

Employer Branding

Die Zahl qualifizierter Arbeitnehmer soll in den nächsten Jahren weiter abnehmen. Schuld sind der Geburtenrückgang und die immer älter werdende Gesellschaft. Das wird zu einem erbitterten Kampf der Unternehmen um Talente und künftige Arbeitnehmer führen. Eine neue Studie hat nun untersucht, ob Start-ups dem deutschen Mittelstand bei der Akquise von qualifizierten Mitarbeitern dabei den Rang ablaufen könnten. Und wie KMU ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern können.

Die Bereitschaft für ein Start-up zu arbeiten nimmt zu

In Deutschland ist das Gründungsgeschehen aktueller denn je. Allein im Jahr 2017 wurden laut dem KfW-Gründungsmonitor ca. 76.000 Unternehmen mit einem innovativen Geschäftsmodell gegründet. Unabhängig von dem wahrnehmbaren Gründungsboom, zeigen Studien, dass bereits 2014 knapp 40 Prozent der befragten Studierenden sich vorstellen können, im Anschluss an Ihr Studium für ein Start-up als ersten Arbeitgeber zu entscheiden. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Zahl der Interessierten stetig zunimmt. 2017 gaben bereits 73 Prozent der befragten 18- bis 34-jährigen an, für ein junges Wachstumsunternehmen arbeiten zu wollen.

Bestehende Freiheiten im Unternehmen, das unternehmerische Wachstumspotenzial und die sichtbare Wirkung der erbrachten Arbeitsleistung auf die Unternehmensentwicklung gelten als Faktoren, die diese Unternehmen als Arbeitgeber besonders attraktiv machen.

Weitere Studien zeigen, dass Faktoren wie die Unternehmensgröße, das Gehalt oder sie Weiterbildungsmöglichkeiten für jüngere Arbeitnehmer eine zunehmend geringe Rolle spielen. Faktoren also, die bisher dafür sprachen, sich bei mittelständischen Unternehmen und Konzernen zu bewerben.

Welche Anreize von Start-ups in der Regel geboten werden, wird zwar häufig diskutiert, jedoch sind diese bisher nicht systematisch empirisch erfasst worden.

So präsentieren sich Start-ups in Stellenanzeigen

Tritt nun mit dem Aufkommen zahlreicher Neugründungen nebst den bekannten Konzernen ein neuer Wettbewerber im „War for Talents“ für den Mittelstand ein? Um diese Frage zu beantworten, wurden im Rahmen unserer Studie „Wie umkämpft ist der Arbeitsmarkt von morgen?“ insgesamt 99 Stellenanzeigen von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Start-ups hinsichtlich der angebotenen Anreize für Stellenbewerber analysiert.

Die Untersuchung zeigt, dass das bestehende Verständnis, welches der Laie gegenüber Start-ups zu besitzen vermag, tatsächlich nicht ganz unbegründet ist. So werden in 95 Prozent der untersuchten Stellenanzeigen von Start-ups das für sie typische Betriebsklima und ihre Unternehmenskultur, in 35 Prozent die bestehenden flachen Hierarchien und ihre Führungskultur sowie in 54 Prozent die flexiblen Arbeitszeiten beworben. In 38 Prozent der untersuchten Stellenausschreibungen offerieren Start-Ups ihren Mitarbeitern das unternehmerische Wachstumspotenzial und in 41 Prozent den direkten Einfluss gleisteter Arbeitsleistung auf die Unternehmensentwicklung. Kleine und mittlere Unternehmen preisen ihr Wachstumspotenzial mit 15 und 18 Prozent sowie den Einfluss der erbrachten Arbeitsleistung auf die Unternehmensentwicklung mit lediglich 7,5 und 5 Prozent in ihren Stellenanzeigen deutlich seltener an. Bei Betrachtung materieller Anreize fällt auf, dass Start-ups in ihren Stellenanzeigen, Gewinnbeteiligung etwas häufiger bewerben als langfristige Vorsorgeleistungen wie zum Beispiel die betriebliche Altersovorsorge.

