Ein langer Weg zur digitalen HR-Transformation

Personalmanagement

Für eine erfolgreiche digitale Transformation der HR-Funktion müssen Personaler zunächst einmal die Potenziale neuer Technologien und die damit im Zusammenhang stehenden Entwicklungen rund um das Thema „New Work“ verstehen. Auf dieser Basis sollten dann eine adäquate HR-Strategie entwickelt, die HR-Prozesse optimiert und passende HR-Strukturen gestaltet werden.

Die digitale Transformation ist sicherlich eines der dominierenden Wirtschaftsthemen unserer Zeit. Über die Anpassung und Neuentwicklung von Geschäftsmodellen und -prozessen bewirken die aktuellen technologischen Veränderungen tiefgreifende strategische, organisatorische sowie sozio-kulturelle Veränderungen in den Unternehmen. Dementsprechend ist die Bewältigung der digitalen Transformation eine General Management-Aufgabe. Sie erfordert neben technischen Optimierungsmaßnahmen auch eine adäquate strategische Ausrichtung sowie eine dazu passende Gestaltung beziehungsweise Anpassung von organisatorischen Prozessen und Strukturen, Steuerungskennzahlen und -systemen, personellen Ressourcen und Kompetenzen sowie Kommunikations-, Interaktions- und Führungskulturen.

Doppelte Digitalisierungsherausforderung von HR

Infolgedessen ist natürlich auch das Personalmanagement von der Digitalisierung betroffen, und dies auch noch in doppelter Form (vgl. Abb. 1):

Abbildung 1: Zwei Bereiche der Relevanz der Digitalisierung für HR

Zunächst geht es um die Mitwirkung bei der digitalen Transformation des Unternehmens, denn die dargestellten Veränderungen haben einen tiefgreifenden Einfluss auf die in den Unternehmen tätigen Menschen. Neue Geschäftsanforderungen führen zu einem geänderten Kompetenzbedarf, das veränderte Umfeld erfordert neue Führungs-, Kommunikations- und Interaktionsansätze, Menschen müssen bei Veränderungsprozessen mitgenommen und unterstützt werden und so weiter. Als verantwortliche Funktion für alle Fragen, welche den Faktor Mensch im Unternehmen betreffen, ist die Personalfunktion im Zuge der digitalen Transformation massiv gefragt. HR hat hier die Aufgabe, die Transformation des Unternehmens zu unterstützen und die Chance, sich als ein zentraler Gestalter des Wandels zu positionieren.

Daneben ist aber auch die digitale Transformation der HR-Funktion zu gestalten, das heißt HR muss die eigene Funktion auf die Anforderungen und Potenziale des digitalen Zeitalters ausrichten. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf diese zweite Herausforderung beziehungsweise die rechte Seite von Abbildung 1. Für eine erfolgreiche Transformation ist es zwingend notwendig, die Potenziale neuer, HR-relevanter Technologien und die damit im Zusammenhang stehenden, aktuellen Entwicklungen rund um das Thema „New Work“ zu verstehen. Auf Basis eines Verständnisses dieser beiden Themen kann eine adäquate HR-Strategie entwickelt werden. Passend dazu sollten dann HR-Prozesse optimiert und HR-Strukturen und die HR-IT gestaltet werden (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Gesamtzusammenhang der digitalen Transformation der HR-Funktion

Die beiden in Abbildung 1 dargestellten Herausforderungen führen dazu, dass sich Personalmanager intensiv und dringend mit der Digitalisierung beschäftigen müss(t)en. Wie Studien zeigen, gibt es diesbezüglich aber durchaus noch Optimierungspotenzial und -bedarf.

Potenziale neuer Technologien

Ausgangspunkt der in Abbildung 2 dargestellten Transformationslogik ist das Verständnis der Geschäfts- und HR-Potenziale neuer Technologien. Auch wenn es nicht notwendig ist, alle Technologien im Detail zu verstehen, kommen (auch) Personaler nicht darum herum, sich mit den Kernaspekten der relevanten Technologien und deren potenziellen Einsatzmöglichkeiten auseinander zu setzen.

Indikationen für zukünftig besonders relevante Technologien können verschiedene Studien liefern. So zeigt zum Beispiel eine am MIT in Boston in Zusammenarbeit mit Deloitte durchgeführte Befragung von 3.700 weltweit tätigen Managern, welche Technologien für 27 verschiedene Industrien heute bereits relevant sind und welche zukünftig wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen werden. Mit Fokus auf den HR-Bereich liefert beispielsweise die Studie Digitalisierung@HR von Kienbaum einige interessante Erkenntnisse (vgl. Abb. 3), auch wenn bei der Betrachtung der Studienbefunde die Befürchtung besteht, dass der ein oder andere Personaler die Relevanz und Potenziale mancher Technologien unterschätzt.

Abbildung 3: Potenziale neuer Technologien (basierend auf Jochmann/Belch 2016, S.62)

Veränderungen der Arbeit

Die technologischen Veränderungen führen auch zu Veränderungen im Hinblick auf den Faktor „Arbeit“. Dies betrifft nicht nur die viel diskutierte und aktuell nicht wirklich valide zu beantwortende Frage, wie viel und welche Arbeit es für den Menschen künftig überhaupt noch gibt, sondern auch die Frage, wie Menschen zukünftig arbeiten wollen und wie eine adäquate Arbeitsgestaltung aussehen muss.

