Homeoffice im Ausland: Was rechtlich zu beachten ist

Arbeitsrecht

Global Mobility, grenzüberschreitende Arbeitnehmereinsätze, erfahren in der Corona-Pandemie einen neuen Spin. Das erscheint zunächst paradox: Ist Global Mobility in Zeiten von Corona überhaupt ein Thema? Die Zahl der Dienstreisen ist stark zurückgegangen. In vielen Ländern gelten Einreisebeschränkungen. Hohe Fallzahlen und strenge Quarantäne- und Untersuchungspflichten machen Entsendungen unattraktiv, wenn nicht sogar für Arbeitnehmer unzumutbar. Viele Beschäftigte arbeiten im Homeoffice statt im Büro. Arbeiten war andererseits noch nie so wenig ortsgebunden. Dadurch ist eine andere Art der grenzüberschreitenden Tätigkeit in den Fokus getreten: Das Homeoffice im Ausland – meist auf Wunsch der Arbeitnehmerin. Erste Unternehmen haben angekündigt, ihren Mitarbeitenden Arbeiten „von überall“ zu ermöglichen. Doch wie geht das?

Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag treffen

Unternehmen sollten die wesentlichen Voraussetzungen der Arbeit im Ausland in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag festhalten. Dies gilt auch dann, wenn die Initiative vom Arbeitnehmer ausging.

Bei vorübergehenden Auslandseinsätzen ist in der Regel das Arbeitsrecht des Entsendestaats weiter anwendbar. Bestimmte Regelungsbereiche, wie Mindestlohn, Arbeitszeit und Arbeitsschutz, richten sich hingegen trotz Rechtswahl stets nach dem Ortsrecht. In vielen europäischen Ländern sind bei Entsendungen Meldeplichten zu beachten, die meist vor Aufnahme der Tätigkeit erfüllt werden müssen und fast überall online erfolgen.

Aufenthaltsrecht prüfen und Aufenthaltstitel sichern

Die erste Frage vor einem Auslandsaufenthalt gilt dem Aufenthaltsrecht. Innerhalb der EU sind EU-Bürger durch die Freizügigkeit privilegiert. Aufenthaltsrechtlich ist also der Wunsch einer EU-Bürgerin, das Homeoffice zur Familie in Italien zu verlegen, kein Problem. In Drittstaaten ist Erwerbstätigkeit dagegen in der Regel nur mit einem entsprechenden Aufenthaltstitel zulässig. Seit 1. Januar 2021 gilt dies auch für Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs.

Aufenthaltstitel, die eine Arbeitserlaubnis umfassen, beruhen auch innerhalb Europas auf nationalem Recht, selbst wenn ihnen Verordnungen der EU zugrunde liegen. In der Praxis wichtige Aufenthaltstitel, die Drittstaatsangehörigen das Arbeiten in Deutschland ermöglichen, sind die Blaue Karte EU und die ICT-Karte. Die Blaue Karte setzt einen deutschen oder vergleichbaren ausländischen Abschluss voraus und erfordert ein Arbeitsplatzangebot oberhalb einer jährlich neu festgesetzten Gehaltsgrenze. Letztere liegt 2021 regulär bei 56.800 Euro sowie für Ärzte und in MINT-Berufen bei 44.304 Euro. Die ICT-Karte ermöglicht konzerninterne Entsendungen nach Deutschland.

Möchte ein brasilianischer Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens, der von der zuständigen Ausländerbehörde in Deutschland eine Blaue Karte EU erhalten hat, bei seiner Lebenspartnerin in Amsterdam im Homeoffice arbeiten, reicht dieser Titel nicht. Die Blaue Karte ermöglicht zwar Dienstreisen in andere Mitgliedstaaten, erlaubt aber nicht, dort zu arbeiten. Der Mitarbeiter benötigt einen niederländischen Aufenthaltstitel – der ist jedoch allein für die Tätigkeit im Homeoffice schwierig zu erlangen.

Einreisebeschränkungen einkalkulieren

Zu den allgemeinen Anforderungen des Aufenthaltsrechts treten während der Corona-Pandemie zusätzliche Voraussetzungen. Unternehmen müssen örtliche Einreisebeschränkungen sowie Quarantäne- und Untersuchungspflichten einkalkulieren.

So gilt derzeit, dass Nicht-EU-Bürger – mit Ausnahme von Einreisenden aus den Zero-Covid-Staaten Australien, Neuseeland, Singapur, Südkorea und Thailand – aus Drittstaaten nur nach Deutschland einreisen dürfen, wenn sie zu ihrem Wohnsitz zurückkehren, eine wichtige Funktion ausüben oder ihre Reise zwingend notwendig ist. Der Maßstab der zwingenden Notwendigkeit beruht auf der entsprechenden Empfehlung des Rates der Europäischen Union und gilt daher in ähnlicher Weise auch in anderen EU-Staaten. Seit 1. Januar 2021 gilt dieser strenge Maßstab auch für Einreisen aus Großbritannien. Unionsbürger und Staatsangehörige Liechtensteins, der Schweiz, Norwegens und Islands sind von den Einreisebeschränkungen grundsätzlich ausgenommen, müssen aber je nach aktueller Herkunft Test- und Quarantänepflichten beachten.

