Die Trennungsexperten

Leadership

Beteiligungsfirmen investieren viel Geld, Zeit und Know-how in die Ideen junger Gründer. Wenn die begleiteten Start-ups dann auf eigenen Beinen stehen können, ist es an der Zeit, loszulassen.

Wer schon einmal etwas liebgewonnen und es dann verkauft hat, der weiß: Sich zu trennen ist nicht leicht. Besonders schwer wird es, wenn man die Sache selbst aufgebaut hat. Denn Menschen binden sich emotional an das, was sie selbst erschaffen haben.

Das ist auch in Unternehmen so. Bei manchen gehören Trennungen jedoch zum Alltag – zum Beispiel bei Beteiligungsgesellschaften. Abschiednehmen ist Teil ihres Geschäftsmodells, sie müssen es beherrschen. Immerhin investieren Private-Equity- oder Venture-Capital-Firmen mit der Absicht in Unternehmen, das Erschaffene später gewinnbringend zu verkaufen. Leicht macht das den Abschied dennoch nicht. Denn neben Kapital investieren die Geldgeber auch Zeit und Herzblut in die Beratung und das Coaching der Jungunternehmer sowie in das Rekrutieren von geeignetem Personal.

Finanzielle Unterstützung gegen Anteile

Dass man in Beteiligungsfirmen mit ständigen Trennungen umgehen können muss, weiß auch Dorothea von Wichert-Nick. Sie ist Geschäftsführerin Corporate Innovation bei Etventure. Die Berliner investieren in Start-ups mit innovativen Ideen und helfen so Jungunternehmern, aus ihrem ersten Gedanken ein tragfähiges Geschäftskonzept zu entwickeln. Im Gegenzug für die finanzielle Unterstützung und die praktische Hilfe erhält der Investor Anteile am Unternehmen der Gründer. Wie hoch der Anteil ausfällt, ist Verhandlungssache.

Unabhängig von den finanziellen Details bringt sich Etventure immer mit Herzblut in die Weiterentwicklung der Konzepte ein. Das braucht Zeit, Arbeit und Ressourcen. Eine persönliche Beziehung zu den Schützlingen entwickelt sich. Doch der Ausgang dieser Liaison ist klar: „Unser Ziel ist es, Gründer zu befähigen, die von uns angestoßenen Ideen und Entwicklungen auch alleine fortführen zu können“, sagt von Wichert-Nick. „Start-ups sollten flügge werden, spätestens wenn zusätzliche Investoren mit an Bord kommen.“ Bis das geschieht, können mehrere Jahre ins Land gehen.

Dass es selbst für die Profis nicht selbstverständlich ist, aufgebaute Jungunternehmen ohne Trennungsschmerz gehen zu lassen, wird an der Komplexität der Entwicklungsprozesse deutlich: Unternehmer kommen oft mit einer ersten Idee zu Etventure. Diese Idee wird dann mittels einer Befragung potenzieller Kunden in einem mehrstufigen Prozess auf Herz und Nieren getestet. Das dauert drei bis vier Monate. Hat die Idee Potenzial, entwickeln die Ideengeber mit Etventure gemeinsam einen Business-Plan.

Eines der erfolgreichsten Etventure-Projekte ist die Personalvermittlungs-App Mobile Job. Die Idee wurde in zahlreichen Interviews mit potenziellen Kunden getestet, es wurde am Konzept gefeilt, die Zielgruppe zugespitzt. Der Aufwand des monatelangen Entwicklungsprozesses hat sich gelohnt. Im Jahr 2015 sammelte das erst ein Jahr zuvor gegründete Start-up in zwei Investitionsrunden einen siebenstelligen Betrag von Investoren ein.

Unemotionale Herangehensweise

Der Abschied ist zwar endgültig, aber wenn er mit viel Geld vergoldet wird, macht es das sicher leichter. Das könnte erklären, warum Beteiligungsfirmen das Thema Trennungen derart unemotional angehen. Für Branchenfremde dürfte ein mehrmonatiger oder gar mehrjähriger gemeinsamer Prozess für so viel Bindung sorgen, dass das Abschiednehmen schwierig wird. Doch genau das können sich Beteiligungsfirmen nicht erlauben: Lassen sie sich von ihren Emotionen lenken, könnten falsche strategische Entscheidungen die Folge sein. Nur aus persönlicher Zuneigung in einem Unternehmen engagiert zu bleiben, könnte die Investoren viel Geld kosten.

