Die Mutprobe für HRler

Leadership

Auch als Personalmanager muss man des Öfteren Courage zeigen, insbesondere wenn es um Themen geht, die unangenehm sind. Und nichts ist unangenehmer als bei einer Sanierung eine aktive Rolle einzunehmen.

Auch in wirtschaftlich stabilen Zeiten gibt es Momente, in denen Personalleiter sich oftmals großen Veränderungen stellen müssen: zum Beispiel wenn eine Sanierung vor der Tür steht. Personalleiter stehen dann vor großen Herausforderungen. Unabhängig davon, ob eine interne Umstrukturierung im großen Stil oder die Neugestaltung eines gesamten Unternehmens aufgrund eines Verkaufes ansteht: Eine Sanierungs-Tür kann nicht mehr geschlossen werden. Sie bleibt offen, verbunden mit hohen Erwartungen der Unternehmensleitung, sodass der durchschnittliche Personalleiter, der vielleicht sonst lieber verwaltet, nun meist ungewollt die Position des Managers einnehmen muss. Anstatt seine Mannschaft zu kontrollieren und zu maßregeln – wie es bei Verwaltern oft geschieht – muss er zu einem gleichwertigen Partner für alle Leitungsfunktionen bis hin zum Vorstand mutieren. Die notwendigen und meist neuen und sich schnell wandelnden Ziele des Unternehmens müssen verstanden und gedeutet werden können – auch und insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene. Nur dann können die richtigen Schlüsse gezogen werden, wie man dem Unternehmen personalseitig helfen kann, langfristig zu bestehen.

Personaler bleiben in Deckung

Meist fehlt den Personalern der Mut, diesen Schritt nach vorne zu machen. Obwohl sie einen Großteil des Geldes ihres Unternehmens verwalten und ausgeben, fehlt die Initiative, aus der Deckung zu kommen. Gerade bei Firmenübernahmen werden dabei oftmals auch rasch Personalchefs ausgetauscht, da sie als passive Verwalter wahrgenommen werden, die ein Unternehmen nicht mit aus der Zone des Stillstandes bewegen können. Was dagegen getan werden kann? Der Personalleiter muss seine Rolle verstehen. Er muss den Frechmut besitzen, zu beraten, auch über die HR-Grenzen hinaus. Er muss das Unternehmen verstehen.

Bei der ersten Sanierung einer Klinik, die ich durchgeführt habe, stand ich tageweise auf Intensivstationen und in OP-Bereichen und habe dort geholfen. Ich habe Schränke befüllt, Handlangerarbeiten ausgeführt und vor allem beobachtet, wie die einzelnen Bereiche funktionieren – oder nicht. Wie sind die Abläufe genau? Wo entstehen Probleme in der täglichen Arbeit? All das merkt man erst, wenn man es selbst erlebt. Man darf sich heute als Personalchef nicht zu fein sein, diese Dinge hautnah mitzuerleben. Man muss über die Grenzen hinaus schauen. Nächtelang bin ich im Rhein-Main-Gebiet mit dem Notarzt gefahren und habe gelernt, was passiert, bevor der eigentliche Wertschöpfungsprozess im Krankenhaus beginnt, und was es braucht, damit es wirklich reibungslos läuft.

Wer zu passiv ist, manövriert sich ins Abseits

Zudem ist der Mut zur Benutzung kommunikativer Stärke gefragt. Sich positionieren können – auch wenn dabei einmal Fehler entstehen, ist unabdingbar. Es ist ebenfalls Mut gefragt, die Personaldecke zu verändern: Mitarbeiter anzusprechen, ob sie das Unternehmen verlassen würden, ist für viele Personalleiter immer noch ein rotes Tuch – gerade, wenn man sich von Kollegen trennen muss, mit denen man lange gut zusammengearbeitet hat. Als Personalchef muss man verstehen, dass auch trotz eines Personalabbaus eine effektive Personalsteuerung durchgesetzt werden kann.

Bei der Sanierung eines Klinikums wurde immer wieder mit Totschlagargumenten versucht, mich aus der Reserve zu locken: „Wenn Sie diese Stelle streichen, sterben Patienten.“ Gestorben ist niemand, zu keiner Zeit bestand Gefahr für Patienten, aber die Vorgesetzten der einzelnen Bereiche mussten aus der langjährig erlernten Komfortzone herauskommen. Als ich nach circa einem Jahr eine Zusammenfassung für mich als Personaler fasste, habe ich festgestellt, dass fast 800 Personen das Klinikum verlassen hatten – über alle Dienstarten verteilt. Und ich habe weiter bemerkt, dass die Leistungszahlen stiegen und die 800 Personen, die nun nicht mehr da waren, auch nirgendwo vermisst wurden. Man muss als Personalchef manchmal verstehen, dass man im Sanierungsfall das tut, was andere 20 Jahre vorher nicht hinbekommen haben: Egal, ob aus Feigheit oder aus Unvermögen. Schuldgefühle braucht also nicht der zu haben, der die Aufgaben im Personalbereich angeht, sondern der, der sie langjährig verhindert hat.

