Die Abfrage des Impfstatus – das unbekannte Wesen?

Arbeitsrecht

Anfang Oktober 2021 waren in Deutschland 64 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Corona geimpft. Mit zunehmender Impfquote können Schutzmaßnahmen sukzessive zurückgefahren werden – auch in der Arbeitswelt. Doch die Impfbereitschaft nimmt ab, und die Herdenimmunität scheint nicht in Reichweite.

Für die Arbeitgeber entstehen dadurch verschiedene Herausforderungen. Um Maßnahmen des Gesundheitsschutzes reduzieren zu können, bräuchten sie belastbare Informationen über den Impfstatus der Beschäftigten. Gleichzeitig sind sie angehalten, ihre Beschäftigten je nach Impfstatus unterschiedlich zu behandeln – beispielsweise bei der Auszahlung des Entgeltausfalls für behördlich angeordnete Quarantäne. Die Hoffnung auf klare Vorgaben des Gesetzgebers haben sich bisher nicht bewahrheitet. Darum sind kreative Lösungen gefragt.

Die rechtliche Situation

Mit Beginn der Impfkampagne kam schnell die Frage auf, ob der Arbeitgeber Auskunft über den Impfstatus der Beschäftigten verlangen darf. Dies ließ sich bis vor Kurzem nur über die datenschutzrechtliche Generalklausel aus § 26 Bundesdatenschutzgesetz begründen. Da der Impfstatus zu den besonders geschützten Gesundheitsdaten im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 Datenschutzgrundverordnung zählt, war daher eine Erhebung zum Impfstatus nur zulässig, sofern sie zur Erfüllung arbeitsrechtlicher Pflichten erforderlich war. Praktikabel denkende Unternehmen und ihre Arbeitsrechtsabteilungen wiesen zur Begründung auf die erforderlichen Hygienekonzepte hin, die sich mit Kenntnis des Impfstatus flexibler gestalten ließen.

Diese Argumentation ist mit der seit September 2021 geltenden gesetzlichen Regelung in Zweifel gezogen. Zwar dürfen nun gemäß § 36 Absatz 3 Infektionsschutzgesetz bestimmte Arbeitgeber (insbesondere Krankenhäuser, Schulen und Kindertagesstätten) den Impfschutz ihrer Beschäftigten abfragen. Umgekehrt scheint die Gesetzgebung aber anzunehmen, alle sonstigen Einrichtungen hätten ein derartiges Bedürfnis nicht oder jedenfalls nur in Einzelfällen. Eine Erhebung des Impfstatus bleibt zwar nach der oben erwähnten Generalklausel aus § 26 Bundesdatenschutzgesetz möglich. Sofern der Arbeitgeber beispielsweise für die Abrechnung des Entgeltausfalls nach Quarantäne wissen muss, ob ein Impfschutz und damit ein Anspruch auf die staatliche Leistung besteht, sollte er den Status erfragen dürfen. Ob allein die Aufstellung eines maßgeschneiderten Hygienekonzepts eine standardisierte Abfrage des Impfstatus erlaubt, erscheint im Lichte der rudimentären gesetzlichen Regelung aber fraglich. Wer als Arbeitgeber angesichts der unklaren Rechtslage keine Bußgeldverfahren riskieren will, muss demnach andere Mittel ergreifen.

Freiwillige Auskunft der Beschäftigten

Wenn kein Anspruch auf Auskunft besteht, kann der Arbeitgeber gleichwohl um freiwillige Mitteilung bitten. Doch Freiwilligkeit bedeutet, dass Beschäftigte die Auskunft auch verweigern dürfen. Sanktionen gegen nicht auskunftswillige Beschäftigte, wie eine Abmahnung, wären unzulässig.

Um die Auskunftsbereitschaft oder letztlich gar die Impfbereitschaft zu steigern, griffen Unternehmen daher zuletzt zu mehr oder weniger ausgefeilten Ansätzen. Wer auf die Bequemlichkeit der Beschäftigten baute, richtete auf dem Betriebsgelände ein eigenes Impfzentrum ein. Auch die bezahlte Freistellung für einen Impftermin soll Impfwillige unterstützen. Gleichzeitig erfährt der Arbeitgeber anhand der Abmeldung, wer wann den Impftermin wahrnimmt, was wiederum zu Fragen hinsichtlich Speicherung und Nutzung dieser Information führt.

Wer noch gezielter steuern will, lobt finanzielle Anreize für Geimpfte aus. Die Zulässigkeit von Impfprämien für die Beschäftigten wird zwar teilweise mit Hinweis auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinterfragt. Eine Differenzierung aufgrund sachlicher Kriterien verbietet dieser Grundsatz aber nicht. Die finanzielle Honorierung der Impfbereitschaft erscheint insoweit auch nachvollziehbar. Denn mit steigender Impfquote sinkt das Risiko von Ansteckungen, Ausfällen und Quarantäneanordnungen innerhalb der Belegschaft.