Diesbezüglich wird seit ein paar Jahren unter der Bezeichnung „New Work“ diskutiert, welche Werte die Arbeit der Zukunft prägen werden. Grundsätzlich lässt sich dabei eine Entwicklung in Richtung von mehr Flexibilität feststellen – zeitlich, räumlich und auch organisatorisch. Zentrale Werte des ursprünglich vom austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann begründeten New Work Ansatzes sind (Handlungs-)Freiheit, Freiräume für Kreativität, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Selbstständigkeit und Teilhabe.

Die Ideen von Bergmann sind nicht ganz neu, haben aber im Zuge der Digitalisierung und neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in den letzten Jahren deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Dementsprechend müssen sich Personaler damit auseinandersetzen und eine Antwort auf die Frage finden, wie Arbeit zukünftig – bedürfnisgerecht, effizient und agil – zu gestalten ist.

HR-Strategie für das digitale Zeitalter

Auf Basis eines Verständnisses der aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Kernthemen kann und muss eine adäquate HR-Strategie entwickelt werden. Auch wenn sich die Umwelt und damit die Anforderungen an HR kontinuierlich und immer schneller ändern, sollte nicht auf die Festlegung einer strategischen Entwicklungsrichtung verzichtet werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind im Laufe der digitalen HR-Transformation Anpassungen an der Digital HR-Strategie nötig, trotzdem entbindet dies nicht von der Notwendigkeit der Festlegung von Leitplanken der Veränderung. Hierbei können die in Abbildung 2 in der HR-Strategie-Box aufgeführten, generischen Guiding Principles (zum Beispiel Individualisierung und Einfachheit) helfen, weil sie die grundsätzliche Richtung der Entwicklung in HR aufzeigen.

Digitalisierung der HR-Prozesse

Basierend auf den neuen technologischen Möglichkeiten, den konkreten Mitarbeiteranforderungen und einer adäquaten HR-Strategie sollten die HR-Prozesse optimiert und sinnvoll digitalisiert werden. Hierfür sind grundsätzlich alle HR-Prozesse (zum Beispiel Personalplanung, -beschaffung und -entwicklung) kritisch zu durchdenken. Die Gestaltung digitaler und smarter HR-Prozesse ist sicherlich der Kern der digitalen Transformation der HR-Funktion und wird den Großteil des Aufwands verursachen.

Auch wenn hier aufgrund des beschränkten Seitenbudgets nicht auf konkrete Inhalte eingegangen werden kann, soll aber zumindest betont werden, dass immer vom Kunden, das heißt den Mitarbeitern und Führungskräften des Unternehmens, ausgedacht werden sollte. Der Prozessnutzen ist zu optimieren, nicht der Ist-Prozess. Denn wie Thorsten Dirks, CEO von Telefónica Deutschland – vielleicht nicht sehr schön, aber dafür sehr einprägsam – formuliert hat: „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.”

Gestaltung agiler HR-Strukturen

Wenn sich HR-Prozesse verändern, wirft das natürlich immer auch die Frage auf, welche Konsequenzen dies auf die HR-Strukturen hat: Ist das in den letzten Jahren dominierende, auf Dave Ulrich zurückgehende Drei-Säulen-Modell noch adäquat? Entwickelt sich eine duale Struktur aus einem klassisch-hierarchischen HR-Teil, der auf Effizienz und Exzellenz ausgerichtet ist, und einem agilen HR-Teil, der sich um Themen wie Change, Innovation, Kulturwandel und New Work kümmert? Oder wird HR in Gänze fluide und als Netzwerk organisiert? Auf diese aktuell nicht abschließend geklärten Fragen gilt es, zum konkreten Unternehmen passende Antworten zu finden.

Relativ klar dürfte dabei sein, dass es grundsätzlich in Richtung von mehr Agilität gehen wird. Denn die Forderung nach Agilität ist eines der zentralen Themen des digitalen Zeitalters. Vor dem Hintergrund einer volatilen, unsicheren, komplexen und widersprüchlichen Umwelt müssen Unternehmen in der Lage sein, schnell und dynamisch auf Veränderungen – insbesondere im Hinblick auf Kundenbedürfnisse – zu reagieren und sich adäquat anzupassen. Dies bedarf einer entsprechenden Haltung und agiler Managementansätze. Und dies gilt auch für HR.

Das Buch

Cover, Haufe-Verlag
Cover Haufe Verlag

Digital HR
Smarte und agile Systeme, Prozesse und Strukturen im Personalmanagement
von Thorsten Petry und Wolfgang Jäger (Hrsg.)

 

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Thorsten Petry, Foto: Privat

Thorsten Petry

Professor für Strategie, Organisation und Personalmanagement
Hochschule RheinMain
Prof. Dr. Thorsten Petry lehrt Unternehmensführung an der Hochschule RheinMain. Als Managementberater und Trainer unterstützt er Unternehmen bei der Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung.
Wolfgang Jäger, Foto: Privat

Wolfgang Jäger

Professor für Media Management
Hochschule RheinMain
Prof. Dr. Wolfgang Jäger unterrichtet Media Management an derselben Hochschule und ist Gesellschafter der DJM Consulting GmbH. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte liegen auf der Optimierung personalwirtschaftlicher und kommunikationsbezogener Prozesse und Strukturen.

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