Wenig entspannt: Wie deutsche Unternehmen mit Kritik umgehen

Employer Branding

Bei Bewerberkritik rufen deutsche Arbeitgeber den Anwalt, US-Unternehmen eher selten. Welche Unterschiede es noch gibt, erklärt Sarah Müller, Geschäftsführerin von Kununu.

Die Kununu-Geschäftsführerin Sarah Müller ist viel unterwegs. Seit einiger Zeit ist das Unternehmen in den USA vertreten, in Wien befindet sich der Hauptsitz. In Hamburg wiederum sitzt mit der New Work SE (ehemals Xing) die unternehmerische Mutter. Bei einem Zwischenstopp auf einer Reise von Boston nach Wien haben wir Sarah Müller in Hamburg abgefangen und ihr einige Fragen gestellt.

Frau Müller, Kununu ist vor drei Jahren in Boston gestartet. Warum gerade der amerikanische Markt?
Sarah Müller: Weil es ein sehr attraktiver Markt ist, wenn man auf die Marktgröße schaut. Und weil wir gesehen haben, dass das Potenzial für eine Plattform, die Transparenz in den Arbeitsmarkt bringen will, sehr groß ist.. Darüber hinaus sind die USA ein Umfeld, aus dem viele Trends auf unseren deutschsprachigen Markt schwappen. Neben der stärkeren Bedeutung von Daten ist beispielsweise das Thema „Mental Health“ dort bereits etabliert und gewinnt bei uns auch immer mehr an Bedeutung – wir können also dort auch kommende Entwicklungen „scouten“ und für unseren Kernmarkt Deutschland lernen.

Das sagen Sie jetzt über eine Region, die von Indeed und Glassdoor bestimmt wird. Wo ist da die Nische von Kununu?
Die Nische von Kununu ist, dass wir uns auf das Thema „Insights“ fokussieren. Wir fragen also, welche Informationen wir den Jobsuchenden an die Hand geben können, um die richtige Wahl des Arbeitgebers zu treffen. Hier sind wir von der Datenbreite und -tiefe her sehr gut aufgestellt. Das kürzlich gelaunchte „Kultur-Feature“ ist ein gutes Beispiel dafür: Wir vermessen die Unternehmenskultur auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen, insgesamt untersuchen wir 160 Werte in vier Kategorien. Damit differenzieren wir uns von anderen Angeboten. Dafür sehen wir auch in den USA eine Nachfrage.

Wie lautet denn Ihre Bilanz zum Auftritt von Kununu in den USA?
Wir haben mittlerweile über eine Million Bewertungen und wachsen stetig. Und wir sehen, dass wir bei Google for Jobs mit unseren Ratings sehr gut vertreten sind. Wir betrachten unser US-Geschäft aber nicht losgelöst von den anderen Märkten. Wir nutzen die Synergien aus den Erkenntnissen, die wir in allen Ländern sammeln, in denen wir aktiv sind.

Was unterscheidet denn die deutschen und amerikanischen Bewerber in Hinblick auf die Nutzung von Kununu?
Wenn wir uns die Unternehmen anschauen, dann sehen wir, dass diese in den USA sehr viel stärker datengetrieben agieren als in Deutschland. „Was bringt mir das“ oder „kann ich das messbar machen“ – diese Fragen werden mir dort sehr viel öfter gestellt. Auf der Seite der Bewerber fällt – wenig überraschend – der häufigere Jobwechsel in den USA auf. In Deutschland nutzt mittlerweile jeder Zweite Bewertungen bei der Jobsuche. In den USA ist das noch ausgeprägter. Die Entwicklung im deutschsprachigen Raum geht aber klar in diese Richtung.

Sind für die US-Bewerber bestimmte Kriterien wichtiger als hier bei uns?
Es ist für uns erkennbar, dass in den USA doppelt so viele Menschen wie in Deutschland über ihr Gehalt Auskunft geben. In den USA ist es zudem wichtig, welcher Job-Titel mit der Funktion verbunden ist. Die Repräsentation nach außen spielt eine Rolle. Auch die Benefits, die ein Arbeitgeber bietet, sind in den USA relevanter als in Deutschland. Aus diesem Grund werden wir ab sofort Jobsuchenden die konkreten Gehälter für einzelne Positionen anzeigen, um hier Transparenz zu schaffen.

Wie gehen denn amerikanische Unternehmen mit Kritik um – verglichen zu Deutschland?
Wir führen keine Statistik dazu. Ich kann aber sagen, dass die Zahl der Anwaltsschreiben und Beschwerden von Unternehmen in Deutschland deutlich größer ist als in den USA. Dort scheinen Unternehmen mit dem Thema „ich werde bewertet“ sehr viel offener umzugehen als bei uns.

Die Erkenntnis bei Unternehmen, die sich meist in sehr starren Systemen befinden, dass Feedback eine Chance ist, dauert hier länger. Wir erleben aber schon heute, wie manche deutschen Unternehmen auch auf Bewertungen und Feedback positiv reagieren, weil sie dann besser verstehen, wie ihre Mitarbeiter sie sehen. Nur so können sie sich verbessern – und nur so können sie im Employer Branding authentisch sein.

Die Deutschen sind also besonders klagefreundlich? Wie sieht es denn im Vergleich zu Österreich aus?
Die deutschen Unternehmen könnten sich durchaus von ihren österreichischen Nachbarn abschauen, wie man entspannt und souverän mit Kritik umgeht.

Dr. Sarah Müller verantwortet seit 2015 bei Kununu, der europaweit größten Arbeitgeber-Bewertungsplattform, den Bereich Marketing & Content. Seit 2018 hat die gebürtige Kölnerin die Geschäftsführung inne. Vor ihrer Zeit bei Kununu suchte sie nach spannenden Start-ups und Beteiligungen für Burda Digital und ist daher schon lange in der digitalen Welt zu Hause.

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(c) privat

Helge Weinberg

Journalist
Helge Weinberg ist Journalist aus Hamburg. Er schreibt unter anderem für den Human Resources Manager, den Crosswater Job Guide und diverse Fachmedien.

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