Betriebsratswahlen: Die 10 größten Fehler für Arbeitgeber

Arbeitsrecht

Alle (vier) Jahre wieder: In der Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai 2022 findet die turnusmäßige Betriebsratswahl statt. Arbeitgeber sollten auf die ordnungsgemäße Wahldurchführung ein Auge haben – denn Fehler können zur Anfechtbarkeit oder sogar zur Nichtigkeit der Wahl führen. Im schlimmsten Fall droht dann eine Wahlwiederholung, was unnötig Zeit, Geld und Nerven kostet. Doch wo lauern aus Arbeitgebersicht die häufigsten Fehlerquellen? Ein Überblick.

1. Verkennung des Betriebsbegriffs

Der „Betrieb“ ist Anknüpfungspunkt für die Betriebsratswahl. In Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Beschäftigten, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt. Ein solcher Betrieb ist die organisatorische Einheit, in der unter einem einheitlichen Leitungsapparat mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden. Welche organisatorischen Einheiten betriebsratsfähig sind und welche nicht, ist in der Praxis nicht immer leicht zu beurteilen.

2. Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands

Bei der Bestellung des Wahlvorstands ist zu beachten, dass dieser im Grundsatz aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen muss. Wenn im Betrieb bereits ein Betriebsrat besteht, ist dieser für die Bestellung des Wahlvorstands zuständig. Ist das nicht der Fall, wird der Wahlvorstand vom Gesamt- beziehungsweise Konzernbetriebsrat bestellt. Fehlt es an diesen Gremien, wird der Wahlvorstand auf einer Betriebsversammlung gewählt. Als letzte Möglichkeit bleibt die gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands.

3. Unzutreffende Ermittlung der Betriebsratsgröße

Die korrekte Ermittlung der „Sollgröße“ des zu wählenden Betriebsrates kann Schwierigkeiten bereiten. Dabei richtet sich die Zahl der Mitglieder, aus denen sich der künftige Betriebsrat zusammensetzt, nach der Zahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten (wahlberechtigten) Arbeitnehmenden. Hier können auch künftige, sich konkret abzeichnende Entwicklungen der Belegschaftsstärke zu berücksichtigen sein. Ferner sind beispielsweise Teilzeitkräfte nach Köpfen – und nicht etwa anteilig – zu zählen.

4. Fehlbeurteilung des aktiven und passiven Wahlrechts

Nach dem zum 18. Juni 2021 in Kraft getretenen Betriebsrätemodernisierungsgesetz sind nun alle Beschäftigten, die das 16. Lebensjahr (zuvor: 18. Lebensjahr) vollendet haben, aktiv wahlberechtigt. Auch Leihbeschäftigte im Entleiherbetrieb sind zur Stimmabgabe berechtigt, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden. Wählbar (passives Wahlrecht) sind alle Arbeitnehmenden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und zum Zeitpunkt der Wahl bereits sechs Monate dem Betrieb angehören. Leihmitarbeitende können im Entleiherbetrieb nicht gewählt werden. Die Wahlberechtigten (aktiv und passiv) müssen durch den Wahlvorstand in einer Wählerliste erfasst werden. Für die Erstellung der Wählerliste muss die Arbeitgeberseite dem Wahlvorstand alle notwendigen Auskünfte geben und erforderlichen Unterlagen bereitstellen.

5. Fehler im Wahlausschreiben

Im Zusammenhang mit dem Wahlausschreiben passieren regelmäßig folgende Fehler:

  • Das Wahlausschreiben wird nicht mindestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe erlassen.
  • Das Wahlausschreiben genügt nicht den inhaltlichen Anforderungen der Wahlordnung.
  • Das Wahlausschreiben wird nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben.

6. Wahl im falschen Wahlverfahren

Ein weiteres Risiko besteht in der Wahldurchführung im falschen Wahlverfahren. Nach dem Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes findet in Betrieben mit fünf bis 100 wahlberechtigten Mitarbeitenden zwingend das vereinfachte Wahlverfahren statt. Bei 101 bis 200 wahlberechtigten Personen greift zwar grundsätzlich das normale Wahlverfahren – Arbeitgeber und Wahlvorstand können sich aber auf das vereinfachte Wahlverfahren verständigen. Ab 201 wahlberechtigten Beschäftigten ist zwingend das normale Wahlverfahren durchzuführen.

7. Verletzung des arbeitgeberseitigen Neutralitätsgebots

Der Arbeitgeber hat das Neutralitätsgebot zu wahren. Es untersagt jede unzulässige Beeinflussung der Wahl durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Versprechen eines Vorteils. Aber nicht jede Meinungsäußerung in Bezug auf die Wahl ist verboten. Der Arbeitgeber darf zum Beispiel den bestehenden Betriebsrat (sachlich) kritisieren oder gezielt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ansprechen, sich zur Wahl aufstellen zu lassen.

8. Fehler am Wahltag selbst

Auch am Wahltag selbst kommt es zu Fehlern. Zu beachten ist:

  • Während der Wahl müssen immer zwei stimmberechtigte Wahlvorstandsmitglieder oder ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied und ein Wahlhelfer anwesend sein.
  • Die Wahl ist geheim, was der Wahlvorstand durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat.
  • Die Stimmabgabe endet mit Ablauf der im Wahlausschreiben festgelegten Zeit.
  • Nach Beendigung der Wahl muss die Urne so versiegelt werden, dass eine Öffnung ohne erkennbare Verletzung des Verschlusses ausgeschlossen ist.

9. Missachtung von Fristen

Häufig kommt es vor, dass Fristen falsch berechnet oder gar nicht beachtet werden. Eine Visualisierung der einzelnen Verfahrensschritte – im Sinne eines Zeitstrahls – hat sich bewährt. Dann ist leicht erkennbar, welche Maßnahme zu welchem Zeitpunkt ergriffen werden muss.

10. Unzureichende Berücksichtigung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes im Übrigen

Auch an anderer Stelle bringt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz Änderungen mit sich. Ist der Arbeitgeber hier nicht achtsam, drohen Risiken. So profitiert jetzt eine größere Anzahl von Beschäftigten, die die Initiative zur Wahl eines Betriebsrats ergreifen (sogenannte Wahlinitiatoren beziehungsweise Wahlinitiatorinnen), vom gesetzlichen Sonderkündigungsschutz. Auch zeitlich kommt es zu einer Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes. Mitarbeitende, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen und eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgeben (das heißt beim Notar), aus der sich die Absicht zur Errichtung eines Betriebsrats ergibt, haben dann bereits ab diesem frühen Zeitpunkt den besonderen Kündigungsschutz. Dieser ist jedoch auf den Zeitraum bis zur Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung, längstens auf die Dauer von drei Monaten, begrenzt.

Fazit

Bei der Durchführung der Betriebsratswahl kommt es immer wieder zu Fehlern, was auch der Komplexität des Wahlverfahrens geschuldet ist. Für die Wahl 2022, die teils auf geänderter gesetzlicher Grundlage durchzuführen ist, gilt das umso mehr. Arbeitgeber müssen die Wahl aufmerksam verfolgen und auf deren fehlerfreie Durchführung hinwirken, wenn sie kein Risiko eingehen wollen.

Weitere Beiträge aus unserer Artikelserie zu den Betriebsratswahlen 2022:

Betriebsratswahl 2022: Diese Neuregelungen gibt es

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Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Anja Naumann

Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.
Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Maximilian Koschker

Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät Unternehmen in allen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und der zunehmenden Digitalisierung (Arbeitswelt 4.0).

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