Wer bestimmt bei Einführung von MS Office 365 mit?

Arbeitsrecht

Die Einführung von Microsoft Office 365 (folgend MS 365) hat zu erheblichen Veränderungen geführt. Waren die Office-Programme früher lokal auf dem Computer gespeichert, ist MS 365 cloudfähig. Das LAG Köln (Beschluss vom 21. Mai 2021, 9 TaBV 28/20) hat nun nicht nur die in der Praxis herrschende Ansicht bestätigt, dass die Einführung von MS 365 der Mitbestimmung des Betriebsrates (folgend BR) nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt, sondern zugleich klargestellt, dass bei unternehmensweiter Einführung die Zustimmung des Gesamtbetriebsrates (folgend GBR) vorliegen muss.

Sachverhalt

Die dd GmbH & Co. KG und die zur selben Unternehmensgruppe gehörende dt GmbH, IT-Gesellschaft der Gruppe, betrieben einen Gemeinschaftsbetrieb W mit über 2.000 Mitarbeitenden. Die Unternehmen beabsichtigten, MS 365 in allen Betrieben ihrer Unternehmen einzuführen. Es sollten die Microsoft-Produkte Teams, Yammer, Office Pro Plus, Sway, Planner, Stream, Flow Forms, Power Apps und ToDo eingeführt werden. Nach der Vorhabenbeschreibung würde Microsoft für jedes Unternehmen einen sogenannten Tenant anlegen, unter dem die erhobenen Daten in einer Cloud gespeichert werden (1-Tenant-Lösung). MS 365 werde über die zentralisierte Vergabe von Administrationsrechten administriert, wobei auch Daten anderer Betriebe beider Unternehmen verarbeitet und zentral in einer Cloud gespeichert würden. Zugriff, Verwaltung und Auswertung der für die Betriebe gespeicherten Daten erfolge zentral über Administratoren in K. Mit der Einführung von MS 365 ergäben sich neue Möglichkeiten der team- und standortübergreifenden Zusammenarbeit und Informationsbeschaffung. Nach Zustimmung der Gesamtbetriebsräte beider Unternehmen ist MS 365 in vielen Betrieben beider Unternehmen eingeführt worden.

Der den Rechtstreit einleitende örtliche BR des Gemeinschaftsbetriebs W ist indes der Ansicht, nicht der GBR, sondern er selbst müsse der Einführung von MS 365 zustimmen. Der BR bestritt die zwingende technische Notwendigkeit einer unternehmens- beziehugsweise konzernweiten Regelung für die Einführung von MS 365. Aufgrund unterschiedlicher betrieblicher Belange könnten die einzelnen Module mit differenzierten Regelungen in den einzelnen Betrieben genutzt werden. Zentrale Administrationsrechte könnten durch unterschiedliche Anweisungen auf betrieblicher Ebene geregelt werden. Auf die Datenspeicherung in einer Cloud komme es nicht entscheidend an, da ansonsten alle technischen Einrichtungen mit einer Datenspeicherung in einer Cloud auf GBR-Ebene mitbestimmungspflichtig wären.

Demgegenüber argumentierten die Arbeitgeber, die Nutzungsdaten von MS 365 würden aufgrund der Verwendung der Cloudlösung über die Betriebsgrenzen hinaus zentral verarbeitet. Würden einzelne Module in den einzelnen Betrieben verwaltet, gäbe es keine zentrale Administrationsmöglichkeit mehr. Das hätte zur Folge, dass notwendige Konfigurationen doppelt ausgeführt oder extra programmiert werden müssten. Überdies führe eine betriebsbezogene Nutzung der Regelungen einzelner Programmteile dazu, dass sich diese Funktionen lediglich abschalten ließen.

Entscheidung

Wie zuvor beim ArbG Bonn war der Antrag des örtlichen BR auch beim LAG Köln erfolglos. Bei MS 365 handele es sich um eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, die dazu bestimmt sei, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Nach der BAG-Rechtsprechung sei dies schon der Fall, wenn die Einrichtung hierzu objektiv geeignet sei, auf subjektive Überwachungsabsichten des Arbeitgebers komme es nicht an. Nachdem bei der Verwendung der verschiedenen Module von MS 365 das Nutzungsverhalten wie zum Beispiel die Nutzungszeit erfasst und Nutzungsanalysen erstellt würden, lägen die Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestands vor.