Negative Presse gab es übrigens kaum, weil wir als Personaler dafür gesorgt haben, dass die Maßnahmen wirklich sozialverträglich verhandelt wurden. Das begann bei Ansprachen der betreffenden Personengruppe, ob diese vielleicht freiwillig das Haus verlässt, ging über selbst gebastelte Vorruhestandsregelungen (der demografische Wandel muss nicht immer von Nachteil sein) bis hin zu einem für – und nicht gegen – die Mitarbeiter verhandelten Interessenausgleich, bevor der Gang in eine Transfergesellschaft anstand. Geschäftsführer und Vorstände sind hier im Übrigen immer gerne bereit, sich die Vorschläge des Personalers anzuhören, wenn er sie denn hat und sich traut, sie zu äußern. Fehlt aber der Mut, findet man sich als Personalchef oftmals rasch auf dem zweiten Arbeitsmarkt wieder. Oft habe ich in meiner Funktion als Konzernpersonalchef oder Regionalverantwortlicher versucht, die Personaler zu coachen und ihnen näherzubringen, dass nicht nur die Sanierung wichtig ist, sondern dass man auch darüber hinaus die Sichtweise ändern muss. Das bedeutet nicht, dass man alle eigenen Selbstzweifel über Bord schmeißen muss. Ich habe bei allen Sanierungen bemerkt, dass Zweifel oftmals helfen, neue Ideen zu generieren oder bestehende Ansätze weiterzuentwickeln. Fast täglich muss man sich heute dabei die Frage stellen, mit welchen personellen Herausforderungen in naher Zukunft zu rechnen ist und wie einzelne Unwägbarkeiten angegangen werden können, sodass für das Unternehmen die größtmögliche Flexibilität erhalten bleibt.

Ist man als Personalchef zu passiv und verändert sich selbst und seine Fachbereiche zu wenig in Richtung der Anforderungen, wird oft die Wahrnehmung bei der Unternehmensführung forciert, dass HR nur verwaltet und nicht hilft, die Sanierungsziele zu erreichen, keine Ideen einbringt und Aktivität allgemein vermissen lässt.

Insgesamt muss der Personalleiter in Sanierungszeiten also auch den Mut haben, sein eigenes Selbstverständnis zu hinterfragen, um entsprechend auch die Fremdwahrnehmung der eigenen Abteilung stark nach den geforderten Anforderungen positiv verändern zu können. Das ist keine leichte Herausforderung, gerade weil die Fremdwahrnehmung schnell entstehen kann, aber später nur schwer wieder zu ändern ist. Doch wer bereit ist, an sich zu arbeiten und sich zu verändern, bekommt auch in der Regel die entsprechende Anerkennung der Belegschaft.

Transparentes Vorgehen ist wichtig

In Sanierungszeiten ist es außerdem wichtig, nicht nur mit internen Gremien offen und transparent umzugehen, sondern auch mit den Mitarbeitern selbst, beispielsweise auf Mitarbeiterversammlungen: Man muss in Gremien und auf Versammlungen einfach mal den Mut haben, mitzuteilen, wo man gerade steht und was man tun muss, damit möglichst viele Arbeitsplätze gesichert werden können. Sie werden schnell merken: Die Dinge werden mitgetragen und die Mitarbeiter kommen vorsichtig hinter dem Vorhang vor, weil sie Transparenz meist sofort würdigen.

Letzten Endes ist es unter anderem der Einstellung vieler Personaler geschuldet, dass es nicht viel mehr Positionen für uns in Vorständen und Geschäftsführungen gibt. Obwohl wir oft den größten Teil der Finanzen verwalten und den Unternehmenserfolg direkt mitbestimmen könnten, tragen die meisten nicht dazu bei. Eine Sanierung oder Umstrukturierung kann also eine große Chance sein, sich zu verändern, den Blick zu erweitern und die Position des Personalchefs so zu leben, wie es sein sollte.

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Thorsten Münse, Foto: Foto: © UKD

Thorsten Münse

Universitätsklinikum Düsseldorf
Thorsten Münse (40) ist seit dem 1. Oktober Personalchef am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Als Geschäftsbereichsleiter Personal ist er für alle Klinikstandorte des UKJ in Jena und damit für rund 5.000 Mitarbeiter zuständig. Münse, der vom Sana Klinikum in Offenbach kommt, folgt in dieser Position auf Christiane Reuter-Herkner. Er berichtet an Brunhilde Seidel-Kwem, kaufmännischer Vorstand und Sprecherin des Klinikumvorstands. Zu Münses Hauptaufgaben zählen die Strukturierung des HR-Bereiches als Dienstleister und Sparringspartner des Vorstands und die personaltechnische Begleitung des Umzugs der Kliniken an einen Standort in Jena-Lobeda.

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