Nur wenige Gehminuten vom Etventure-Büro im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg entfernt sitzt die Risikokapitalgesellschaft Earlybird. Seit der Gründung im Jahr 1997 hat das Venture-Capital-Unternehmen bereits 800 Millionen Euro in Start-ups investiert. Allein im vergangenen Jahr hat sich Earlybird an elf Unternehmen beteiligt. Natürlich mit der Absicht, die Firmen nach einigen Jahren mit Gewinn zu veräußern. Bislang gingen in den vergangenen Jahren sechs Firmen an die Börse, 22 wurden an Investoren verkauft – Earlybird ist Trennungsexperte.

Die jeweiligen Investments bewegen sich zwischen 250.000 und 10 Millionen Euro. „Wir investieren in kreative Business-Konzepte. Dabei sind innovative Ideen nicht genug, es muss etwas Disruptives sein“, sagt Partner und Mitgründer Christian Nagel. Idealerweise sollte das Konzept größere Märkte adressieren und nicht nur auf eine Region beschränkt sein. Entscheidet sich Earlybird für eine Investition, begleitet das Venture-Capital-Unternehmen die Gründer im Schnitt sieben bis acht Jahre lang. „Diesen Zeitraum braucht man auch, um sagen zu können, ob sich das Investment gelohnt hat“, sagt Nagel.

Zeit genug, um eine persönliche Bindung aufzubauen. Sieben Jahre sind vergleichbar mit der Zeit, in der man ein Kind so weit aufzieht, dass es in die Schule gehen kann. Es ist schwer vorstellbar, dass Beteiligungsfirmen nach intensiver Zusammenarbeit ihre Anteile ohne mit der Wimper zu zucken verkaufen. Doch genau das ist Teil des Geschäfts: Emotionen bedeuten Schwäche, sie sind in diesem Geschäft nicht förderlich.

Der Erfolg gibt den Investoren in ihrer Strategie recht: Eine der lukrativsten Beteiligungen von Earlybird ist Interhyp, einer der größten deutschen Kreditvermittler für Immobilienfinanzierungen. Interhyp hilft seinen Kunden, aus Angeboten von Banken, Bausparkassen und Versicherungen das beste Angebot auszusuchen. Gemeinsam mit der Venture-Capital-Firma 3i hat Earlybird den Unternehmensaufbau zwischen den Jahren 1999 und 2001 finanziert und im Rahmen von zwei Finanzierungsrunden etwa 14 Millionen Euro investiert. Und das zahlte sich aus: 2005 ging Interhyp an die Börse und wurde nach drei Monaten in den SDAX aufgenommen. Als Earlybird seine Anteile am einstigen Start-up verkaufte, erzielten die Berliner das 50-fache des ursprünglichen Investments. 2011 wurde Interhyp dann vom niederländischen Finanzdienstleister ING Direct gekauft.

Venture-Capital-Firmen konzentrieren sich in ihren Investitionen meist auf digitale Konzepte. „Sie bieten ein besonders schnelles Wachstum und schlanke Prozesse“, erklärt Nagel. So hat Earlybird kürzlich etwa in das Start-up Fraugster investiert, das eine Anti-Fraud-Software entwickelt hat – eine künstliche Intelligenz soll Betrugsfällen bei Geld-Transaktionen im Netz vorbeugen, indem sie Betrüger von Kunden unterscheidet. Dabei sind sich Risikokapitalgeber stets bewusst, dass sich ihr eingesetztes Kapital nicht vermehren oder gar ganz verloren gehen könnte. Earlybird etwa hat in das Start-up Auctionata Paddle8 – ein Auktionshaus für Kunst und Luxusartikel – investiert, das Mitte Januar 2017 Insolvenz beantragte. Earlybird hatte erstmals 2013 in das Unternehmen investiert.

Persönliche Beziehungen

So sehr die Strategen in Beteiligungsfirmen an Trennungen gewöhnt sind: Manchmal gönnen sie sich doch eine Ausnahme. Wenn sich Earlybird als Geldgeber zurückzieht, bedeutet das zum Beispiel nicht automatisch, dass auch die persönlichen Beziehungen enden, sagt Nagel: „Bestes Beispiel ist unser Kollege Rainer Christine. Earlybird hatte in sein Unternehmen Amaxa investiert. Nach dem Verkauf sind wir in Kontakt geblieben, heute ist er bei uns Partner.“

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Anna Friedrich, Foto: Privat

Anna Friedrich

Redakteurin
Wortwert
Anna Friedrich arbeitet seit 2017 bei wortwert in Köln. Sie schreibt regelmäßig für den HRM.

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