Arbeitsrecht: neue Regelung für interne Untersuchungen?

Arbeitsrecht

Ein Verbandssanktionengesetz soll künftig einen neuen Rahmen für Internal Investigations in Unternehmen schaffen. Was besagt der Gesetzesentwurf?

Im August 2019 wurde der lang erwartete Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zu einem Verbandssanktionengesetz veröffentlicht. Über die Thematik wurde schon lang und viel diskutiert. Sind Strafvorschriften für Unternehmen überhaupt nötig? Reichen bisherige Vorschriften nicht aus? Welche Rolle werden Compliance Systeme spielen? Was ändert sich für Internal Investigations?

Der Referentenentwurf sieht in seinem § 17 ausdrücklich unternehmensinterne Untersuchungen (sog. Internal Investigations) zur Aufklärung vor. § 18 erlaubt Sanktionsmilderungen für betroffene Unternehmen, wenn ihre Untersuchungen bestimmte Voraussetzungen an ein „faires Verfahren“ erfüllen. § 18 Abs. 1 Nr. 5 regelt das “faire Verfahren”:

  • Mitarbeiter müssen vor der Befragung darauf hingewiesen werden, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können,
  • Befragte haben das Recht, anwaltlichen Beistand oder ein Mitglied des Betriebsrats zur Befragung hinzuzuziehen und müssen hierauf hingewiesen werden und
  • sie müssen ein Auskunftsverweigerungsrecht haben und hierauf hingewiesen werden.

Die Einhaltung dieser drei Grundsätze, die kumulativ erfüllt werden müssen, muss gemäß § 18 Abs. 2 dokumentiert werden.

Die Vorschrift schränkt damit den bisherigen Rechtsrahmen interner Ermittlungen ein. Denn nach herrschender Ansicht handelt es sich auch bei der Befragung – dem Kern einer Internal Investigation – um ein Personalgespräch. Der Arbeitnehmer ist zur Teilnahme verpflichtet und muss uneingeschränkt Auskunft erteilen, soweit seine Arbeitsaufgabe betroffen ist. Wenn er Kundengespräche führt, Rechnungen einbucht oder Zusagen an Dritte macht, muss er dem Arbeitgeber hierüber uneingeschränkt Angaben machen – auch wenn er dabei seine vertraglichen Pflichten verletzt hätte und sich selbst belasten würde. Außerhalb der aufgabenbezogenen Auskunftspflicht besteht die Nebenpflicht betriebliche Missstände, Rechtsverstöße oder Straftaten zu melden, wenngleich Beschäftigte sich hierbei nicht selbst belasten müssen.

Ein Aussageverweigerungsrecht besteht ebenso wenig wie ein Beweisverwertungsverbot. Bei der Frage, ob Dritte hinzugezogen werden können, wird unterschieden: Fälle, in denen der Arbeitnehmer den Betriebsrat hinzuziehen darf, sind gesetzlich geregelt (§§ 81 bis 84 Betriebsverfassungsgesetz), darüber hinaus besteht kein Anspruch. Die Frage, ob der Beschäftigte einen Rechtsbeistand zum Personalgespräch hinzuziehen kann, ist umstritten. Ob ein Beistand zugelassen wird, wird meist schon jetzt als Frage der “Waffengleichheit” bzw. “Fairness” diskutiert.

Büßen Befragungen durch die geplanten Vorgaben an Effektivität ein?

Das Ministerium geht vom Gegenteil aus: Falschaussagen würden verhindert, der Beweiswert erhöht. Und Unternehmen sollen keine Sanktionsmilderungen erhalten, weil sie Druck auf die Beteiligten ausgeübt haben.

Ob durch das vorgesehene Verfahren Umfang, Qualität und Belastbarkeit der dann noch getätigten Aussagen steigen, darf jedoch bezweifelt werden. Denn faktisch wird ein Arbeitnehmer sich allen Fragen entziehen, wenn er Täter war. Der Entwurf steht insoweit auch im Widerspruch zur bisherigen herrschenden Meinung zur Auskunftspflicht.

Tatsächlich erfolgen schon heute Befragungen nicht selten mit dem Hinweis, dass der Arbeitnehmer einerseits die Verpflichtung habe, Aussagen zu seiner Tätigkeit zu machen, andererseits aber keine Angaben machen müsse, wenn er sich hierdurch selbst belaste. Faktisch wird in vielen Fällen den Befragten ein Recht eingeräumt, dass sie nach der bisherigen Rechtslage nicht haben. Sollten die neuen Regelungen Wirklichkeit werden, wird es der Kunst der Interviewer bedürfen, zwischen diesen Leitplanken zu bestmöglichen Ergebnissen zu kommen.– ein weiterer Grund, die Befragung Experten zu überlassen. Ob, wie und wann ein Verbandssanktionsgesetz in Kraft treten wird, bleibt ohnehin abzuwarten, da sich das Gesetzgebungsverfahren noch am Anfang befindet.

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Martin Lützeler, CMS

Martin Lützeler

Dr. Martin Lützeler ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Er berät als Fachanwalt für Arbeitsrecht deutsche und ausländische, multinationale Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Fragen, insbesondere zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Rainer Kienast, CMS

Rainer Kienast

Dr. Rainer Kienast ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Er betreut Arbeitgeber bei strafbaren Handlungen durch Arbeitnehmer bei der Aufklärung. Zudem vertritt er sie in den arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen und berät in Compliance-Angelegenheiten aller Art.

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