Mancher Erwartungen zum Trotz wird in immerhin 32 Prozent der untersuchten Stellenanzeigen mit einer Festanstellung seitens der Start-ups geworben. In 35 Prozent der Fälle bieten sie eine attraktive und leistungsgerechte Vergütung für zukünftige Mitarbeiter.

Der deutsche Mittelstand hingegen geizt förmlich mit variablen Vergütungsbestandteilen. Lediglich ein Unternehmen warb mit einer Erfolgsbeteiligung. Eine Form von Flex-Office (ortsunabhängiges Arbeiten) wird von keinem mittelständischen Unternehmen angeboten, während zumindest in 14 Prozent der untersuchten Stellenanzeigen von Start-ups diese Form von Arbeitsortflexiblisierung angeboten wird.

Was sollten HR-Manager in mittelständischen Unternehmen nun tun?

Das Wachstumspotenzial von Start-ups und die von potentiellen Arbeitnehmern kommunizierte Bereitschaft für sie tätig zu werden, bestätigt die Arbeitgeberattraktivität dieser Unternehmen. Der Mittelstand wird mit einem aufstrebendem Gegner im Kampf um neue Mitarbeiter konfrontiert, der den anhaltenden Bewerbermangel dieser Unternehmen in manchen Branchen noch weiter verschärfen könnte. Um diesen Kampf nicht zu verlieren, sollten sich die Mittelständler Ihrer eigentlichen Stärken wieder bewusst werden: hier gilt es, das Selbstverständnis, Innovationstreiber der deutschen Wirtschaft zu sein, wieder vermehrt nach außen tragen und die Exportorientierung und internationale Ausrichtung zu bewerben.

Hinsichtlich der bestehenden Regelungen zur Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilisierung in KMU konnte die Studie aufzeigen, dass hier Verbesserungspotenzial besteht. Abteilungsleiter und Geschäftsführer sollten darüber nachdenken, gegebenenfalls einen Kontrollverlust hinzunehmen und ihren Mitarbeitern innovative Instrumente der Personalarbeit (wie beispielsweise das ortsunabhängige Arbeiten) anzubieten.

Letztlich ist das Rennen um die Vormachtstellung bei der zukünftigen Personalakquise noch nicht klar entschieden. Es gibt gute Argumente sowohl für Start-ups als auch für die Hidden Champions des Mittelstands. Sicher werden auch die Großkonzerne beim „War for Talents“ noch ein Wörtchen mitreden. Wer nach Sicherheit strebt, das Risiko scheut und geordnete Strukturen den Agilen vorzieht, wird wohl eher bei einem Konzern als bei einem Start-up landen. Somit sollten sich Unternehmen hinterfragen für welche der beiden Extreme Sie stehen wollen und dabei auch in Ihre Belegschaft hineinhorchen.

Klar ist jedoch, wer frühzeitig konkrete Personalakquise- und -bindungsstrategien gestaltet und es dabei schafft, diese erfolgreich und überzeugend zu kommunizieren, wird weniger mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben.

Tipps für HR-Manager des Mittelstandes

  1. Kommunizieren Sie die Stärken des Unternehmens über sämtliche Medien. Lassen Sie hierbei auch die mögliche Außendarstellung durch Stellenausschreibungen nicht unberücksichtigt.
  2. Investieren Sie Zeit, um junge Talente von Ihrem Unternehmen zu überzeugen. Finden Sie im Gespräch heraus, welche Wertvorstellung Ihr Gegenüber zugrunde legt.
  3. Denken Sie über den Einsatz innovativer Instrumente der Personalarbeit wie beispielsweise Gestaltungsformen von Flex-Office nach.
  4. Überlegen Sie, ob variable Gehaltsbestandteile für Ihre Mitarbeiter einen Mehrwert darstellen.
  5. Haben Sie ein offenes Ohr für Ihre Mitarbeiter.

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Christian Geyer

Christian Geyer, M. Sc., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Unternehmensrechnung und Controlling an der FernUniversität in Hagen, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften.
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Tobias Unfried

Tobias Unfried, M. Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Personalmanagement & Organisation an der Technischen Hochschule Mittelhessen, Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen.

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