Der örtliche BR habe nicht mitzubestimmen, weil die unternehmensweite Einführung von MS 365 eine Angelegenheit sei, die das Gesamtunternehmen über mehrere Betriebe betreffe; sie könne nicht durch einzelne Betriebsräte innerhalb der Betriebe geregelt werden, weil objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung bestehe. Aufgrund der Datenspeicherung in der Cloud und der zentralen Systemadministration durch in K ansässige Administratoren könne der Einsatz von MS Office 365 aus technischen Gründen nur unternehmenseinheitlich geregelt werden. Insofern handele es sich um eine zentrale Datenverarbeitung, weil die Administratoren über Zugriffs- und Auswertungsmöglichkeiten in Bezug auf die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anderer Betriebe erfassten Daten verfügen. Die zentrale Vergabe von Administrationsrechten sei der Entscheidung für die 1-Tenant-Lösung geschuldet, die systemseitig eine zentrale Administration vorsehe. Die Entscheidung für die 1-Tenant-Lösung unter Ablehnung der Multi-Tenant-Lösung hätten die Betriebsparteien gemeinsam getroffen. Zudem bestehe keine Möglichkeit, die verschiedenen Module von MS 365 derart unterschiedlich zu administrieren, dass das technisch zwingende Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Regelung entfalle.

Im Vordergrund stehe, dass unternehmensweit ein cloudbasiertes System eingeführt werden sollte. Dem sei aufgrund der damit verbundenen Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten das Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Einführung inhärent. Dies sei der einheitlich zu betrachtende Mitbestimmungstatbestand, dessen Aufteilung nicht in Betracht komme. Eine örtliche Regelbarkeit der einzelnen Module sei teils selbst aus Sicht des BR nicht möglich, teils bestünden keine unterschiedlichen Administrationsmöglichkeiten, die das technisch zwingende Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Regelung entfallen ließen (in Bezug auf die einzelnen Module näher ausgeführt). Dass man bei Teams unterschiedliche Einstellungen für unterschiedliche Nutzergruppen vornehmen könne, führe nicht dazu, dass die dabei entstehenden Daten im lokalen Betrieb verblieben, weil Speicherung und Verarbeitung über die Cloud erfolge, so dass Administratoren in K weiterhin Zugriffs- und Auswertungsmöglichkeiten hätten. Im Ergebnis gleiches gilt für Office Pro Plus; zwar könnten diese Module nach Download aus der Cloud lokal installiert und dann unabhängig von der Cloud genutzt werden, womit keine betriebsübergreifende Überwachungsmöglichkeit mehr bestehe. Für die Zuständigkeit zur Ausübung des Mitbestimmungsrechtes sei dies aber unerheblich, weil es hier nicht um diese einzelnen Module und unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten gehe, sondern um die Einführung von MS 365 als Gesamtpaket einschließlich der damit verbundenen Cloud-Nutzung. Dies sei ein anderer Mitbestimmungsgegenstand als separat erworbene und genutzte Einzelmodule. Ein technisch zwingendes Erfordernis fehle nicht deshalb, weil eine andere technische Einrichtung keine Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten biete. Gleiches gelte für die vom antragstellenden BR vorgeschlagene Nutzung betriebslokaler Exchange Server und die Anmietung weiterer Tenants.

Praxisfolgen

Dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung von MS 365 besteht, war nicht wirklich zweifelhaft. Das ist nun zumindest zweitinstanzlich abgesichert.

Der bedeutsamere Aspekt der Entscheidung liegt in der Feststellung, dass bei Bestehen eines GBR dieser mitzubestimmen hat und nicht etwa lokale Betriebsräte. Nach § 50 Abs. 1 BetrVG setzt dies voraus, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die das Gesamtunternehmen oder jedenfalls mehrere Betriebe betrifft und nicht durch einzelne Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann. Entsprechendes gilt übrigens nach § 58 Abs. 1 BetrVG für einen Konzernbetriebsrat in Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass MS 365 nur dann der Mitbestimmung des GBR unterliegt, sobald die Software cloudbasiert unternehmensweit eingeführt und betriebsübergreifend zentral administriert wird. Dies führt zur Sperre der Zuständigkeit lokaler Betriebsräte. Abzuwarten bleibt, ob das BAG dies bestätigt; der BR hat Revision gegen die Kölner Entscheidung eingelegt (BAG 1 ABR 20/21).

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Axel J Klasen, Foto: Privat

Axel J. Klasen

Axel J. Klasen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei GvW Graf von Westphalen.

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