Internationale Fachkräfte erfolgreich integrieren

Recruiting

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, setzen viele Unternehmen auf qualifizierte Mitarbeiter aus dem Ausland. Doch wer sie langfristig an sich binden will, muss sie integrieren – nicht nur ins Arbeitsleben. Mit welchen Erwartungen starten internationale Fachkräfte bei ihrem deutschen Arbeitgeber?

Ob in der Pflege oder im Handwerk, im Metallbau oder in der Informationstechnik: In all diesen Branchen suchen Arbeitgeber nach Fachkräften. Fast jedes zweite Unternehmen kann offene Stellen längerfristig nicht besetzen, heißt es im aktuellen Arbeitsmarktreport des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Deshalb wagen immer mehr Unternehmen den Schritt ins Ausland. „Um dem Engpass an Fachkräften entgegenzuwirken, kann es sich lohnen, beruflich qualifizierte Mitarbeiter aus dem EU-Ausland und aus Drittländern zu rekrutieren“, sagt Dirk Werner, Leiter des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA), das am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln angesiedelt ist. Doch mit der Rekrutierung allein ist es nicht getan: „Damit die Einstellung von internationalem Fachpersonal langfristig von Erfolg gekrönt ist, sollten Arbeitgeber verstärkt in die Integrationsarbeit investieren.“

Das klingt einfacher, als es im Arbeitsalltag wirklich ist. Kulturelle Unterschiede, sprachliche Barrieren oder schlichtweg Heimweh: Unternehmen, die ausländische Fachkräfte einstellen und an sich binden wollen, sollten auf einige Herausforderungen vorbereitet sein.

Vor Ort rekrutieren

Wer im Ausland Fachkräfte rekrutieren will, sollte zunächst klären, welche Herkunftsländer infrage kommen. Wo finden sich potenzielle Mitarbeiter mit den Kompetenzen, die gefragt sind? Wer zum Beispiel IT-Experten sucht, kann die Fühler nach Indien ausstrecken. Internationale Geschäftspartner und Kunden aus dem Ausland können dabei helfen, Zugang zu Talentnetzwerken vor Ort zu bekommen, erklärt KOFA-Leiter Werner. Auch viele Branchenverbände seien bereits im Ausland aktiv und könnten bei der Rekrutierung unterstützen. „Es kann sich auch lohnen, sich auf einer Jobmesse vor Ort zu präsentieren.“ Von Deutschland aus lassen sich über Online-Karriereportale wie Linkedin oder Jobbörsen wie Eures Stellenanzeigen aufgeben.

Die Aachener Softwarefirma Module Works baut seit ihrer Gründung im Jahr 2003 mithilfe der eigenen Mitarbeiter ihr Netzwerk an IT-Fachleuten weltweit aus. Da einige der ersten Mitarbeiter aus Osteuropa stammen, steht das Unternehmen mit Hochschulen in Rumänien, in der Ukraine und in der Türkei in Kontakt. Auch aus Indien kommen Bewerbungen – dank Mitarbeitern, die dort studiert haben und ihren ehemaligen Kommilitonen nun von ihrem Job berichten. „Da sich die Bewerber schon mit Kollegen ausgetauscht haben, kann ich fast zu 100 Prozent sicher sein, dass sie zu unserem Unternehmen passen“, erklärt Jens Beissel, Personalchef bei Module Works. Rund ein Viertel der Mitarbeiter hat ausländische Wurzeln.

Erwartungen klären

Um erfolgreich im Ausland zu rekrutieren, sollten Arbeitgeber Kandidaten von Anfang an vermitteln, was sie von ihnen erwarten. Das beginnt bei den Formalia: Personaler sollten die Stellenanzeige auf Englisch formulieren und angeben, ob Kandidaten Lebenslauf und Arbeitszeugnisse mitschicken müssen. „In der Stellenausschreibung sollten Unternehmen sehr genau beschreiben, welche Kompetenzen Bewerber mitbringen sollten“, erklärt Werner. „Das ist gerade für ausländische Fachkräfte hilfreich, da es für viele Abschlüsse und Zertifikate, die es in Deutschland gibt, im Ausland kein passendes Pendant gibt.“ Es ergibt also wenig Sinn, einen Kandidaten mit einem Hochschulabschlussin Nachrichtentechnik zu suchen. Stattdessen sollten Arbeitgeber ins Anforderungsprofil schreiben, dass sie Bewerber mit fünf Jahren Berufserfahrung und Kenntnissen im Umgang mit Funkkommunikation suchen. Auch sollte deutlich werden, welche Zusatzqualifikationen und Sprachen für die Stelle nötig sind.

Wenn ein passender Kandidat dabei ist, führen viele Unternehmen ein Bewerbungsgespräch per Videoanruf. Dabei gilt: Personaler sollten nicht nur die fachlichen Qualifikationen abklopfen, sondern auch die Motivation der Bewerber. Warum möchte jemand in Deutschland und gerade in diesem Unternehmen arbeiten? Weiß der Bewerber, in welcher Region Deutschlands er wohnen wird? „Bewerber sollten genau wissen, wofür sie ihr Leben in der Heimat aufgeben“, erklärt Justina Alichniewicz vom internationalen Fachkräfteportal Make it in Germany. „Eine falsche Erwartungshaltung kann darin enden, dass die neuen Mitarbeiter nach kurzer Zeit Deutschland verlassen wollen.“

Es kann hilfreich sein, einen Bewerber nach Deutschland einzuladen, um ihm die Stadt und den neuen Arbeitsplatz zu zeigen. Das Aachener Unternehmen Module Works bietet Kandidaten an, aus der Ferne in den Arbeitsalltag der Firma hineinzuschnuppern und probeweise an einem Projekt mitzuarbeiten. Alles, was sie dafür brauchen, ist ein PC und eine Internetverbindung.