Nach ersten Erkenntnissen entsteht ein effektiver Anreiz allerdings erst, wenn die Prämie einen substanziellen Betrag erreicht. Die Kenntnis über den Impfstatus wäre damit teuer erkauft. Weniger finanzielle Mittel bei gleichzeitiger höherer Aufmerksamkeit erfordern Impflotterien, bei denen Begünstigte aus dem Kreis der Geimpften gelost werden und eine Prämie

Wie mit den gewonnenen Daten umgehen?

Hat der Arbeitgeber die gewünschten Informationen zum Impfstatus erhalten, hören die Schwierigkeiten jedoch nicht auf. Als Gesundheitsdaten sind diese Informationen besonders sensibel. Arbeitgeber sollten daher sorgfältig definieren, wie die Informationen gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Ein allgemeines Zugriffsrecht für die gesamte Personalabteilung ließe sich angesichts des besonderen Schutzes der Gesundheitsdaten aus Artikel 9 Datenschutzgrundverordnung wohl nur schwer rechtfertigen.

Schließlich gilt – wie auch sonst im Datenschutzrecht – der Grundsatz der Zweckbindung. Eine Verarbeitung der Daten ist danach grundsätzlich nur zu dem Zweck zulässig, zu dem sie erhoben wurden. Das gilt auch, wenn die Datenverarbeitung auf Grundlage einer Einwilligung erfolgt. Die Mitteilung des Impfstatus im Rahmen eines Gewinnspiels gibt dem Arbeitgeber daher eigentlich keinen Blankoscheck, diese Kenntnis an anderer Stelle einzusetzen – es sei denn, die Beschäftigten haben dieser Verwendung bei der Angabe ausdrücklich zugestimmt.

Die Vorstellung, der Arbeitgeber dürfe einen ihm bekannten Impfstatus nicht für den betrieblichen Gesundheitsschutz berücksichtigen, erschien dem Gesetzgeber dann aber offenbar widersinnig. Jedenfalls insoweit hilft die Rechtslage: Die im September in Kraft getretene SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sieht in § 2 Absatz 1 Satz 3 jedenfalls vor, dass der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten bei Maßnahmen zum Infektionsschutz berücksichtigen darf. Eine explizite Einwilligung der Beschäftigten für die Nutzung zu diesem Zweck soll also offenbar nicht erforderlich sein. Ob diese Regelung mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung vereinbar ist, stößt freilich auf gewisse Bedenken.

Fazit: Ein undurchsichtiges System

Für Arbeitgeber ohne personell gut aufgestellte Rechts- und Personalabteilungen ist die Problematik des Umgangs mit Geimpften einerseits und Ungeimpften andererseits kaum zu durchschauen. Viele Arbeitgeber entscheiden sich daher mangels erkennbarer Alternativen, ihre Beschäftigten für die Belange des Gesundheitsschutzes aus Gründen der Vorsicht wie Ungeimpfte zu behandeln. Ob dies im Sinne des Gesetzgebers ist, mag man bezweifeln.

Nun lässt sich über die grundrechtliche Rechtfertigung einer Auskunftspflicht oder gar einer Impfverpflichtung streiten. Eine Auskunftspflicht über sensible Gesundheitsdaten sollte der Gesetzgeber nicht leichtfertig normieren. Und auch gegen eine Impfpflicht gibt es gut nachvollziehbare Gründe. Doch der Gesetzgeber handelt inkonsequent: Der Arbeitgeber soll den Gesundheitsschutz an den Impfschutz der Beschäftigten anpassen. Und Ungeimpften soll er die Auszahlung der Entschädigung für den Entgeltausfall bei einer Quarantäne verweigern, auch wenn sie nicht zu einer Impfung verpflichtet sind. Aber wie er die erforderlichen Informationen bekommt, bleibt ihm überlassen.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Politik habe die aus ihrer Sicht unangenehmen Entscheidungen vermieden, um die Lösung des Umgangs mit Ungeimpften anderen zu überlassen. Der erst kürzlich vergangene Wahlkampf mag daran seinen Anteil gehabt haben. Ein klareres Bekenntnis der Politik, wie das Verhältnis von Gesundheitsschutz zu persönlichen Freiheiten in der Spätphase der Pandemie definiert werden soll, ist wünschenswert. Denn in der aktuell schwer zu durchschauenden Regelungslandschaft verbleibt vor allem Unsicherheit aufseiten der Arbeitgeber. Damit ist bei dem herausfordernden Weg zurück in die Normalität niemandem geholfen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Ideale. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Christoph Seidler

Osborne Clarke
Christoph Seidler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke in Hamburg. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in betriebsverfassungs-rechtlichen Fragen, insbesondere im Kontext von New Work und Arbeitsrecht 4.0.

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