Kompetenzen für den disruptiven Wandel

Leadership

Die Mehrheit der deutschen CEOs geht davon aus, dass sich ihr Unternehmen in den nächsten drei Jahren grundlegend verändern wird. Grund für die Transformation ist vor allem die Digitalisierung. Sie muss deshalb auf der Agenda der Firmenchefs ganz vorne stehen.

Große Unternehmen und Startups in den USA gehen angesichts der Herausforderungen durch die Digitalisierung bereits neue, für Deutschland ungewöhnliche Wege. Sie lassen ihr Geschäftsmodell kritisch prüfen, um Schwachstellen zu entdecken. Dazu stellen sie es in der „Community“ des Silicon Valley vor und unterziehen ihre Ideen einem „Disruptions-Check“ von teils branchenfremden Experten. In Deutschland noch undenkbar. Hier geben Unternehmen vergleichsweise wenig preis. Die Haltung in den USA ist genau umgekehrt. Die US-amerikanischen Unternehmen sagen: Wer könnte mein Geschäftsmodell besser kritisieren als mein Konkurrent? Ein Impuls für hiesige Unternehmen, es den Amerikanern nachzutun? Gewiss. Jedoch herrscht hierzulande vordergründig die Angst vor, der Wettbewerb könne sich wertvolle Ideen abschauen.

Die Konsequenz daraus ist, dass Bedrohungen für das eigene Geschäftsmodell durch neue Technologien von außen oftmals in der Organisation selbst als ungefährlich eingestuft werden. Viele Beispiele zeigen die Dringlichkeit, mit der Unternehmen disruptiven Technologien auf der CEO-Agenda einen gewissen Stellenwert einräumen sollten. Aber welche Möglichkeiten gibt es dafür?

Neue Wege gehen mit einem Digital Advisory Board

Dass die Digitalisierung von der Unternehmensspitze getrieben werden sollte, bedeutet nicht, dass jeder Manager nun ein Digitalexperte sein muss. Oder dass jedes Unternehmen angesichts des steigenden Digitalisierungsdrucks auf der Stelle einen Chief Digital Officer einstellen sollte. Die Führungsebene muss lediglich die Relevanz der Digitalisierung erkennen und sie in ihrer Organisation verankern. In Industrieunternehmen beispielsweise ist eine Art unterstützender Beirat, ein Digital Advisory Board, sinnvoll. In diesem Format können Vertreter aus verschiedenen Branchen und unterschiedlichen Alters – also eine möglichst heterogene Gruppe – den Vorstand zu digitalen Themen beraten, neue Ideen diskutieren und Impulse geben. Dieses Modell wird gerade im angelsächsischen Raum ausprobiert. Wer ein solches „Board neben dem Board“ installiert, ermöglicht sich als Unternehmen einen echten Blick von außen auf die eigenen Produkte, die eigene Marktnähe und die gesamte strategische Ausrichtung.

Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, die Digitalisierung auf die Unternehmensagenda zu setzen. Aufsichtsräte in England und den USA diskutieren gerade die Option, einen Digitalisierungsausschuss im Aufsichtsrat zu verankern – analog zu anderen Ausschüssen. Der Vorteil liegt in der Institutionalisierung des Themas. Außerdem wäre die Agenda des Ausschusses an die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens gekoppelt. Dazu könnte ein Unternehmen beispielsweise den Ausschuss nicht mit festen Mitgliedern besetzen, sondern je nach Thema Experten hinzuziehen. Das ist meiner Meinung nach auch ein mögliches Modell für Deutschland. Jedoch sollten Unternehmen bedenken, dass dieser Ausschuss zwar eine gute Beratung darstellen, nicht aber die Strategieabteilung ersetzen kann.

Nur die oberste Führungsebene kann die Weichen stellen

Wie ein Unternehmen grundsätzlich das Thema Digitalisierung in der Unternehmensführung verankert, hängt nicht zuletzt von der jeweiligen Branche und dem Land ab. Meiner Ansicht nach gilt: Je virtueller, im Sinne von digital, mein Produkt ist, desto eher sollte ein Vorstandsressort das Thema Digitalisierung vertreten. Es gibt jedoch keine einheitliche Lösung im Sinne von „one size fits all“. Versicherungen und Banken haben etwa andere Anforderungen als Branchen mit analogen Produkten. Insgesamt sollte das Top-Management deutscher Unternehmen sein Kompetenzprofil erweitern und Digitalkompetenz zur obersten Priorität erklären. Denn gerade weil die Digitalisierung Geschäftsmodelle nachhaltig verändert, benötigen diejenigen im Unternehmen Digital-Kompetenz, die über das Geschäftsmodell entscheiden und die Organisation führen. Die oberste Führungsebene muss die Weichen stellen, denn aus der Mitte der Organisation können sich Unternehmen nicht neu erfinden – die disruptive Technologie würde das traditionelle Kerngeschäft gefährden und kann sich daher gar nicht von dieser Stelle aus im Unternehmen durchsetzen.

Betroffen sind auch Compliance oder Risiko-Management

Hinzu kommt, dass die digitale Transformation sowohl nachhaltig die Geschäftsmodelle selbst verändert, als auch andere Bereiche wie Compliance, Haftung oder Risiko-Management beeinflusst. Die Schlagworte lauten hier Datensicherheit, IP und Cyber Security. Kaum ein Geschäftsbereich bleibt bei der Digitalisierung außen vor. Daher sollte das Thema gleichberechtigt neben operativen und Finanzthemen auf der CEO-Agenda stehen. Ob mit einem Digital Advisory Board, einem Digitalisierungsausschuss oder einem gänzlich eigenen Format.

Dass viele CEOs in der nahen Zukunft mit gravierenden Veränderungen ihres Geschäftsmodells rechnen, stellt auch die von KPMG durchgeführte CEO Outlook Studie fest. Der Studie zufolge erwarten immerhin 70 Prozent der befragten deutschen CEOs, dass sich ihr Unternehmen in den nächsten drei Jahren grundlegend verändern wird. Weltweit ist das der mit Abstand höchste Wert: Im internationalen Durchschnitt gehen nur 29 Prozent von einer grundlegenden Transformation aus, in den USA sogar nur acht Prozent.

Wie Unternehmen der Digitalisierung am besten begegnen können, müssen sie im jeweiligen Umfeld individuell definieren. Dass sie es tun müssen, steht jedoch außer Frage und somit ist es nur hilfreich, wenn die CEOs dieser Welt frühzeitig damit beginnen, Digitalkompetenz vorzuleben.

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Angelika Huber-Straßer

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