Gesetzeslage berücksichtigen

Passen Unternehmen und Bewerber zusammen, gilt es, gesetzliche Hürden zu überwinden. Mitarbeiter aus dem EU-Ausland können sich einfach in den nächsten Flieger setzen und am nächsten Tag mit der Arbeit starten – denn in der Europäischen Union gibt es die sogenannte Freizügigkeit, die es EU-Bürgern erlaubt, in jedem Mitgliedsstaat zu wohnen und zu arbeiten. Bei künftigen Mitarbeitern aus Drittländern dauert dieser Prozess hingegen wesentlich länger. „Es kann mehrere Monate dauern, bis die Behörden ihnen eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Deutschland ausstellen“, weiß Alichniewicz. „Manche Berufe müssen anerkannt werden, außerdem muss unter Umständen geprüft werden, ob die Stelle nicht doch mit einem EU-Bürger besetzt werden kann.“ Unternehmen können ausländische Talente beim Visumsantrag unterstützen und sie zum Beispiel auf die „Blaue Karte EU“ hinweisen. Sie fördert die Migration von Hochqualifizierten aus Drittländern und bietet ihnen erleichterten Zugang zu einem Aufenthaltstitel, um in der EU einer Arbeit nachzugehen, die ihrer Qualifikation entspricht.

Willkommen heißen

Während die Gesetzesmühlen arbeiten, können Unternehmen künftigen Mitarbeitern beim Umzug und der Wohnungssuche helfen. Rund die Hälfte der Arbeitnehmer, die für den Job nach Deutschland ziehen, wünschen sich Unterstützung vom Arbeitgeber – indem er ihnen etwa beim Umzug hilft oder einen Pauschalbetrag für die Umzugskosten zahlt. Das zeigt eine Studie von Internations Business Solutions, ein Geschäftsbereich des weltweit größten Expat-Netzwerks Internations, der Global Mobility und HR bei der Gestaltung von internationalem Recruiting und Auslandsentsendungen unterstützt. Als Orientierungshilfe für die internationalen Fachkräfte kann auch ein Begrüßungspaket dienen, in dem das Unternehmen einen Stadtplan sowie wichtige Adressen und Telefonnummern zusammengestellt hat.

Das Telematik-Unternehmen MM-Lab aus Kornwest­heim in der Nähe von Ludwigsburg bezahlt Mitarbeitern aus dem Ausland die Reise, den Umzug und die Wohnungsmiete für die ersten drei Monate. „So haben unsere internationalen Fachkräfte einen entspannten Start in ihr neues Lebens- und Arbeitsumfeld“, erklärt MM-Lab-Geschäftsführer Andreas Streit. Das Unternehmen beschäftigt über 40 Mitarbeiter, fast zehn davon sind zugezogen – aus Bangladesch, Honduras, Indien, dem Iran, Italien, Ungarn, Pakistan und Palästina. „Sie haben einen festen Ansprechpartner bei uns, der sie vom Flughafen abholt, sie bei Behördengängen begleitet, beim Familiennachzug und bei der Einarbeitung unterstützt.“

Langfristig integrieren

Rund die Hälfte der internationalen Fachkräfte wünscht sich, dass ihnen der Arbeitgeber ein interkulturelles Training anbietet. Fast zwei Drittel fänden es hilfreich zu erfahren, wo sie in der neuen Heimat neue Kontakte knüpfen können. Doch nur wenige erhalten diese Leistungen von ihrem neuen Arbeitgeber, zeigt die Studie von Internations.

„Je weiter ein Herkunftsland von Deutschland entfernt ist, desto größer sind häufig die kulturellen Unterschiede und desto wichtiger ist es, dass Teams aktiv darauf vorbereitet werden und lernen, damit umzugehen“, sagt Theresa Häfner. Sie leitet die Abteilung Business Solutions bei Internations und hat die Studie betreut. „Unternehmen sollten internationale Mitarbeiter nicht nur fachlich, sondern auch sozial integrieren.“ Firmenfeiern, gemeinsame Mittagessen oder abends zusammen zum Sport – all das hilft ausländischen Mitarbeitern, sich in Deutschland wohlzufühlen. Diese Zusatzleistungen stellen viele Unternehmen vor Herausforderungen, doch sie sollten sich ihnen stellen: „Sonst kehren die internationalen Mitarbeiter samt ihrem Know-how nach wenigen Monaten wieder in ihre Heimat zurück“, sagt Häfner.

Der Softwareentwickler MM-Lab hat mittlerweile eine Mitarbeiterin, die den zugezogenen Mitarbeitern Sprachunterricht gibt – individuell aufs benötigte Fachvokabular zugeschnitten. „Wir sprechen zwar in unserer Branche viel Englisch, aber es ist trotzdem schön, wenn sich internationale Kollegen in Meetings trauen, auch einmal auf Deutsch zu referieren“, sagt Geschäftsführer Streit. „Daran merken wir, dass sich die Integrationsarbeit auszahlt.“

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(c) wortwert

Kristina Wollseifen

Kristina Wollseifen ist Redakteurin beim Kölner Journalistenbüro wortwert. Sie schreibt regelmäßig für den Human Resources Manager.

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