Eine zwingende Notwendigkeit kommt bei Einreisen ausländischer Fachkräfte und anderer hoch qualifizierter Arbeitnehmer nach Deutschland nur in Betracht, wenn die Beschäftigung aus wirtschaftlicher Sicht notwendig ist und die Arbeit nicht aufgeschoben oder vom Ausland aus erledigt werden kann. Dafür ist normalerweise eine Bestätigung des Arbeitgebers ausreichend.

In der Praxis wird dies jedoch teilweise strenger gehandhabt. So verlangen etwa die deutschen Generalkonsulate in China aufgrund der großen Hindernisse, die Einreisen nach China derzeit entgegenstehen, dass chinesische Antragsteller zusätzlich die zwingende Notwendigkeit einzelfallbezogen durchRegierungsempfehlungen mindestens auf Stadt-, besser auf Landesebenebelegen. Das ist für deutsche Arbeitgeber, die zusammen mit ihrem zukünftigen Arbeitnehmer bereits alle Antragsunterlagen für den Aufenthaltstitel zusammengestellt haben, teilweise unbefriedigend und frustrierend. Die Empfehlung kann nämlich nur dann ausgesprochen werden, wenn der Einsatz der chinesischen Fach- oder Führungskraft einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft der Region oder der EU hat, idealerweise sogar Arbeitsplätze vor Ort sichert und nicht durch einen Unionsbürger übernommen werden kann. Für viele Positionen ist dies schlicht unmöglich herzuleiten.

Auch selbständige und angestellte Geschäftsreisende können als Drittstaatsangehörige von außerhalb der EU nur dann einreisen, wenn durch eine Arbeitgeberbescheinigung und eine Bestätigung des Geschäftspartners in Deutschland hinreichend glaubhaft gemacht wird, dass die Einreise in der Pandemiesituation unbedingt erforderlich ist. Die entsprechenden Dokumente müssen während der Reise mitgeführt werden.

Anwendbares Sozialversicherungsrecht klären

Das anwendbare Sozialversicherungsrecht richtet sich im Grundsatz nach dem Ort der Beschäftigung. Für vorübergehende Aufenthalte gibt es jedoch nach dem EU-Recht und nach den mit außereuropäischen Staaten bestehenden Sozialversicherungsabkommen Ausnahmen, die den Verbleib im Sozialversicherungsrecht des Heimatlandes festlegen.

Weltweit gilt eine solche Ausnahme nach Maßgabe von Sozialversicherungsabkommen vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers ins Ausland geht, um dort für einen befristeten Zeitraum für ihn tätig zu werden – also im Fall der klassischen Entsendung. Auch innerhalb der EU – sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und aufgrund des jüngsten Abkommens im Vereinigten Königreich – gilt bei Entsendungen von bis zu 24 Monaten das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaats weiter.

Speziell in Europa kommt häufig eine zweite Ausnahme zum Tragen. Hier gilt das Sozialversicherungsrecht des Wohnmitgliedsstaats auch dann weiter, wenn dort bei gleichzeitiger Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten ein wesentlicher Anteil von mindestens 25 Prozent der Tätigkeit erbracht wird. Dabei genügt es, wenn der Anteil auf einen längeren Zeitraum verteilt erreicht wird. Anders als bei der Entsendung ist dabei nicht Voraussetzung, dass der Aufenthalt vom Arbeitgeber veranlasst ist. Der Tatbestand hilft daher auch bei internationalen Homeoffice-Fällen, die in der Regel auf dem Wunsch des Arbeitnehmers beruhen.

Für Fälle, die nicht ganz in eine der Fallgruppen passen, kann das gewünschte Ergebnis zudem oft über eine Ausnahmevereinbarung herbeigeführt werden.

Innerhalb Europas wird die alleinige Sozialversicherungspflicht im Heimatstaat durch eine A1-Bescheinigung nachgewiesen.

Ausblick: Neue Arbeitsmodelle und neue Rechtsfragen

Global Mobility hat sich in der Pandemie auf andere Sachverhalte und teilweise auch auf andere Rechtsfragen verlagert. Innerhalb Europas ist dank des hohen Stellenwerts der Freizügigkeit auch in der aktuellen Situation vieles möglich. An die neuen Arbeitsmodelle, die dadurch entstehen, sollten Unternehmen auch nach der Pandemie weiter anknüpfen.

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Julia Tänzler-Motzek, Rechtsanwältin bei CMS

Julia Tänzler-Motzek

Rechtsanwältin und Senior Associate
CMS Hasche Sigle
Julia Tänzler-Motzek ist Rechtsanwältin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie ist im Bereich Arbeitsrecht tätig und berät Unternehmen insbesondere bei der Vertragsgestaltung sowie bei der Auslandentsendung von Mitarbeitern.

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