BAG verneint vollen Urlaubsanspruch bei Jobantritt in der zweiten Jahreshälfte

Arbeitsrecht

Wer eine Beschäftigung zum 1. Juli eines Jahres oder später begründet, kann für dieses Jahr nach dem Bundesurlaubsgesetz keinen Vollurlaubsanspruch mehr erwerben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG)hat mit dieser Entscheidung (Urteil vom 17. November 2015 – 9 AZR 179/15) Rechtsklarheit geschaffen und im Urlaubsrecht einen langjährigen Streit innerhalb der arbeitsrechtlichen Literatur höchstrichterlich entschieden.

Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer war vom 1. Juli 2013 bis zum 2. Januar 2014 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Zwar wurde der Urlaubsanspruch durch einen arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrag geregelt. Zur Ermittlung des Teilurlaubanspruchs enthält der entsprechende Tarifvertrag aber einen Verweis auf die Regelungen in § 5 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). In dem zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer bis zu seinem Ausscheiden keinen Urlaub genommen und daher auf Zahlung der Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG geklagt. Die Abgeltung verlangte der Arbeitnehmer auf Basis seines Vollurlaubsanspruchs. Der Arbeitgeber hatte jedoch – entgegen dem Verlangen des Arbeitnehmers – nur den hälftigen Teilurlaub abgerechnet und ausgezahlt. In der ersten Instanz hatte der Kläger noch Recht bekommen, in den Folgeinstanzen wurde seine Klage auf Abgeltung des Vollurlaubs jedoch abgewiesen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Zwar bestimmt sich der Urlaub in dem zu entscheidenden Fall nach einen in Bezug genommenen Tarifvertrag. Dieser Tarifvertrag verweist jedoch auf die Regelung in § 5 BUrlG zum Teilurlaub, so dass dieser Fall in seiner Reichweite auch Auswirkungen auf Ansprüche auf gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz hat.

Das BAG hat entschieden, dass dem klagenden Arbeitnehmer kein voller Urlaubsanspruch, sondern nur ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG für das betreffende Kalenderjahr zugestanden hat. Es hat in seiner Entscheidung auf den Wortlaut von § 4 BUrlG (Wartezeit) als maßgeblicher Norm abgestellt und sich bei der Auslegung in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum an dem Wortlaut dieser Norm orientiert. Denn § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG nimmt auf die Wartezeit des § 4 BUrlG Bezug und bestimmt, dass ein Teilurlaubsanspruch dann entsteht, wenn wegen der Nichterfüllung der Wartezeit kein Vollurlaubsanspruch erworben wird. Nach § 4 BUrlG wird ein voller Urlaubsanspruch aber erstmalig „nach sechsmonatigem Bestehen“ des Arbeitsverhältnisses erworben und nicht bereits „mit dem sechsmonatigen Bestehen“. Aus diesem Grund – so das BAG – fallen der Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit und das Entstehen des Vollurlaubsanspruchs nicht zusammen.

Wegen Nichterfüllung der Wartezeit im Jahr 2013 hat der klagende Arbeitnehmer daher nur einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses erworben.

Diese zutreffende Auffassung findet ihre Stütze aber nicht allein im Wortlaut des § 4 BUrlG, sondern auch im Vergleich mit der Situation von Arbeitnehmern, die vom 1. Januar bis zum 30. Juni eines Jahres beschäftigt sind und bei einem Ausscheiden in der ersten Jahreshälfte, das heißt bis einschließlich zum 30. Juni, ebenfalls nur einen Teilurlaubsanspruch erwerben.

Auswirkungen für die Praxis
Mit der vorliegenden Entscheidung ist eine weitere Rechtsfrage im Urlaubsrecht abschließend geklärt und damit wieder ein Stück mehr Rechtssicherheit gewonnen.

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Doreen Methfessel, Foto: Privat

Doreen Methfessel

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Doreen Methfessel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt.

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